Victorias Körper, Teil II
von Hopper
Zweiter von drei Teilen
* * *
Donnerstag
Die Nacht endet um exakt fünf Uhr und zwanzig Minuten mit dem aufdringlichen Geklingel meines Weckers. Zum Kotzen, dieses Geräusch. Aber immerhin: Ich hatte sechs Stunden Schlaf und bin zur Abwechslung mal nicht verkatert.
In völliger Stille liege ich auf meinem Bett und starre in die Dunkelheit, weil mich ein Gefühl irritiert, das unangenehm dumpf in meinem Bauch nachhallt. Ich habe es aus meinen Träumen mit an die Oberfläche gebracht. Träume voller Sex. Sex mit Victoria und Sex mit Alice. Irgendwie waren sie ein und dieselbe Person gewesen.
Dass ich für die Sachen, die ich gestern zu Alice gesagt habe, keinen Orden für galantes Verhalten bekomme, muss mir niemand erklären. Aber warum habe ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen wegen Victoria? Ich habe ihre Sexbilder angeschaut und mir dabei einen runtergeholt. Wo soll da das Problem sein? Ich habe die Fotos weder gemacht noch gestohlen.
Ich denke an Camilla und ihre Vorwürfe. Bin ich wirklich so schlimm zu Frauen, wie sie behauptet hat? Männer, Frauen, Moral, Recht und Unrecht, Verantwortung, Gefühle, Sex – wer soll bei dieser ganzen Scheiße schon durchblicken? Ich stehe auf und mache mich fertig fürs Training.
* * *
Die Fahrradtour mit Richard durch das Winterwunderland, in das sich Oxford nach zwei Tagen Dauerschneefall verwandelt hat, gerät zur Rutschpartie. Als wir endlich am Bootshaus eintreffen, sind wir die letzten. Das Boot liegt schon im Wasser, die anderen stecken mitten in den Vorbereitungen auf das Training. Einziges Gesprächsthema: Victoria.
Tobias ist ganz aus dem Häuschen. Begeistert erklärt er, die Bilder seien das absolut schärfste Material, das er je gesehen habe. Seb, Jorge und Michael streiten, ob Victoria die Bilder selbst verbreitet hat oder ob sie gestohlen wurden. Seb tippt auf Diebstahl aus Rache oder simpler Boshaftigkeit, Jorge und Michael hingegen können sich durchaus vorstellen, dass Victoria selbst dahintersteckt. „Gibt ja genug Leute, denen so was einen Kick gibt“, behauptet Michael.
Lewis möchte wissen, was Richard von den Bildern hält, woraufhin dieser knapp erwidert, er habe die Fotos nicht angesehen und könne deshalb nichts zu ihnen sagen. Das glaubt ihm natürlich keiner und sofort reden alle lautstark und gleichzeitig auf ihn ein. Es wird viel gelacht, die Stimmung ist ausgelassen. Lewis will wissen, warum Richard die Bilder nicht angesehen hat. Dazu sagt Richard nur: „So was hat wirklich keinen Stil.“
Keine Frage, er meint das völlig ernst. Die anderen glauben ihm zwar kein Wort, aber ich bin sicher, dass Richard die Fotos tatsächlich nicht angeschaut hat. So ist er eben. Er hält Pornos, Stripclubs, Nutten und so weiter für Schummelei.
James verkündet, seiner Meinung nach sei Victoria selbst schuld an ihrer Lage. „Wer blöd genug ist, sich mit dem Finger in der Muschi fotografieren zu lassen, kann sich auch nicht beschweren, wenn am Ende so was dabei rauskommt.“ Dafür erntet er viel zustimmendes Gemurmel.
Aber nicht von Petr. Der hat die Diskussion bislang schweigend und zunehmend irritiert verfolgt. James' letzter Satz bringt ihn dann endgültig zur Explosion. Er schmeißt seine Sporttasche auf den Boden und brüllt: „Seid ihr eigentlich über Nacht alle verblödet, oder was?“ Petrs Ausbruch endet in allgemeinem verblüfften Schweigen, alle starren ihn an. Es ist schwer genug, Petr zu irgendeinem Statement mit mehr als drei Worten zu bewegen. Emotionen, die nichts mit Rudern zu tun haben, kennen wir überhaupt nicht von ihm. Aber jetzt steht er da in seinem Trainingsoutfit und funkelt uns an, unverkennbar wütend.
Petr ist deutlich älter als der Rest von uns, schon Ende zwanzig, außerdem verheiratet, Tscheche, praktizierender Rechtsanwalt in Prag, in Oxford Doktorand am rechtswissenschaftlichen Institut, ein Bär von einem Mann und eine absolute Maschine im Boot. Seit einem halben Jahr ist er außerdem Vater von Zwillingen, zwei zuckersüßen Mädchen mit riesigen, unschuldigen Augen.
„Von wegen selbst schuld“, empört er sich jetzt. „Dieses Mädchen ist hier das Opfer, ihr Pfeifen.“ Mitten in seinem Holzfällerbart hat er die Lippen zu einem wütenden Strich zusammengepresst. „Selbst wenn sie diese Fotos freiwillig und bei klarem Verstand gemacht hat, und das kann man wirklich bezweifeln, selbst dann hat niemand das Recht die Bilder ohne ihre Zustimmung zu veröffentlichen.“
Es ist jetzt schon die längste zusammenhängende Äußerung, die ich je von Petr gehört habe. Und er ist noch nicht fertig: „Persönlichkeitsrechte. Unverletzlichkeit des Körpers. Schon mal gehört? Ihr Körper ist ihre Privatsache und kein Ausstellungsstück für jeden notgeilen Wichser im College. Nicht das Mädchen ist schuld an dieser Sache, sondern das Arschloch, das die Bilder rumgeschickt hat.“
Er zeigt mit dem Finger auf jeden von uns, nacheinander. „Und wenn ihr diese Bilder weitergebt oder auch nur anseht, dann seid ihr mitschuldig an dem Unrecht, das ihr angetan wurde. Nicht juristisch vielleicht, aber moralisch. Auch junge Mädchen mit tollen Titten dürfen selbst entscheiden, wer sie nackt sieht. Das ist wirklich nicht besonders schwer zu verstehen, ihr müsst bloß mal mit dem Gehirn darüber nachdenken statt mit dem Schwanz.“ Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und trägt sein Zeug zum Wasser.
„Wie ich schon sagte“, bemerkt Richard gut gelaunt in die Stille hinein. „Es hat einfach keinen Stil.“
* * *
Keine drei Stunden später liege ich auf dem weichen Teppich in Richards Zimmer und starre gedankenverloren an die Decke. Richard liegt auf dem Bett und tut dasselbe. Nach dem Training haben wir uns Frühstück geholt und zu zweit bei ihm gegessen. Irgendwie konnten wir uns danach nicht dazu aufraffen mit der Arbeit anzufangen und so liegen wir jetzt hier und tun – im Wesentlichen – gar nichts.
Richard ist immer noch ungewöhnlich ernst und verschlossen. Irgendwas ist passiert auf der Clarendon Party am Dienstag, aber ich habe keine Ahnung, was es sein könnte. Ich habe ihn gefragt, während des Frühstücks. Er legte sein Sandwich zur Seite und grübelte eine Weile. Am Ende sagte er nur: „Können wir einfach sagen, es ist etwas passiert, über das ich nachdenken muss?“
„Auf der Clarendon Party?“, wollte ich wissen.
„Ich will wirklich nicht darüber reden.“
Und damit war das Thema durch.
„Irgendwie war ich mir sicher, du magst sie“, sagt Richard plötzlich nach einer minutenlangen Stille.
„Wen?“
„Alice.“
Ich denke eine Weile darüber nach. „Ich mag sie nicht nicht“, sage ich schließlich.
„Oh, ok“, erwidert Richard mit gewohntem Sarkasmus. „So sprichst du also mit den Mädchen, die du nicht nicht magst. Gott, ich hoffe, ich bin nicht dabei, wenn dir eine mal so richtig unsympathisch ist.“
Ich seufze. „Ich weiß auch nicht…“ Pause. „Irgendwie macht sie mich ganz verrückt mit ihrer Art. Diese naive Kleinmädchengefühlsscheiße, damit komme ich nicht klar. Wie kann es sein, dass sie nach drei Tagen Funkstille nicht verstanden hat, dass ich nicht interessiert bin? Ist sie dumm, oder was ist da los?“
Ich muss einmal durchatmen, um mich zu beruhigen. Dann, gefasster: „Ich wollte ihr nicht weh tun, deshalb habe ich mich ja die ganze Zeit vor dem Gespräch gedrückt. Mit der Nummer in der Bar hat sie mir einfach keine Wahl gelassen. Du weißt, dass das stimmt.“
Richard denkt nach. „Ich glaube, so dumm oder naiv, wie du denkst, ist sie nicht. Vielleicht hat sie für das alles einen guten Grund, den du halt nicht kennst. Und dich in der Bar so zu konfrontieren, vor den Jungs, das war zwar echt dämlich, aber auch ganz schön mutig. Ehrlich? Wenn du diese Sachen zu mir gesagt hättest, wäre ich wahrscheinlich auch heulend weggelaufen.“
Ich lache, aber innen drinnen fühle ich mich ziemlich elend.
„Ich verstehe nicht“, macht er weiter, „warum du nicht versucht hast eine halbwegs friedliche Lösung mit ihr hinzubekommen. Das hat doch nur Vorteile. Schau, ich habe bis jetzt mit zwei Frauen geschlafen, seitdem ich wieder in der Stadt bin, und heute Abend gehe ich mit beiden essen. Zusammen. Wer weiß, vielleicht geht eine von ihnen ja nochmal mit mir ins Bett?“
Ich lache. Typisch: Während ich mit den Konsequenzen meines One-Night-Stands kämpfe, schließt Richard mit seinen Bettgeschichten Freundschaft. Keine Ahnung, wie er das immer macht.
