Yves Wünsche
von Doris Anbetracht
Der schmachtende Blick aus ihren Augen zu dem Typ auf der anderen Seite des Tresens entfachte einen Stich in seiner Brust. Was fanden die Frauen nur alle an diesem Kerl? Sein Aussehen war eher gewöhnlich, zwar perfekt gestylt, aber nichtssagend. Sein Lächeln gekünstelt, die Klamotten ein bisschen zu overdressed für einen Barkeeper. Dennoch, die Augen hingen an seinen Händen, glitten hinauf zu seinem Gesicht und die Zunge leckte über diese wunderbaren roten Lippen, sodass sie feucht glänzten. Fabian ließ dieser Anblick nicht kalt. Sein Herz pochte trotz der lauten Musik in den Ohren, die Lenden füllten sich mit Blut. Der eiskalte Schauer, der anschließend den Rücken entlanglief, ließ den jungen Mann kurz zusammenzucken.
Der Barkeeper drehte sich zu ihr um. Das Strahlen, das ihr Gesicht erhellte, war schön anzusehen, gelte es doch nur ihm, Fabian und nicht Noah. Die böse Stimme in seinem Kopf sagte ‚Du wirst nie ein Frauenschwarm wie Noah, vergiss es, du Lusche.‘ Aber da existierte ein Flüstern, ganz leise und optimistisch, ‚Du musst kein Casanova werden, du wirst ein glücklicher Mann mit einer glücklichen Frau.‘
‚Juchu, er hat mich angesehen‘, jubelte Yve still und heimlich. ‚Ob er mich wahrnehmen wird? Ein Date mit ihm wäre ein Traum.‘ Heißes Blut schoss in ihre Wangen, unruhig rutschte ihr Po über den Barhocker, das Kribbeln in ihrem Schoß verstärkte sich. Mit beschleunigtem Atem starrte sie in seine wunderbar hellblauen Augen. ‚Bitte, lass es wahr werden. Drei Wünsche habe ich frei, er soll einer davon sein.‘
Drei Sternschnuppen, drei Wünsche, wie es der Aberglaube sagte. Bisher hatte es immer funktioniert, da die Wünsche realisierbar waren und Yve fest genug daran geglaubt hatte. Noah war schon länger ihr Schwarm. Jedes Mal an dieser Bar in der Disco saß sie mindestens eine Stunde auf einem Hocker und sah seinen geschickten Händen beim Mixen der Cocktails zu. Seine Blicke streiften sie nur, blieben an anderen jungen Frauen hängen, mit denen er im Laufe des Abends oder der Nacht ein Gespräch begann. Wie oft hatte sie ihn bis zum Schluss von einem anderen Ort aus beobachtet. Das Leuchten in den Augen der Frauen gesehen, wenn er sie mit zum Ausgang nahm. Oder auch einmal kurz mit ihnen verschwand. Yve dachte bei sich, sie könne ihn zähmen, ihm beibringen, was wahre Liebe ist. Das Leben glücklich bis zum Ende verbringen.
»Hey, hübsche Frau«, sprach er sie an. »Welchen Cocktail darf ich dir kreieren?«
Yves Herzschlag setzte einen Moment lang aus, bevor er in rasendem Galopp die Röte in die Wangen trieb. Er hatte sie tatsächlich angesprochen. Und das Augenzwinkern, hach, das ließ sie hoffen.
»Einen … einen …«, stotterte sie los.
»Ach, lass mal. Für so eine hübsche junge Frau entwerfe ich einen neuen Cocktail.«
Die flinken Finger nahmen Flaschen, Eiswürfel, andere Zutaten und mixten sie fantasievoll zusammen, sodass im Glas anschließend ein Regenbogen zu sehen war. Also nicht im Bogen, aber in den Farben. Yve schwebte auf Wolke Sieben.
»Wow«, mehr bekam sie im ersten Moment nicht heraus.
»Du bist schön, also muss der Cocktail doch auch zu dir passen.« Die Worte schmeichelten Yve. »Ich will dich gerne näher kennenlernen. Meine Schicht geht noch eine Stunde. Hast du dann Lust, noch etwas mit mir zu unternehmen?«
‚Wird mein Wunsch wirklich wahr?‘
Wie sie ihn anhimmelt, man kann förmlich sehen, wie sie jedes Wort von ihm aufsaugt. Ihre Hände flattern unruhig hin und her, greifen ans Glas, kurz darauf ins Haar, das sich wunderbar lockt. Eindeutig, was er mit ihr vorhat. Hoffentlich stürzt er sie nicht ins Unglück. Einmal benutzt und fallenlassen, das war seine Methode. Noah stand einfach nicht auf Beziehungen. Was hatte er neulich zu ihm gesagt? ‚Warum sich ein Weib ans Bein binden, wenn ich jeden Abend eine neue ficken kann. Du weißt gar nicht, was dir entgeht. Und die Schlampen werfen sich mir förmlich an den Hals.‘ Ja, das taten sie. Aber warum Yve? Sie hatte etwas Besseres verdient. Eher jemanden wie ihn, treu und liebevoll. Wieso fiel sie auf ihn rein?
