Wetterleuchten im Abendlicht
von Hassels
Innerhalb weniger Augenblicke, wie aus dem Nichts, hatte sich der Abendhimmel zugezogen. Herrschte eben noch strahlender Sonnenschein, war es jetzt schwarz wie die Nacht. In der Ferne agierte schon der himmlische Fotoapparat, zuckten die ersten Blitze des herannahenden Gewitters. Die langgezogene Chaussee, sonst weit überblickbar, wurde immer kürzer in meiner Wahrnehmung. Regentropfen benetzten die Frontscheibe und die Zeitabstände den Scheibenwischer kontinuierlich höher zu drehen, waren minimal.
Ich war gezwungen die Fahrtgeschwindigkeit zu drosseln, der Niederschlag hatte sich so verdichtet, man sah nicht mal mehr von Leitpfosten zu Leitpfosten. Die Beleuchtung des gelegentlichen Gegenverkehrs, die Lichtbrechung durch den Regen machte es nahezu unmöglich noch etwas zu erkennen, erhöhte mein Unwohlsein. Die Kreuzung, ein allgemein bekannter Unfallschwerpunkt, hatte ich erreicht, nun musste ich auf die einer Allee ähnlichen Landstraße abbiegen.
Die Böen des Seitenwindes erforderten ein Gegenlenken, brachten meine Konzentration an die Spannungsgrenze. Unmittelbar vor der Ausbuchtung für die Haltestelle des Überlandbusses schlug der Blitz mit ohrenbetäubendem Lärm ein. Mein persönlicher Bogen der Anspannung war überreizt, ich fuhr vollkommen erschöpft in diese Haltestellennische. Selbst das Wissen um den Faraday-Käfig in dem ich saß, konnte mich angesichts der Blitzeinschläge im näheren Bereich nicht beruhigen. Die sich biegenden Bäume versetzten mir weitere, negative, Adrenalinschübe. Plastisch hatte ich schon den mich in meinem Auto erschlagenden Baum vor Augen.
Wie von einer höheren Macht gesteuert, der Beelzebub kann nicht erbarmungsloser sein, lieferte der lokale Radiosender die mich mit Wehmut erfüllende Musik. 'Broken Strings' von James Morrision wühlten meine in Wallung geratenen Gefühle noch weiter auf. Im Kofferraum hatte ich Annabells Klamotten, in drei große Umzugskartons verpackt, für das Ende eines Traums. Auf Facebook hatte mein bis dato bester Freund, Bilder von sich und Annabell gepostet. Außerdem hatte er seinen Beziehungsstatus auf 'in einer Beziehung' geändert. Annabell und Kai, mir kamen wieder die Tränen.
Gedankenverloren, die waidwunde Seele ließ Mordgedanken in mir aufkommen, wurde ich unsanft durch ein lautes Hupen aufgeschreckt. Der Überlandbus forderte sein Recht ein, auch bei diesem Wetter. Außenspiegel, Blinker setzen, rein mechanisch führte ich, - die fast leblose Hülle meines Körpers, mein Auto auf die Straße zurück. Den nächsten befestigten Feldweg bog ich ab, immer noch am Siedepunkt der geistigen Leere.
Das Bilderbuch des Hirns aufgeklappt, zogen die Momentaufnahmen einer schier grenzenlosen Liebe an mir vorbei. Vor drei Jahren waren wir uns durch einen Zufall, ich hatte Kai zu einer Party gefahren und war nur kurz mit hineingegangen, kennengelernt. Es war die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Trotzdem hatten wir es langsam angehen lassen, bei vielen intensiven Gesprächen unsere geistige Konvergenz festgestellt. Zarten Berührungen, sanftem Streicheln, folgten, auf der Klaviatur der Liebesspirale, erste schüchterne Küsschen.
Wir ließen uns Zeit, viel Zeit, bis wir erstmals den Liebesakt vollzogen hatten. Mehr als ein halbes Jahr seit unserem Kennenlernen war da vergangen. Umso intensiver, nachhaltiger, wie es mir bisher erschien, hatten wir uns gegenseitig verwurzelt. - Bis heute Mittag! Den Post der Bilder konnte ich immer noch nicht fassen, mein Herz war wie gelähmt.
Der Himmel wurde wieder heller, das Gewitter samt Regen hatte sich verzogen und am Horizont tauchte die Sonne langsam in den Wipfeln der Baumkronen ab. Ich machte mich auf, es war ja nicht mehr weit, den unwiderruflichen Weg. Fünf Minuten später stand ich vor der überdachten Garageneinfahrt von Annabells Elternhaus.
Die Kartons hatte ich schnell ausgeladen, die Kofferraumklappe wieder geschlossen. Kurzzeitig hatte ich überlegt ihr eine SMS zu schicken, nachdem ich losgefahren wäre. Wirklich nur ganz kurz, dann klingelte ich doch. Wenn schon diese Schmach sein musste, dann bitte kompakt.
„Du bist ja schneller als ich erwartet hatte!“, begrüßte mich Kai in der Haustür. „Und bevor Du gleich explodierst, es war nur um Dich aus der Reserve zu locken. Annabell war sich Deiner Liebe nicht mehr sicher, hatte mir heute Morgen am Telefon die Ohren voll geheult. Ich hatte ihr zwar erklärt dass Du wegen Deiner Diplomarbeit im Stress wärst, links und rechts mit Scheuklappen, aber sie zweifelte.“ Mit offenem Mund hatte ich Kai zugehört, mich Gott sei Dank beherrscht. Viel hatte nicht gefehlt, ich hätte ihm wortlos einen Dänemann verpasst. Sein Nasenbruch wäre bei meiner harten Stirn wohl vorprogrammiert gewesen.
Annabell strahlte als sie sich jetzt neben Kai gesellte, aber schlagartig verfinsterte sich ihr Gesicht als sie mich ansah. „Entschuldige Torben! Wenn ich geahnt hätte wie extrem es Dich mitnimmt, ich hatte eigentlich nur gehofft Du würdest Dich mal melden, wäre ich nicht auf Kais Vorschlag eingegangen.“ Mein Gesicht, wahrscheinlich ein Abbild meines Seelenzustands, ließ beide erschrecken. Sie wollte gerade auf mich zukommen, da fiel ihr Blick auf die Umzugskartons vor der Garage. Ein Zittern überfiel sie, die Tränen schossen auf ihre Wangen.
„Gib mir den Wagenschlüssel, ich räume die Kartons wieder bei Dir ein!“, sprach Kai mit der von ihm gewohnten Empathie und schob Annabell und mich zusammen. Sturzbäche von Tränen begleiteten unsere Küsse, das Salz der Umstände war zu schmecken. „Hob, rein mit euch. Ich lösche nur schnell den Post und dann verschwinde ich!“ Kais Anweisungen waren uns Befehl, aber für die Nummer würde ich ihm noch eine Retoure verpassen.
Drei Minuten später hatte ich den Autoschlüssel zurück, Kai seinen Laptop unter dem Arm und kurz darauf vernahmen wir das Zuziehen der Haustür. Annabell erdrückte mich fast, wie ein Klammeraffe schmiegte sie sich an mich an. Aus meiner linken Hosentasche nestelte ich eine kleine Schachtel und hielt sie ihr vors Gesicht. Auf einem kleinen aufgeklebten Zettel stand 'Schade' darauf. Sie löste die Umklammerung, machte die Minibox auf.

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