„Warum kommst du nicht einfach mit?“, schlägt er vor. „Du kannst die weniger Hübsche vögeln.“
„Ich kann nicht. Heute Abend ist Welcome Dinner, bin mit meiner College-Nichte da.“
„College-Nichte, echt? Ganz schön viel Aufwand für einmal Sex.“
Pause.
„Glaubst du, die Sache in der Bar hat es mir mit den Clarendon-Jungs verdorben?“
„Verdorben?“ Er lacht. „Im Gegenteil. Damit bist du zum ersten Mal auf dem Radar von Rufus aufgetaucht. Er fand die Szene mit Alice irre komisch. Und Tom hält sowieso ziemlich viel von dir seit eurer kleinen Blowjob-Geschichte.“
Pause.
„Was denkst du? Was wollen die von mir?“
„Schwer zu sagen.“ Er grübelt. „Vielleicht überlegen sie, ob sie dir ein Angebot machen sollen?“
„Angebot?“
„Clarendon Club. Mitglied sein im Clarendon Club.“
„Ernsthaft? Ich? Nicht englisch, nicht adelig, nicht reich?“
„Wieso nicht? Alles schon da gewesen. Und was sollte es sonst sein?“
Lange Pause.
„Richard, bist du im Clarendon Club?“
Ein Schnauben, irgendwo zwischen amüsiert und irritiert. „Was für eine Frage! Egal ob ich ja oder nein sage, du würdest mir eh nicht glauben können.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
„Oh, danke für diesen Hinweis.“
Stille.
„Ich frage nur, weil du so viel mit Henry, Rufus und Tom zu tun hast. Ich weiß, du kennst sie von der Schule, aber trotzdem...“
„Nur Henry und Tom waren mit mir in Eton. Rufus war in Harrow und da so etwas wie der dunkle Lord der Schule. Es gibt Geschichten über ihn, die selbst für die großen, alten Internate übel sind, und das sind wirklich keine Streichelzoos.“
„Zum Beispiel?“
Pause.
„Erzähle ich dir mal, wenn wir weit weg sind von St. Paul's. Das ist hier kein gutes Thema.“
* * *
Auf dem Weg zur Bibliothek sehe ich, dass irgendjemand in wütenden Kreidestrichen „Solidarität mit Victoria“ auf die große Tafel im Durchgang zwischen Old Quad und New Quad geschrieben hat. Natürlich hat dann jemand anderes „Solidarität“ durchgestrichen und „Geschlechtsverkehr“ daruntergekritzelt. So was ist unvermeidlich.
Nur wenig später habe ich eine E-Mail von Dr. Kendal, dem Dekan, auf meinem Bildschirm, die an alle Mitglieder des Colleges adressiert ist. Er bringt seinen Schock darüber zum Ausdruck, dass intime Fotos einer Studentin im Umlauf sind, die möglicherweise gegen den Willen der Betroffenen verbreitet wurden. Er teilt mit, dass das College mit Hochdruck daran arbeite, die Hintergründe zu klären, und kündigt drastische Strafen an, falls College-Mitglieder in die Sache verwickelt seien.
Als ich die Bod ein paar Stunden später verlasse und durch den großen Innenhof in Richtung Radcliffe Square gehe, löst sich aus einer Gruppe Studenten Tom und kommt grinsend auf mich zu.
„Ah, hallo“, sagt er und schüttelt mir enthusiastisch die Hand. „Wir haben grade von dir gesprochen.“ Er zeigt mit dem Daumen über die Schulter zu den Leuten, mit denen er eben noch zusammenstand. Ich folge seiner Geste mit den Augen und sehe Henry und ein paar unbekannte Jungs. Henry nickt mir freundlich zu.
„Nur Gutes hoffentlich“, sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.
„Vorschlag“, setzt Tom an. „Am Wochenende fahre ich mit Henry und ein paar Leuten zu Henrys Eltern raus nach Woodstock. Ich kann einen Gast mitbringen. Hast du Lust?“
Wer? Ich? „Äh...“, mache ich, sprachlos nach diesem völlig unerwarteten Angebot.
„Ich habe immer gedacht, meine Eltern hätten ein riesiges Anwesen, aber Henrys Familie wohnt im Blenheim Palace. Mal dagewesen? Ist halb so groß wie Oxford, der alte Kasten“, plappert er einfach weiter. „Komm schon, diese Wochenenden sind immer ein Spaß. Irgendwelche interessanten Leute sind garantiert da und das Essen ist fantastisch. Was sagst du?“
Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Vielleicht hat Richard recht. Kann es wirklich sein? Wollen die mich in ihrem Club haben?
Ich entscheide, es gibt nur einen Weg es herauszufinden: „Klingt spitze. Ich bin dabei.“
* * *
Am Abend findet in der Great Hall, dem großen Speisesaal des Colleges, die einzige offizielle Veranstaltung für die neuen Studenten in St. Paul's statt: das Welcome Dinner, ein ziemlich protziges Sieben-Gänge-Menü, mit dem man wohl bei den Neuen gleich mal ordentlich Eindruck schinden will. Soll mir recht sein, dieses Dinner ist immer großartig.
Ich bin eingeladen, weil ich mich freiwillig als Pate für einen der Freshers gemeldet habe. Mein einziger Job als „College-Onkel“ ist es einen der Neuen beim Start in Oxford mit Rat und Tat zu unterstützen. Mit großherziger Hilfsbereitschaft hat das natürlich nichts zu tun. Mein Motiv ist – wie soll es anders sein? – Sex. Der Job als College-Onkel ist eine großartige Möglichkeit Frauen kennenzulernen. Und weil ich mit Milo, dem Studenten, der für die Zuteilung der Paten verantwortlich ist, einen guten Deal habe, konnte ich mir dieses Jahr vorab aussuchen, welches Mädchen ich „betreuen“ wollte.
Meine Wahl fiel auf eine Amerikanerin mit dem schönen Namen Fiona. Sie ist erst am Morgen überhaupt in England eingetroffen und noch völlig planlos. Sie kompensiert das mit einer überschäumenden Begeisterung für Oxford, die mich ziemlich irritiert. Als sie mir auf dem Empfang vor dem Dinner vorgestellt wird, ist sie zuerst begeistert von der Tatsache, dass es einen Empfang gibt, und dann begeistert von den alten holzvertäfelten Wänden und dem frühneuzeitlichen Charme des Adam-Smith-Room. Sie ist begeistert vom Sherry, den ich für uns beide vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners angle, und begeistert von ihrem brandneuen schwarzen Talar, den sie wie alle anderen auch zu diesem formellen Anlass angezogen hat.
„Genau wie bei Harry Potter“, ist buchstäblich der dritte oder vierte Satz, den sie überhaupt zu mir sagt, begeistert natürlich. Diese Scheiße kann ich immer nur mit Mühe ertragen. Ich hasse Harry Potter.
Fiona sieht ganz ok aus. Mit ihren halblangen dunklen Haaren und den etwas zu üppigen Kurven ist sie nicht unbedingt mein Typ, aber das wusste ich schon von dem Foto auf ihrem Steckbrief, bevor ich mich für sie entschied. Ich habe sie nicht wegen ihrer Schönheit ausgesucht. Sie schien mir eine gute Wahl zu sein, weil sie, erstens, ein Jahr in Heidelberg studiert hat und, zweitens, in St. Paul's rudern will. Viele schöne Anknüpfungsmöglichkeiten für Gespräche. Außerdem will ich sie ja nicht heiraten, nur ficken.
Der Start ist jedenfalls vielversprechend. Sie freut sich ausgelassen über die Möglichkeit ihr ziemlich gutes Deutsch zu verwenden und ist, natürlich, begeistert, dass ich ihr alles über den St. Paul's Boat Club erzählen kann.
„Was für ein toller Zufall, dass wir beide rudern“, ruft sie.
„Wirklich unglaublich“, stimme ich ihr fröhlich zu. Die Zeit bis zum Dinner vergeht wie im Flug.
Als dann irgendwann der große Gong ertönt, hake ich mich bei ihr ein und führe sie im dichten Strom der anderen Gäste die breite steinerne Treppe zur Great Hall hinauf. Als wir durch die großen Flügeltüren in den Saal eintreten, beobachte ich neugierig Fionas erste Reaktion. Ich werde nicht enttäuscht: Sie bleibt einen Moment lang stehen und bewundert staunend das im Glanz von tausend Kerzen erstrahlende Prunkstück des St. Paul's College. Die Great Hall hat ihren Namen wirklich zu recht. Fünfzig Meter lang, zehn Meter hoch, ein Meisterwerk des sechzehnten Jahrhunderts. Weiß verputzte Wände tragen eine kunstvolle, filigrane Balkendecke, schlanke, endlos hohe und mit Glasmalereien verzierte Fenster, gewaltige Kronleuchter, darunter drei lange Tischreihen, die jetzt vor Kerzen, Besteck und Gedecken nur so glänzen. An den Wänden hängen Portraits längst verstorbener Geistesgrößen, die vor uns als St. Paul's-Studenten in diesem Saal gegessen haben: Erasmus von Rotterdam, John Locke, Adam Smith, William Gladstone, T.S. Eliot, J.R.R. Tolkien, Oscar Wilde und so weiter und so fort. Irgendwann werden noch Portraits von Bill Clinton und Stephen Hawking dazukommen.
Nach zwei Jahren in St. Paul's nehme ich das alles gar nicht mehr wahr. Für mich ist die Great Hall mittlerweile einfach nur eine große, laute, zugige Mensa, in der ich drei- oder viermal die Woche essen gehe. Aber für diesen einen Augenblick finde ich in Fionas leuchtenden Augen Fragmente meiner anfänglichen Faszination für diese völlig verrückte, uralte Universität wieder. Es gibt keinen anderen Ort wie diesen in der ganzen weiten Welt. Na ja, ok: einen vielleicht, aber über den spricht man hier nicht.
Ein Blick auf die Sitzordnung, dann führe ich Fiona zielsicher zu unseren Stühlen. Wir haben gute Plätze im hinteren Drittel des Saals, sie sitzt zu meiner Rechten. Hinter meinem Stuhl bleibe ich stehen und erkläre ihr, dass man sich erst hinsetzt, wenn auch die Professoren da sind. Stehend und staunend saugt sie die Atmosphäre in sich auf: überall Studenten in dunklen Anzügen und Talaren, die an ihren Plätzen stehen, lachen und sich unterhalten, auf dem Tisch glänzt schwer und edel im Kerzenlicht das gute Silberbesteck mit eingraviertem College-Wappen. Methodisch aufgereiht und ausgelegt für sieben Gänge wirkt es wie ein Waffenarsenal.
Direkt gegenüber von Fiona, auf der anderen Seite der schmalen Tafel, tritt ein grobschlächtiger, breitschultriger Typ mit wilden roten Haaren an seinen Platz und bleibt stehen. Angus. Er ist wie ich im dritten Jahr und scheinbar auch als College-Onkel hier. Von seinem Neffen fehlt aber jede Spur. Angus und ich haben wenig miteinander zu tun. Ich weiß, dass er Schotte ist und Rugby für St. Paul's spielt, sonst beinahe nichts. Er ist schon ok, irgendwie.
Freundlich nicke ich ihm zu. „Angus, darf ich vorstellen: Das ist meine Nichte Fiona. Sie kommt aus den USA. Nebraska, um genau zu sein. Sie studiert Biologie. Fiona, das ist Angus. Er kommt aus Schottland, aber sie lassen ihn trotzdem hier studieren … er macht irgendwas mit Maschinenbau oder so.“
Angus lacht. „Weiß ehrlich gesagt selbst nicht so genau, was es ist.“ Er beugt sich über den Tisch und gibt Fiona die Hand. Während wir uns unterhalten, füllt sich um uns herum der Saal.
Ein paar Plätze weiter unterhalten sich zwei Jungs, die ich nicht kenne, aufgeregt über Victorias Bilder. Das führt mich zu einer interessanten Frage: Ob Victoria wohl hier ist? Als Studienanfängerin ist sie natürlich zum Welcome Dinner eingeladen. Allerdings hoffe ich für sie, dass sie genug Grips hat heute Abend einen großen Bogen um diese Veranstaltung zu machen. Gott, ich will mir gar nicht vorstellen, was sie sich alles anhören müsste, wenn sie doch käme. Man muss nicht nett, verständnisvoll und sozial kompetent sein, um hier zu studieren, nur clever. Je weniger Victoria von den hässlichen Sachen mitbekommt, die zurzeit im College über sie herumgehen, desto besser. Auf der Jungstoilette in der College-Bar hat jemand ihre Handynummer an die Wand geschrieben, versehen mit der freundlichen Aufforderung sich doch bei Interesse an Sex jederzeit gerne zu melden. Ich habe mein Handy genommen und nachgeschaut: Es ist tatsächlich ihre richtige Nummer. Unschöne Sache. Ich werde nicht anrufen, versteht sich, aber andere werden es tun. An ihrer Stelle würde ich meine SIM-Karte ins Klo werfen und die Stadt für ein paar Wochen verlassen. Hat sie vielleicht, spekuliere ich, während ich mich im Saal nach ihr umsehe. Hier ist sie jedenfalls nicht.
Auch Fiona hat die Konversation der beiden Jungs offenbar gehört. „Unglaublich, diese Geschichte mit den Nacktbildern“, kommentiert sie mitfühlend. „Alle reden davon. Für das arme Mädchen muss das ja die Hölle sein! Ich hoffe, sie ist ok.“
Angus runzelt die Stirn. „Das ist sicher nicht nett gewesen, aber ich sag mal so: Warum macht sie auch so bescheuerte Sachen? Wenn sie sich nicht für diese Fotos ausgezogen hätte, wäre das alles niemals passiert. Da muss man halt vorsichtiger sein.“
Fiona verzieht das Gesicht und öffnet den Mund zu einer Erwiderung, aber ich bin schneller: „Also entschuldige mal, Angus, aber verwechselst du hier nicht Täter und Opfer?“ Wie hatte Petr das doch gleich wieder formuliert? „Persönlichkeitsrechte, Angus, Unverletzlichkeit des Körpers. Victoria kann machen, was sie will, auch solche Fotos. Das ist ihre Privatsache und geht keinen was an. Schuld ist hier nur einer: der Typ, der die Bilder gestohlen und rumgeschickt hat.“
Angus starrt mich ungläubig an, aber Fiona strahlt. „Genau! Perfekt auf den Punkt gebracht“, sagt sie anerkennend und wirft mir einen Blick zu, der mir Hoffnung macht, dass der Abend in meinem Bett enden könnte. Mit einem Seitenblick in Angus' Richtung fügt sie hinzu: „Toll, dass nicht alle Männer hier mit einem Frauenbild aus dem Mittelalter rumrennen.“
Angus schaut mich an, als hätte ich ihn an den Feind verraten. Sorry, Kumpel, denke ich, aber du weißt, wie es läuft. Du hättest es doch genauso gemacht, um sie ins Bett zu bekommen.
„Wo ist denn dein College-Neffe, Angus?“, fragt Fiona dann höflich – ein offensichtlicher aber freundlicher Versuch das Gespräch wieder in sicheres Fahrwasser zu lenken.
„Gute Frage“, brummt Angus, noch immer beleidigt, und wirft einen Blick zum Eingang. Es kommen jetzt nur noch wenige Nachzügler herein, der Saal ist beinahe voll. „Sie wollte eigentlich nur noch schnell auf die Toilette.“
„Hast du sie auch heute erst kennengelernt?“, erkundigt sich Fiona.
„Nein, nein, sie ist schon ein paar Tage hier. Kommt aus Reading, das ist hier ganz in der Nähe.“
„Und wie ist sie so?“, will ich wissen.
„Na ja ... ziemlich posh“, beschwert sich Angus, der alles ist, aber sicher nicht posh. Eher das Gegenteil von fein und vornehm: Mit seiner wilden roten Mähne und dem dichten Bart sieht er aus wie ein Holzfäller. Die meiste Zeit benimmt er sich auch so. „Sie war in Wycombe“, ergänzt er und verzieht das Gesicht.
„Was ist Wycombe?“, fragt Fiona verwirrt.
„Ein sehr, sehr nobles und sehr, sehr teures Mädcheninternat“, kläre ich sie auf.
„Da schicken reiche Leute ihr Frau Töchterlein hin, damit eine feine Dame aus ihr wird“, behauptet Angus, wobei er „Dame“ ziemlich abfällig sagt. Dann deutet er einen sarkastischen kleinen Knicks an.
„Aha“, macht Fiona und presst ihre Lippen zusammen. Es ist ziemlich klar, dass sie Angus für einen Neandertaler hält.
Angus merkt davon nichts. Er schaut sich noch immer um. Dann streckt er plötzlich einen Arm in die Luft und winkt in Richtung Eingang. „Und da kommt sie dann auch endlich...“
Fiona und ich folgen seinem Blick, aber von unserer Seite des Tisches aus ist nicht viel mehr zu erkennen als der Umriss einer Person im schwarzen Talar, die sich hinter den Rücken der uns gegenüberstehenden Gäste auf Angus zubewegt.
Es spielt keine Rolle. Ich weiß längst, wer mir gleich gegenüberstehen wird.
Und da ist sie auch schon. Sie tritt hinter den freien Stuhl auf der anderen Seite der schmalen Tafel, lächelt Angus kurz zu und wischt sich geistesabwesend eine Strähne ihres nussbraunen Haars aus dem Gesicht. Dann wirft sie einen langen, neugierigen Blick auf den vollgepackten Tisch. Das dauert gefühlt eine Minute, eine Ewigkeit für mich, in der ich einen wilden Ritt über die gesamte Klaviatur der menschlichen Emotionen vollführe. Von rauschhaften Hochgefühlen bis hinab zu einem mörderischen Grauen in meinen Eingeweiden ist alles dabei. Irgendwie ist es dann auch eine Erleichterung, als sie endlich den Kopf hebt und mir ins Gesicht schaut. Einen ganz kurzen Moment leuchtet ihr Gesicht noch voller Restfreude, dann erkennt sie mich und ihr Lächeln stirbt einen plötzlichen Tod. Es ist Alice.
Die Situation ist unmöglich, untragbar. Ich kann hier nicht sitzen, einen Meter von Alice entfernt, und einen lockeren, ungezwungenen Abend verbringen, von einer Charmeoffensive in Richtung Fiona ganz zu schweigen. Aber was kann ich tun? Einfach gehen? Irgendwo andere Plätze für Fiona und mich organisieren? Der Butler nimmt mir die Entscheidung ab. Er schlägt zweimal gegen den großen Gong und sofort senkt sich eine aufgeregte Stille über den Saal. Ich bin gefangen.
Alle Köpfe drehen sich zur Stirnseite der Great Hall, wo leicht erhöht ein riesiger Tisch quer zu den übrigen Tischreihen steht. Schweigend beobachten alle Anwesenden, wie durch eine kleine Seitentür die Professoren des St. Paul's College einer nach dem anderen den Saal betreten, allen voran Master Stuart, der hier quasi der Rektor ist.
Alle Köpfe bis auf zwei. Alice und ich stehen uns gegenüber und blicken uns in die Augen – ich mit einer nervösen, ziemlich perversen Freude, sie eisern, erbarmungslos, brodelnd vor Zorn.
„Oculi omnium spectant in te, Deus! Tu das illis escas tempore opportuno...”, schwebt in feierlichem Singsang die Stimme von Master Stuart über unsere Köpfe hinweg, als er den traditionellen College-Segen intoniert.
Mir gegenüber folgt Alice jeder meiner Bewegungen mit funkelnden Augen. Ich schwöre, ich kann ihre Wut wie Gluthitze auf meinem Gesicht spüren. Sie steht da wie ein Boxer, während der Ringsprecher die Regeln erklärt, mit kaum zu zügelnder Aggression, als warte sie auf den Moment, wenn endlich der Ring frei wird und sie anfangen kann mit ihren Fäusten auf mich einzudreschen.
Nicht zum ersten Mal bemerke ich: Sie sieht großartig aus, ernst und feierlich in ihrem schwarzen Kleid und dem schwarzen Talar. Aber ihre Wut macht mich irgendwie traurig. Wie konnte es nur so weit kommen mit mir und ihr? Wie habe ich es hinbekommen dieses stille, schüchterne Mädchen so zornig zu machen? Ihre Wut macht mich aber auch wütend. Gleich wird sie mir wieder vor allen Leuten eine Szene machen, die dumme Nuss. Wenn ich doch nur wüsste, was sie eigentlich von mir will. Ich habe nicht die leiseste Ahnung.
„... Deus, Rex aeternae gloriae“, beendet der Master den Segen und zweihundertfünfzig Studenten nehmen lärmend ihre Plätze ein.
Wir sitzen kaum, da beginnt Angus auch schon mit der obligatorischen Vorstellungsrunde. „Leute, das ist Alice. Sie macht Jura. Und das ist ...“, sagt er, lässig in meine Richtung deutend. Weiter kommt er nicht.
„Wir kennen uns“, faucht Alice gereizt.
Fiona zuckt überrascht zurück und sogar Angus mit seinen ziemlich kurzen sozialen Antennen hat die Aggression in ihren Worten registriert. „Oh“, macht er und sucht dann nach etwas, das er sagen kann. Aus Gründen, die niemand je erfahren wird, entscheidet er sich für: „Ihr seid bestimmt schon…. länger … befreundet?“
„Nein, nein“, antwortet Alice. Sie flötet es geradezu, langsam und zuckersüß, aber irgendwie gelingt es ihr ein geradezu schockierendes Maß an Sarkasmus und Schärfe direkt hinter die freundliche Fassade ihres Plaudertons zu schieben. „Ich bin nur irgendeine Tussi, die er mal gefickt hat.“
Der Typ, der rechts von Alice sitzt, reißt scharf den Kopf herum und starrt sie schwer irritiert an.
Oh weh, stöhnt mein Kopf. Das wird nicht schön.
Einige Sekunden lang spricht niemand.
„Äh...“, sagt Angus. Und dann, als er einsieht, dass ihm nichts Intelligentes mehr einfallen wird: „Was?“
Alice strahlt ihn an. „Ich will sagen, Angus, dass wir uns eigentlich gar nicht richtig kennen. Er hat das ganz schön formuliert: Alles, was ihn an mir interessiert, hat er schon zwischen meinen Beinen gefunden.“
„Was?“, ruft Fiona entgeistert und glotzt mich an. „Das hast du gesagt? Wow, du bist ja mal ein richtiges Arschloch.“
Na super. So viel zum Projekt Ficken mit Fiona.
Jetzt reicht es mir echt. Was will die eigentlich von mir? Was, zum Teufel? Was? Ich entscheide mich für die direkte Lösung und frage einfach: „Und was hat dich an mir interessiert, als du mit mir ins Bett gegangen bist, Alice?“ Ich versuche ruhig zu bleiben. Den Triumph meiner Wut gönne ich ihr nicht. „Du wolltest auch keinen Spaziergang im Mondschein machen, du wolltest keine tiefsinnigen persönlichen Gespräche mit mir führen. Nein, du wolltest, dass ich mich ausziehe, und genau das hast du dann auch bekommen.“
„Ich konnte nicht mehr klar denken“, faucht sie sofort zurück, jetzt offen wütend. „Du hast mich high gemacht.“ So wie sie das sagt, schwingt da eine ziemlich heftige Anschuldigung mit.
Mittlerweile sind alle Gespräche in Hörweite verstummt. Alles verfolgt gebannt unsere Auseinandersetzung. Zum ersten Mal überhaupt bin ich dankbar über den Lärm und die miese Akustik in diesem Saal. Nicht viele Leute verstehen, was wir sagen. Aber ich bin kein Idiot: Ich weiß, dass dieses Gespräch morgen im Wortlaut im ganzen College bekannt sein wird. Irgendwie streiten wir halt gerne öffentlich, Alice und ich.
„Was?“, ruft Fiona schon wieder. Von ihrer anfänglichen Begeisterung für das Dinner ist nicht mehr viel übrig. „Du hast ihr was in den Drink getan, du Schwein?“
„Du hast mich nach dem Koks gefragt, Alice“, erinnere ich sie und kann nicht verhindern, dass es wütend klingt. „Du bist doch erwachsen, oder etwa nicht? Es ist nicht mein Job dir zu sagen, was du dir einwerfen darfst und was nicht.“
„Alice, du musst zur Polizei gehen“, ruft Fiona in schriller Hysterie.
„Fiona: Fresse halten! Jetzt sofort!“, zische ich ihr ins Gesicht und sie hält sie tatsächlich, schockiert.
„Der Punkt ist“, schnappt Alice mit kalter Wut, „du hast mich ohne jede Rücksicht benutzt und dann weggeworfen wie Abfall! Es ging dir nie um mich! Du hast einfach nur irgendeine gesucht, die die Beine für dich breit macht!“
„Na und?“, rufe ich zurück. „Ich hab dir nichts versprochen, ich hab dich nicht belogen. Ich wollte mit dir ins Bett, mehr nicht. Ein verdammter One-Night-Stand. Schon mal gehört? Was ist dein beschissenes Problem, Alice? Du hast jede Sekunde Sex mit mir in vollen Zügen genossen!“
Es ist wahr, ich sehe es in ihren Augen. Aber sie kann ihre Emotionen nicht bändigen, ist zu wütend für Konzessionen jeder Art. Wahrscheinlich hat sie selbst keine Ahnung, was sie eigentlich von mir will.
„Hah! Von wegen!“, ruft sie, als wäre das eine völlig absurde Vorstellung. „Das war der schlechteste Sex, den ich je hatte. Von deinem Minipimmel hab ich die meiste Zeit gar nichts mitbekommen.“
Dafür erntet sie ein paar Lacher aus der Umgebung.
Einen Augenblick lang bin ich sprachlos. Das ist eine so dreiste Lüge, was soll man zu so was noch sagen? Die Antwort, die ich schließlich gebe, ist nicht überlegt und kalkuliert, sondern rein impulsiv und emotional. Ich bin unfassbar wütend und kann dem dunklen Verlangen nicht widerstehen es ihr auf demselben armseligen Niveau heimzuzahlen. „Wie willst du prüde Schnepfe denn guten von schlechtem Sex unterscheiden? So verklemmt, wie du bist, war das doch garantiert das erste richtige Teil in deiner Fotze, seit du dir mit zwölf aus Neugier mal einen Bürstenstil unten reingesteckt hast.“
Ich habe absolut keine Ahnung, warum ich das gesagt habe. Es ergibt noch nicht einmal besonders viel Sinn. Aber ein paar Leute lachen und das ist alles, was zählt. Geschieht dir recht, du blöde Kuh. Was auch zählt, ist, dass ich sie damit verletzt habe. Mehr als verletzt, wie ich dann merke. Die Wirkung meiner Worte auf Alice ist absolut verheerend: Irgendwo tief in ihr geht etwas kaputt, man kann förmlich dabei zusehen. Ihr Gesicht verliert jede Farbe, ihre Mimik entgleist, Tränen schießen ihr in die Augen. Dann drückt sie sich hektisch und unkoordiniert aus ihrem Stuhl hoch und flüchtet halb gehend, halb rennend zum Ausgang, eine Hand über ihren Mund gelegt, als wäre es die einzige Möglichkeit, um nicht schreien zu müssen.
Ohne nachzudenken springe ich auf und folge ihr im Laufschritt aus dem Saal. Nie, nie, nie würde ich einem Mädchen in der Öffentlichkeit nachlaufen, wenn ich bei klarem Verstand wäre, aber bei Alice gehen irgendwie immer die Pferde mit mir durch. Dass sie jetzt schon wieder vor mir wegrennt, macht mich ab-so-lut rasend! Ich weiß nicht, wieso.
Als ich aus dem Saal eile und am oberen Absatz der großen Treppe ankomme, sehe ich noch, wie sie mit flatterndem Talar im Durchgang zum Old Quad verschwindet. „Alice! Alice!“, schreie ich, dann stürme ich fluchend die Treppe hinunter, ihr hinterher.
Wieso sage ich bloß immer so schreckliche Sachen zu ihr? Ich wünschte, ich hätte eine Antwort. Irgendwas an ihr treibt mich einfach in den Wahnsinn.
Aus den großen Fenstern der Great Hall dringt ein warmer Schein in den nächtlich stillen Hof, als ich aus dem Durchgang gerannt komme. Alice ist da, läuft keine zwanzig Meter vor mir am Rasen des Old Quad entlang Richtung Ausgang. Aber sie ist nicht besonders groß und nicht besonders sportlich und hat keine Chance mir zu entkommen. Bevor sie die halbe Strecke durch den Hof geschafft hat, bin ich bei ihr.
„Alice!“, rufe ich wieder und packe ihren Arm. Unsanft stoppe ich sie, wirbele sie herum und fange mir dafür wie aus dem Nichts eine heftige Ohrfeige ein, dass es nur so in meinen Ohren klingelt. Ganz kurz bin ich orientierungslos und lasse los.
Sofort beginnt sie mit ihren kleinen Fäustchen auf meine Brust und meinen Kopf einzudreschen. „Du Arschloch! Du Arschloch! Du Arschloch!“, heult sie mit tränenerstickter Stimme.
Irgendwann gelingt es mir ihre wild um sich schlagenden Hände zu greifen und festzuhalten, allerdings hat sie mir vorher noch zwei Wirkungstreffer auf Nase und Lippen verpasst.
„Alice, Alice. Hör doch zu. Alice!“, rede ich eindringlich auf sie ein.
Ich will, dass sie aufhört mich zu schlagen.
Ich will sie festhalten, bis sie ruhig ist und mir zuhört.
Ich will mit ihr reden, ihr alles erklären.
Ich will sie küssen.
Ich will sie jetzt sofort küssen.
Ich küsse sie.
Ich küsse sie und sie küsst mich, plötzlich, unerklärlich, leidenschaftlich, eindringlich, unauflöslich.
Endlich.
Ihre Lippen schmecken nach Salz. In der winterlichen Nachtluft spüre ich die Hitze ihrer Zunge in meinem Mund. Ihr zarter kleiner Körper an meiner Brust, ihre Arme um meinen Hals, Finger, die sich besitzergreifend in mein Haar krallen. Wir küssen uns gierig, mit der unendlichen Erlösung von Ertrinkenden, die es im letzten Moment doch noch zurück ans rettende Ufer geschafft haben.
* * *
Wir landen dann ziemlich fix in meinem Bett. Davor auf dem Boden, von der Tür zum Bett, eine Spur unserer Erregung: achtlos von Füßen gekickte Schuhe, zwei Talare in einem großen Knäuel schwarzer Seide, mein Jackett, ihr schickes schwarzes Kleid, eine Anzughose, eine blau-rote St. Paul's-Krawatte, eine Haarspange, mein Hemd, ihr BH.
Wir knien dicht voreinander, halten uns, küssen uns, ihre Augen sind geschlossen, darunter getrocknete, schwarz lasierte Bahnen aus Wimperntusche und Salz. Ihre Haare kitzeln mich im Gesicht, ich spüre ihre nackten Brüste an meinem Körper.
Ich bin so, so, so verwirrt. Was passiert hier bloß? Da ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl in mir, das mich völlig fertig macht, und gleichzeitig tiefe Scham und Wut und Verzweiflung und Konfusion und Erregung und, glaube ich, alle anderen Gefühle, die es gibt, auch noch. Das zu sortieren wird definitiv eine Weile dauern.
Sie schiebt ihre Hand in meine Boxershorts und schließt ihre kleine Faust um meinen Schwanz. Während wir uns küssen, erregt sie mich. Dann fährt sie runter zu meinen Eiern und umgreift sie sanft. Ich bin unfassbar scharf auf sie. Die ganze Wut, die ganze Anspannung muss jetzt irgendwie raus aus meinem Körper. Ihre Hände machen mich wahnsinnig an.
Nach einer Weile drückt mich Alice mit dem Rücken aufs Bett und lupft die Shorts über meinen Ständer. Sekunden später liege ich nackt vor ihr. Sie schiebt meine Knie auseinander und setzt sich direkt vor meinen Schwanz. Dann beginnt sie mich mit beiden Händen zu bearbeiten, die linke wichst, die rechte spielt mit meinen Eiern, umschließt meinen Schaft, erkundet meinen Hintern.
In ihren Händen wächst mein Ding zu seiner vollen Größe an. Die totale Erregung macht sich bemerkbar: So hart ist er echt selten.
Alices Gedanken drehen sich scheinbar um ähnliche Themen, denn plötzlich lächelt sie versonnen und flüstert: „Überhaupt nicht mini.“
Ich schließe die Augen und genieße ihre Behandlung. Ob sie das wohl so weitermacht, bis ich komme?
„Ich weiß, was du letztes Mal von mir haben wolltest“, behauptet sie nach einer Weile, ganz leise. „Darf ich jetzt?“
Keine Ahnung, was sie meint. Aber wenn ich es letztes Mal wollte, will ich es jetzt vermutlich auch, also nicke ich einfach mal.
Sie beugt sich vor und küsst meine Schwanzspitze sachte. Jetzt weiß ich, um was es geht. Und sie hat recht: Ich wollte am Sonntag unbedingt, dass sie mein Ding in ihren Mund steckt. Und jetzt will ich es auch.
Sie leckt mit ihrer Zunge einmal über meinen Schwanz, von den Eiern bis hoch über die freiliegende Eichel. Mit Lippen und Zunge entdeckt sie mich dort unten, küsst jeden Zentimeter, züngelt und leckt. Sie zieht meine Vorhaut so weit hinunter, wie es geht, woraufhin meine Eichel stolz anschwillt und sich ihr nackt und begierig entgegenstreckt. Das ist fast ein bisschen schmerzhaft, aber auch unglaublich geil. Langsam schiebt Alice ihre Lippen darüber, erst zögerlich, als müsse sie den Geschmack meines Penis testen. Dann wird sie bestimmter und beginnt mich zu blasen. Ich lasse mich fallen und gebe mich den süßen Reizen zwischen meinen Beinen hin.
Leider ist es ein ziemlich mieser Blowjob. Ich habe mich so sehr auf ihren Mund gefreut, und dann so ein Scheiß! Sie verhaspelt sich, trifft nicht die richtigen Stellen, macht erst zu wenig und dann wieder zu viel Druck. Ab und an schaben ihre Zähne über meine Eichel – und das ist echt kein Vergnügen. Einmal tut es so weh, dass ich richtig zusammenzucke. Das bemerkt dann auch Alice. Sie taucht zwischen meinen Beinen auf und schaut mich beschämt und zutiefst unglücklich an. Schon sammeln sich frische Tränen in ihren Augen.
„Hey, hey, hey“, sage ich schnell, bevor die Heulerei richtig losgeht, und ziehe sie zu mir, nehme sie in den Arm. „Du hast nicht so viel Erfahrung damit, oder?“
„Nein“, sagt sie gequält, als müsse sie etwas Schreckliches gestehen.
Ich streichle ihr schönes Haar. „Soll ich dir zeigen, wie ich es mag?“, frage ich vorsichtig und nach einem Moment nickt sie.
Also zeige ich es ihr. Sie versucht es, ich erkläre die Feinheiten, sie übt. Talent hat sie, ist nur ein bisschen zu unsicher und vorsichtig. Aber in puncto Lernwille und Leidenschaft bekommt sie eine Eins mit Sternchen.
„Deine erste Unterrichtseinheit in Oxford: Einzelsupervision zum Thema Blowjobs. Hättest du letzte Woche so auch nicht gedacht, oder?“
Sie lacht. „Nein, wirklich nicht.“ Es tut so gut sie lachen zu hören.
Dann steckt sie sich meinen Schwanz wieder in den Mund, so tief sie kann. Mit ihren Lippen schiebt sie meine Vorhaut druckvoll über die Eichel und wieder zurück. Dann reibt sie mit den Händen ein paarmal über meine von ihrem Speichel gut geschmierte Eichel. Der Kontrast zu ihrer warmen, weichen Mundhöhle ist ziemlich geil. Sie leckt über mein Vorhautbändchen, lutscht ein bisschen an der Eichel und versenkt mein Ding dann wieder tief in ihrem Mund. Jetzt bläst sie rhythmisch, ziemlich kräftig und mit mehr Temperament. Sie hat ziemlich schnell kapiert, was mich anmacht. Respekt, kleines Rehkitz.
„Willst du eine Vorwarnung?“, frage ich, als ich merke, das ich mich dem Finale nähere.
„Ja“, nuschelt sie ohne meinen Schwanz aus dem Mund zu nehmen.
Und dann ist es auch schon so weit. Sehr schön ist das, intensiv und lang. Ich stöhne laut, passiert auch nicht immer. Als ich meinen ersten Strahl in ihren Mund spritze, habe ich für einen Augenblick Angst, dass sie aufhören könnte. Aber sie nimmt es hin und bläst mehr oder weniger ungerührt weiter, während ich ihren kleinen Mund mit meinem Sperma überschwemme.
„Jetzt langsamer, nicht mehr so fest“, dirigiere ich sie, als mein Höhepunkt langsam ausklingt. Ein paar Augenblicke genieße ich ihre Zärtlichkeiten. Irgendwann schiebt sie sich vom Bett und geht nackt bis auf das kleine Höschen zum Waschbecken, um mein Sperma hineinzuspucken und sich den Mund auszuwaschen.
Dann klettert sie wieder neben mich und fragt, nicht ohne Stolz: „Soll ich noch ein bisschen weitermachen?“
Ich schüttele den Kopf. „Das war wunderbar“, sage ich und ziehe sie zu mir. Später will ich sie noch ficken, aber jetzt verspüre ich das Bedürfnis ihr eine ebenso schöne Behandlung zurückzugeben. Ich fahre mit der Hand hinten in ihren Slip und knete ihren schönen Arsch. Dann gleite ich durch die Poritze vor zu ihrer kleinen Muschi und fahre langsam mit einem Finger durch die nasse Spalte.
„Und was möchtest du?“, flüstere ich Alice ins Ohr. Ganz ehrlich? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ein Mädchen beim Sex zuletzt gefragt habe, worauf sie Lust hat. Aber ich freue mich über meine eigene Frage, und gleichzeitig beunruhigt sie mich. Was ist das denn jetzt hier eigentlich?
Alice hat die Augen geschlossen und schmiegt sich an mich. Ihr leicht geöffneter Mund und die sachte Körperspannung verraten, wie sehr sie meinen Finger an ihrem Kitzler genießt. Aber dann sagt sie irgendwann: „Nur einfach hier mit dir liegen. Ist das ok?“
Wie jetzt? Das war's schon? Nicht ficken?
Enttäuschung.
„Na klar“, sage ich mit so viel Selbstverständlichkeit wie möglich. Dann ziehe ich meine Hand aus ihrem Slip und beginne ihren Rücken sanft zu streicheln. Zu meiner Überraschung merke ich, als ich in mich hineinhöre, dass es tatsächlich irgendwie ok ist. Ich entdecke lauter neue Seiten an mir heute Abend.
Irgendwann machen wir das Licht aus und liegen nebeneinander in der Dunkelheit. Sie schläft schon, glaube ich, aber ich bin noch zu aufgewühlt. Das ist kein One-Night-Stand, keine bedeutungslose Sache. Aber was es ist, weiß ich auch nicht. In meinem Kopf rattern die Gedanken.
Irgendwann verändert sich ihr Atem. Irgendwie komisch klingt das. Dann kapiere ich es plötzlich: Alice weint, beinahe lautlos und ganz heimlich, zur Wand gedreht. Ich überlege, ob ich versuchen soll sie zu trösten. Aber will ich das überhaupt? Nachher heult sie mir noch zwei Stunden lang die Ohren voll. Und selbst wenn ich wollte, könnte ich sie überhaupt trösten? Sie weint doch wegen mir, oder nicht? Ich werde nicht schlau aus diesem Mädchen. Was passiert da nur in ihrem schönen kleinen Kopf?
Am Ende entscheide ich mich dafür gar nichts zu machen. Irgendwann hat sie sich dann in den Schlaf geweint und atmet still und friedlich vor sich hin. Ich kann immer noch nicht schlafen, aber es ist mir völlig egal. Alles riecht nach Alice, nach ihrem Parfüm, nach ihrem Körper. Und dieser Duft macht mich glücklich. Flieder, Honig und Geborgenheit.
Freitag
Ich wache auf und bin alleine. Es ist noch fast Nacht, die Dämmerung eine ferne Zukunft. Sie muss sich rausgeschlichen haben. Irgendwie bin ich erleichtert darüber, weil es mir eine potenziell ziemlich schräge Konversation erspart. Ob Sie deshalb einfach so gegangen ist?, fragt mein Kopf. Weil sie sich das auch ersparen wollte? Schon die Möglichkeit, dass es so gewesen sein könnte, kränkt mich.
Ich mache Licht und finde auf dem Nachttisch neben meinem Handy ein kleines liniertes Karteikärtchen. Darauf, in Alices Schrift: „Heute Abend in der Bar? Alice“
Darunter eine Handynummer. Und darunter: ein Herzchen.
Ich muss lachen, dann liege ich grinsend einfach nur so da und schaue eine Weile auf ihre kleine Botschaft. Irgendwann nehme ich mein Handy und speichere ihre Nummer. Dann schreibe ich ihr eine Nachricht: „Sieben Uhr. Versprochen!“
Aufstehen, Sportklamotten an, ausnahmsweise mit Mütze und Handschuhen. Dann gehe ich eine lange Runde laufen, über die Magdalen Bridge und anschließend immer entlang am Fluss durch den frischen Schnee. Die Dämmerung hat kaum begonnen und die Straßen sind noch leer. Es ist verdammt kalt, aber die Bewegung tut richtig gut.
* * *
Nach einem Frühstück in der College-Bar starte ich mit den besten Vorsätzen für einen produktiven Tag meinen Laptop. In meiner Inbox finde ich vier neue Nachrichten.
James aus dem Ruderteam lädt mich zu einer neuen Facebook-Gruppe ein, die sich Victoria's Body Appreciation Society nennt – Fanclub für Victorias Körper. Ich kann es kaum glauben, aber die Gruppe hat tatsächlich mehr als einhundertzwanzig Mitglieder. Es wird rege kommentiert, geliked und geteilt. Kopfschüttelnd klicke ich die E-Mail weg. Was für eine Zeitverschwendung!
Die drei anderen Nachrichten sind von verschiedenen Absendern, haben aber alle mehr oder weniger denselben Inhalt: einen Link zur Webseite eines großen und bekannten englischen Schmierblattes. Ich klicke und Sekunden später leuchtet mir in großen roten Buchstaben eine Headline entgegen: „Sexskandal an prestigeträchtigem Oxford-College. Gestohlene Sexfotos von schöner Studienanfängerin veröffentlicht. College dementiert Verantwortung. Exklusiv: alle Details, alle Stimmen, alle Bilder.“
Mein erster Gedanke: Das kann nicht gut sein. Ich beginne zu lesen und mit jeder Zeile kann ich ein klein bisschen weniger glauben, was da steht. Ich muss sofort mit Richard sprechen.
* * *
Ich muss eine ganze Weile und ziemlich energisch an Richards Tür hämmern, bevor sie aufgeht. Dann steht da allerdings nicht Richard, sondern eine große, ungeschminkte Rothaarige mit schmalem Gesicht und intensiven grünen Augen. Sie sieht ziemlich fertig aus mit ihrer Vogelscheuchenfrisur und den Überresten ihres Make-ups von letzter Nacht. Wortlos drückt sie sich an mir vorbei, Mantel und Tasche in der Hand, und verschwindet.
Etwas irritiert trete ich ein und laufe gegen eine Wand aus Dunkelheit und muffiger, süßlich-verbrauchter Luft. Es riecht nach Alkohol, Körpern und Sex. Irgendwo in der Dunkelheit regt sich Richard in seinem großen Doppelbett, ich höre die Bewegung der Laken. Mit zwei Schritten bin ich am Fenster. Vorhang zurück, Fenster auf. Grelles Morgenlicht, kalter Wind und ein paar Schneeflocken stürzen sich ins Zimmer.
Ich drehe mich um und will Richard zurufen, er soll seinen Arsch aus dem Bett bewegen, aber der Arsch, den ich auf dem Bett sehe, gehört nicht Richard, sondern einem zweiten Mädchen, das nackt daliegt und gerade langsam und träge erwacht. Sie hat kakaobraune Haut, einen großartigen Hintern, schöne Titten und wilde schwarze Locken. Als sie mich bemerkt, zieht sie sich schnell die Decke über den Körper. „Verdammt nochmal, wer bist du denn?“, flucht sie.
„Ein Freund von mir“, höre ich Richards Stimme. „Ich habe ihm erzählt, wie schön du bist, da wollte er unbedingt gleich vorbeikommen.“ Er steht in der Tür zum Badezimmer, nackt und nass bis auf ein großes Badetuch um seine Hüften. Er grinst.
„Fick dich, Richard“, sagt das Mädchen und angelt nach ihren Kleidern, die auf dem Boden vor dem Bett verstreut liegen. Dann versucht sie sich anzuziehen ohne mir die interessanteren Stellen ihres Körpers zu zeigen, wobei sie erfreulicherweise nur mäßig erfolgreich ist. Als sie fertig ist, küsst sie Richard kurz, aber heftig und rauscht dann zu Tür. „Ruf mich an, ja?“, ruft sie noch, dann ist sie weg.
Während Richard sich anzieht, betrachte ich etwas ungläubig die Spuren der vergangenen Nacht. Auf dem Tisch Koksreste, etwas Gras, drei leere Weinflaschen, auf dem Boden am Bett verschiedene aufgerissene Kondompackungen, eine Rolle Klopapier umgeben von zahlreichen benutzten Papierknäueln, ein verwegen schmaler roter Tanga. Auf dem Nachttisch steht eine Tube Gleitgel. Ich schaue mit gehobenen Augenbrauen fragend rüber zu Richard, aber der lächelt mich nur unschuldig an.
„Und ich dachte, ich hätte eine gute Nacht gehabt“, sage ich kopfschüttelnd.
Eine Viertelstunde später sitzen wir nebeneinander auf seinem Sofa.
„… Fotos der attraktiven College-Schönheit wurden ohne ihre Erlaubnis verbreitet. Victoria Bell, 19, aus Canterbury hatte erst wenige Tage zuvor ihr Studium der englischen Literatur am renommierten St. Paul's College in Oxford auf ...“
„Victoria Bell?“, unterbricht mich Richard erstaunt. „Die haben ihren vollen Namen abgedruckt? Wie rücksichtsvoll.“
„Nicht nur das“, sage ich und scrolle auf Richards iPad durch den Artikel, bis ich finde, wonach ich suche. Die Redaktion hat es sich nicht nehmen lassen, der interessierten Öffentlichkeit auch zwei von Victorias Fotos zu präsentieren. Victoria mit nackten Titten auf dem Bett und Victoria mit nacktem Arsch beim Ausziehen ihres Slips, wobei der heiße Schlitz zwischen ihren Schenkeln eher symbolisch verpixelt ist. Man sieht trotzdem alles.
Richard starrt schweigend auf die Bilder und kratzt sich am Kopf. Nach einer Pause sagt er: „Sie hat anscheinend keine Erinnerung daran, wie die Bilder entstanden sind.“
„Wer?“, frage ich verwirrt. „Victoria?“
„Ja“, bestätigt er und fährt dann fort: „Die vom College haben sie gleich am Mittwoch früh ins Krankenhaus gebracht und untersuchen lassen. Irgendwer vom Personal hat sie völlig unterkühlt und verwirrt am Eingang zur Hall entdeckt. In ihrem Blut haben sie dann jede Menge Alkohol und Koks gefunden, und außerdem eine größere Menge Gamma-Hydroxybuttersäure.“
„Gamma-Hydro...was?“
„Liquid Ecstasy.“ Und als ich immer noch fragend schaue: „KO-Tropfen.“
„Was? Was?“ Ich bin total schockiert. „Jemand hat ihr das untergejubelt?“ Dann verstehe ich, was das bedeuten könnte. „Hat jemand sie….? Wurde sie….?“ Ziemlich hilflos wedele ich mit den Armen.
„Nein“, sagt Richard knapp. „Zum Glück nicht. Aber sie vermuten, dass Victoria auf dem Zeug war, als die Fotos entstanden sind.“
„Wow!“, mache ich. Das muss ich erst mal sacken lassen. „Heftig. Würde immerhin erklären, warum sie auf den Bildern so high aussieht.“
„Sie ist ganz schön fertig mit der Welt. Hat sich seit Mittwoch in ihrem Zimmer eingeschlossen und will mit niemandem sprechen. Sie stellen ihr Essen vor die Tür.“
„Was? Sie ist hier?“ Unglaublich, denke ich. Warum tut sie sich das an?
Richard nickt schweigend.
„Richard, woher zum Teufel weißt du das alles?“
„Von Henry.“
Pause.
„Und woher weiß Henry das alles?“
Das bringt ihn zum Lachen. „Du verstehst immer noch nicht so richtig, um wen es hier geht, oder? Der Clarendon Club ist das beste, exklusivste, einflussreichste Old-Boys-Netzwerk auf dieser Insel. Der Premierminister, der Außenminister, der Schatzkanzler, ein halbes Dutzend Abgeordnete in Westminster und nochmal so viele Lords, der Bürgermeister von London und der Direktor der BBC waren als Studenten alle im Clarendon Club. Und das sind nur die, von denen man es sicher weiß. Diese Leute kennen sich alle. Verstehst du? Henry kann sein Telefon rausholen und den verdammten Premierminister anrufen, wenn er will. Du kannst deinen deutschen Arsch darauf verwetten, dass er absolut alles über diese Sache weiß.“
Pause.
„Oh“, ist alles, was mir dazu einfällt.
„Und direkt hier am College gibt es den ein oder anderen Professor, der früher im Clarendon Club war und der Henry mit Vergnügen alles erzählt, was hier intern passiert.“
„Wer zum Beispiel?“, frage ich neugierig.
„Der Senior Tutor zum Beispiel: Forsythe“, sagt Richard.
Das erinnert mich wieder an den Artikel. „Clarendon kommt auch im Text vor. Deshalb wollte ich ihn dir eigentlich zeigen“, sage ich und suche. Dann lese ich vor: „Die Ereignisse am St. Paul's College stehen mutmaßlich in Verbindung mit einer Veranstaltung des berüchtigten Clarendon Clubs, eines exklusiven, nur von männlichen Studenten besuchten Dinner Clubs, der seit dem achtzehnten Jahrhundert in Oxford besteht. Der Redaktion liegt eine interne E-Mail aus der Clubführung vor, die den Schluss nahelegt, dass Drogenkonsum und Sex mit weiblichen Gästen von den Veranstaltern von vorneherein geplant waren. So wurde der Abend von den Organisatoren intern als 'Free Pussy Party' beworben, Gäste wurden ermuntert ihren weiblichen Begleitungen 'eine Substanz eurer Wahl' in die Getränke zu mischen.“
Ich stoppe und suche in Richards Gesicht nach einer Reaktion. Es kommt keine. Er schaut ruhig und gelassen zurück. So habe ich mir das nicht vorgestellt, und deshalb muss ich einfach fragen: „Kannst du dir vorstellen, dass es eine solche E-Mail gibt?“
Richard reibt sich nachdenklich das Kinn. Dann sagt er: „Ich weiß sogar mit Sicherheit, dass es sie gibt.“
Ich kann es nicht fassen. „Das sagst du mir einfach so? Glaubst du, ich wäre auf diese scheiß Party gegangen, wenn ich das gewusst hätte?“ Ich bin ziemlich aufgebracht.
Er zuckt mit den Schultern. „Rufus hat die Mail an ein paar Leute im Umfeld des Clubs geschickt. Da stand noch viel mehr so dummes Zeug drin. Das hat doch keiner ernst genommen! Im Nachhinein vielleicht ein Fehler, zugegeben. Aber was ich persönlich wissen will, ist: Wer hat die Mail an die Zeitung weitergeleitet?“
„Na, dann hör mal, wie es weiter geht“, sage ich und lese wieder vor: „Nach Angaben von Dr. Julie Browne, Professorin am St. Paul's College und Gleichstellungsbeauftragte der Universität Oxford, wird jede dritte Studentin in Oxford während ihrer Studienzeit Opfer frauenfeindlichen Verhaltens, sexueller Übergriffe oder sogar Gewalt. 'Oxford ist immer noch eine von Sexismus und Frauenfeindlichkeit dominierte Welt, in der die Körper junger Mädchen regelmäßig zum bloßen Objekt männlicher Allmachtsfantasien degradiert werden. Jetzt ist wieder das Leben einer unschuldigen Frau zerstört worden', erklärte Dr. Browne im Gespräch mit unseren Reportern.“
„Ach ja...“, seufzt Richard schwer. „Warum nur bin ich nicht überrascht?“
„Warte, es kommt noch härter“, sage ich und lese weiter: „Dr. Browne wies der Führung des St. Paul's College eine schwere Mitschuld an den Ereignissen zu. 'Ich habe die College-Führung mehrfach vor den Veranstaltungen des Clarendon Clubs gewarnt. Es ist und war allseits bekannt, dass sich dort immer wieder unter dem Deckmantel der vornehmen Gesellschaft Übergriffe der übelsten Sorte ereignen. Aber mir wurde gesagt, dass das College stolz ist Veranstaltungen des Clarendon Clubs auszurichten', so Dr. Browne. 'Meiner Meinung nach ist ein Verbot des Clubs unausweichlich. Er steht exemplarisch für die systematische Erniedrigung von jungen Frauen und eine Kultur sexueller Ausbeutung in unserer Gesellschaft und gehört endlich auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt.'“
Zum ersten Mal zeigt Richard eine echte emotionale Reaktion. „Wow!“, sagt er ungläubig.
„Was denkst du?“, will ich wissen, neugierig.
Er grübelt kurz, die Stirn tief in Falten gelegt. Dann nimmt er mir das iPad aus der Hand, greift meine Arme und schaut mir tief in die Augen: „Hör jetzt gut zu, das ist wichtig! Bisher hat das College alles getan, um die Sache unter dem Deckel zu halten und intern zu klären, aber das kannst du jetzt vergessen. Browne hat dem College und dem Clarendon Club den Krieg erklärt. Jetzt kommen überall die Messer aus den Taschen. Ich werde ab sofort einen ganz, ganz großen Bogen um alles machen, was mit dieser Sache zu tun hat. Und du solltest dasselbe tun.“
„Ich?“, frage ich verblüfft. „Was habe ich damit zu tun?“
„Du wärst überrascht, wie viele Leute glauben, dass du im Clarendon Club bist“, erklärt Richard und lächelt schon wieder.
„Wie bitte? Warum denn das?“
„Weil ich mit dem Club in Verbindung gebracht werde und wir befreundet sind. Weil du in letzter Zeit viel mit Tom, Henry und Rufus zu tun hattest. Weil jeder weiß, dass du auf der Party warst. Und weil du diese Sachen zu Alice gesagt hast. Arschloch genug für Clarendon, so oder so ähnlich dürfte da die Logik lauten.“ Er zögert, grinst dann. „Wo wir gerade darüber sprechen. Ich habe mehrere sehr schillernde Versionen davon gehört, was du gestern Abend beim Welcome Dinner zu Alice gesagt hast, bevor ihr so öffentlichkeitswirksam aus dem Saal gestürmt seid. Ich bin neugierig: Hast du wirklich gesagt, dass sie sich mit zwölf einen Besenstiel in die Fotze gesteckt hat?“
Ich lache. „Bürstenstil, nicht Besenstiel. Ich bin doch nicht vulgär!“
Richard gluckst vor Vergnügen. „Ich hoffe, dir ist klar, dass die Leute diese Geschichte noch in zehn Jahren bei jedem Dinner in der Hall erzählen werden.“
„Ich kann's nicht ändern“, sage ich achselzuckend. Das stimmt zwar, aber ein bisschen ärgere ich mich auch darüber.
„Und was ist passiert, nachdem ihr rausgerannt seid?“, forscht Richard neugierig nach.
„Mal sehen...“, sage ich zögerlich, als müsse ich in meiner Erinnerung kramen. Dann, grinsend: „Erst hat sie mich geschlagen, dann hat sie mich geküsst und dann hat sie mir einen geblasen.“
„Hah!“, ruft Richard und lacht. „Ich wusste, du magst sie.“
* * *
Und Richard hat noch in einem weiteren Punkt recht: Die Messer kommen wirklich aus den Taschen. Keine zwei Stunden, nachdem ich Richards Zimmer verlassen habe, schickt Dr. Kendal eine E-Mail an alle College-Mitglieder, in der er ein Ultimatum von vierundzwanzig Stunden setzt. Nur in diesem Zeitraum werden, sagt er jedenfalls, Informationen über die Ereignisse und Hintergründe vom Dienstagabend strafmildernd berücksichtigt. Danach, droht er, gebe es kein Pardon mehr. Er schließt mit dem vielsagenden Satz: „St. Paul's ist eine ehrenwerte Institution, die seit mehr als siebenhundert Jahren nach den höchsten intellektuellen und moralischen Standards strebt. Die College-Führung um Master Stuart wird alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um den guten Ruf des Colleges sowie die Gesundheit und Würde seiner Studenten zu schützen.“
* * *
Um kurz vor sieben Uhr abends bin ich auf dem Weg von der Bod zum College, als mich eine Nachricht von Frida erreicht. Seitdem wir uns am Montagabend auf der Freshers' Party im Balliol College heftig angeflirtet haben, reizt und neckt sie mich ständig mit kleinen Schweinereien. Sie hält mir die süßen Früchte vor die Nase, aber kosten lässt sie mich nicht. Wie ein Profi.
Aber diese Nachricht ist anders: „Hey Süßer, warum kommst du nicht rüber nach Balliol heute Abend? Wir zwei könnten doch ein bisschen feiern...“
Oha! Das klingt dann doch ziemlich vielversprechend und sehr, sehr verlockend. Es gibt da nur ein kleines Problem, das vermutlich schon in der St. Paul's College-Bar sitzt und auf mich wartet: Alice.
Ist das jetzt ein Date mit ihr heute Abend? Oder eine Aussprache? Ein ernstes Mann-Frau-Gespräch? Ganz ehrlich, ich habe absolut keine Ahnung. Ich habe keine Ahnung, wo ich mit ihr stehe, und ich habe keine Ahnung, wo ich eigentlich mit ihr hin will. Sie macht mich wahnsinnig und sie macht mich glücklich.
Seufzend schreibe ich Frida zurück: „Klingt verlockend! Lass mich kurz was klären, dann melde ich mich nochmal.“ Ich schiebe das Telefon in die Tasche und gehe die Treppe zur Bar hinunter.
Alice ist schon da. Sie steht auf, als ich an den kleinen Zweiertisch in der Ecke trete, den sie ausgesucht hat. Alles an diesen ersten Momenten ist seltsam und irgendwie unnatürlich. Soll ich sie küssen? Und wenn ja, auf den Mund? Oder freundschaftlich links, rechts auf die Wange? Alice steht genauso tollpatschig und verlegen da wie ich. Schließlich setzen wir uns wortlos und ohne irgendwelche Berührungen. Oh Mann, ich habe absolut keine Ahnung, wie das geht, diese ganze Beziehungsscheiße. Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie Richard sich verzweifelt die Hand vor die Stirn schlägt.
Es ist voll in der Bar. Die Leute sind zum Vortrinken gekommen, bevor es später in einen nahegelegenen Nachtclub geht. Noch so eine große Freshers' Week-Party. Normalerweise würdest du da auch hingehen, beschwert sich mein Kopf. Mache ich vielleicht ja auch noch, behaupte ich trotzig. Mit Frida feiern, mit Frida ficken. Mal sehen.
Die Leute werfen seltsame Blicke zu uns herüber und ich sehe sie tuscheln. Gestern noch Drama beim Welcome Dinner, jetzt sitze ich hier friedlich, wenn auch ein wenig steif mit Alice. Die Leute sind verwirrt. Das kann ich ihnen kaum vorwerfen, ich bin schließlich auch verwirrt.
Jules kommt hinter seiner Bar hervor und bringt uns ungefragt zwei Gin & Tonic. Seine Nase ist rot und geschwollen und er hat einen heftigen Bluterguss unter dem Auge, wo Rufus' Fäuste ihn getroffen haben. Aber er sieht ganz zufrieden aus, wie er mich so anlächelt. Die Gin & Tonic gehen ausnahmsweise aufs Haus.
Langsam kommt so etwas wie eine Konversation zwischen Alice und mir in Gang. Um alles, was mit Sex, Gefühlen und Beziehungen zu tun hat, machen wir aber erst mal einen weiten Bogen. Sogar die Sache mit Victoria ist da im Vergleich noch sicherer Gesprächsboden. Auch Alice hat den Artikel natürlich gelesen.
„Ich verstehe nicht, warum sie Victorias vollen Namen abgedruckt haben“, rätsele ich. „Das ist so sinnlos und grausam. Außerdem dachte ich, das dürfen die gar nicht.“
„Dürfen sie auch nicht“, antwortet Alice in einem sachlichen, kompetent klingenden Ton, den ich nicht von ihr kenne. „Nur wenn es um eine Person von öffentlichem Interesse geht oder wenn der Name des Opfers der Öffentlichkeit ohnehin bekannt ist.“
„Aber das trifft ja hier beides nicht zu.“
„Doch, leider. Victorias voller Name steht in einer Pressemitteilung von PAGE von gestern Abend. Presserechtlich zählt der Name damit schon als veröffentlicht.“
„PAGE?“, frage ich erstaunt. Die St. Paul's Association for Gender Equality, Jezzy und ihre Hardcore-Feministen. „Die haben ihren vollen Namen veröffentlicht?“ Das klingt absurd.
„Ja. Vorname und Nachname. Ein schrecklicher Fehler.“ Sie sieht ein bisschen betreten aus dabei.
Ich muss sie dann wohl seltsam angeschaut haben, denn plötzlich muss sie lachen. Sie hat meine Gedanken erraten und sagt: „Ich bin Juristin, schon vergessen?“
„Du meinst: Du fängst übermorgen dein Jura-Studium an...“
Sie zuckt mit den Schultern und grinst. „Um das Auswahlgespräch in St. Paul's zu schaffen, muss man quasi schon studiert haben.“
Ich bin ernsthaft beeindruckt von diesem zierlichen Mädchen. Außerdem sieht sie schon wieder verdammt gut aus heute Abend. Ich glaube, sie hat sich extra für mich besonders schick gemacht. Ob sie wohl einen Plan hat, wo das alles hinführen soll?
„Hast du gesehen?“, frage ich. „Sie haben sogar die Bilder von Victoria abgedruckt.“
„Ja, unfassbar. Zum Glück nur die ersten beiden.“
„Oh, in den Kommentaren unter dem Artikel gibt es ungefähr zwanzig Links, unter denen man auch die übrigen Bilder findet.“
Alice wirkt schockiert. „Was für eine schreckliche Welt.“
Nach und nach leert sich die Bar, die Leute ziehen in den Nachtclub weiter. Unter normalen Umständen würde ich jetzt auch aufbrechen. Aber was ist schon normal in dieser Woche? Trotzdem: Ich muss Frida noch irgendwas sagen.
„Willst du in den Club gehen?“, fragt Alice, die meinen Blicken gefolgt ist. Es klingt ein bisschen enttäuscht.
„Keine Ahnung“, sage ich, weil ich tatsächlich keine Ahnung habe. „Was möchtest du machen?“
Daraufhin beugt sie sich vor und sagt leise in mein Ohr: „Ich würde dich gerne mit auf mein Zimmer nehmen und mit dir schlafen.“
* * *
Alice hat ein freundliches Zimmer im ersten Stock der neuen Studentenunterkunft am westlichen Ende des Vicar's Garden. Während sie auf der Toilette ist, schreibe ich schnell an Frida: „Sorry, kann heute leider nicht. Das dauert hier noch länger.“
Dann stehe ich etwas verloren in dem fremden Zimmer und schaue dem Schneegestöber vor dem Fenster zu. Schließlich lasse ich meinen Blick über ihre Sachen schweifen, immer auf der Suche nach irgendetwas, das dieses undurchschaubare Mädchen für mich enträtseln könnte. Es ist aufgeräumt hier drin, ein bisschen nüchtern für meinen Geschmack, aber doch irgendwie stilvoll. Auf ihrem kleinen Schreibtisch steht ein sündhaft teuer Laptop, daneben liegen Jura-Lehrbücher mit unzähligen kleinen gelben Klebestreifenmarkierungen, handschriftliche Notizen in ihrer präzisen, engen Handschrift. Ein Foto, vermutlich von ihren Eltern, ein weiteres von ihr selbst in jungen Jahren mit einer Katze auf dem Arm. An der Wand hängt ein großes Poster von Tom Waits. Alice kommt zurück ins Zimmer, als ich gerade davorstehe.
„Du magst Tom Waits?“, frage ich.
„Ja“, lächelt sie. „Wusstest du, dass er ein Lied über mich geschrieben hat?“
Ich schaue sie fragend an.
„Warte“, sagt sie und klickt auf dem Laptop herum, bis Musik erklingt. Jazzig, etwas disharmonisch, dazu die raue, brüchige Stimme von Tom Waits. Sie singt mit, in ihrer schönen Singstimme: „Your hair is like meadow grass on the tide, and the raindrops on my window, and the ice in my drink. Baby, all I can think of is Alice.“
Dann lacht sie vergnügt und schlingt ihre Arme um mich. Küsst mich.
Ich mag den Song nicht besonders. Aber ich mag, wie sehr sie ihn mag. Und ich mag sie. Und ihre Küsse mag ich auch.

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RESPEKT UND ANERKENNUNG.«
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Wirklich wirklich außergewöhnlich gut geschrieben.«
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warte neugierig auf Teil 3«
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Er tut mir echt Leid das er die letzten schrecklichen Momente von Victoria nicht verhindern könnte.
Super gut geschrieben und Hut ab«
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Und bitte noch viel mehr solche Geschichten mit Rahmenhandlung und nicht ausschliesslich um DAS EINE handelnd«
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