Auf der Tanzfläche schaute Yve immer wieder zu Noah hinüber. Ihre Augen trafen sich ständig. Der Rhythmus sowie die Bewegungen dazu heizten mächtig an. Die Gedanken beflügelten ihr Verlangen nach dem Barkeeper. Natürlich würde sie ihn nicht direkt an sich ranlassen, sondern ihn davon überzeugen, dass sie eine begehrenswerte Beute wäre, die es nur zu fangen gäbe, wenn man Gefühle und echte Zuneigung zeigte. Ihn zu zähmen und gleichzeitig anzumachen, war eine ganz spezielle Aufgabe, nur für sie. Ihr Unterleib kribbelte. Am liebsten würde sie dann doch … Aber nein, die Eroberung musste langsam geschehen.
Auf seinen Wink hin schlenderte sie bewusst aufreizend auf die Bar zu. Das Spiel mit dem Feuer begann.
»Na, du Süße!«
Der Kuss auf ihre Wange fachte die Glut weiter an. Seine Hand umfasste die ihre und zog sie mit sich. Aber anstatt des erwarteten Ausgangs steuerte er auf die Toiletten zu.
»Wo gehen wir hin?«, fragte Yve unsicher.
»Warte ab, ich will dir etwas zeigen, meine Hübsche«, säuselte Noah und öffnete eine verborgene Tür, die in ein ziemlich dunkles Zimmer führte. Dort konnte die junge Frau eine Liege mehr erahnen als sehen. Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ohne das Licht vom Flur wegen der nun geschlossenen Tür, küsste sie Noah auf den Mund. Dabei schob er sie auf die Liege zu. Seine Finger glitten unter ihr Shirt und streichelten dabei die nackte Haut.
‚Wo sind sie denn plötzlich hin verschwunden?‘, fragte sich Fabian, als er in beide Toilettenräume geguckt hatte. Wobei, in der Damenabteilung bekam er böse Blicke zugeworfen.
Noch immer stand er am Eingang des Ganges zu den Räumlichkeiten, als ihm auf einmal Yve von hinten anrempelte und vorbeilief. Ein vorbeirauschender Schluchzer drang an sein Ohr. Ihre Kleidung war ziemlich ramponiert, nicht mehr ordentlich. Was war passiert?
Noah folgte kurze Zeit später mit einem Grinsen im Gesicht und einen String in der Hand.
»Na, Fabian. Hattest du auch Erfolg bei den Mädchen?«
»Nein, aber du, wie es mir scheint.«
»Ja, aber diese dumme Pute hatte wohl geglaubt, sie könnte mehr bekommen als einen Fick. Sie war so eng, dass ich direkt abgespritzt habe, kaum dass ich drin war. Ich meinte dann, sie solle ihn mir wieder steif blasen, aber sie verweigerte sich und meinte, wir könnten das doch gemütlich bei ihr zuhause machen. Nix da, habe ich gesagt. Sie wollte gefickt werden, das habe ich gesehen. Für Romantik sei sie bei mir an der falschen Stelle, war meine Antwort. Und schwupps, war sie weg.«
»Irgendwann geht das mal nach hinten los, Noah«, warnte ihn Fabian. »Dann kommt so eine mit einem dicken Bauch oder was anderem.«
»Nee, du, ich habe mich sterilisieren lassen. Damit braucht mir keine kommen. Und zusätzlich habe ich Kondome dabei. Ich will mir doch den Spaß nicht noch mal verderben lassen, nur weil so eine Schlampe nicht sauber ist.«
Yve rannte zu ihrem Wagen, setzte sich hinein und die Tränen liefen ihre Wangen entlang. So ein Mistkerl, Idiot. Wie hatte sie so blind sein können? Naiv. Und dann gab er ihr auch noch die Schuld an der ganzen Sache, nur weil sie ihn nicht oral befriedigen wollte. Die Kammer war unromantisch gewesen. Die Liege hatte streng gerochen, als ob sie öfter für solche Stelldicheins herhalten musste.
Einen Wunsch vertan, vergeudet und nicht so erfüllt bekommen, wie es gewollt hatte.
Aber zwei waren übrig.
‚Jetzt eine Freundin und deren Schulter zum Ausheulen, das wünsche ich mir.‘ Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, fuhr sie nach Hause, stürmte in die Wohnung und schlief sofort ein.
Das Klingeln der Haustür weckte sie aus unruhigen Träumen, in denen Noah sie vergewaltigte, immer und immer wieder. Obwohl das ja gar nicht in der Art geschehen war. Ihr Verlangen nach seinem Körper war stark gewesen, dass sie seinem Drängen nachgegeben hatte.
Fabian stand vor der Tür und hielt eine Tüte vom Bäcker in der Hand.
»Hey, habe ich dich geweckt? Ich dachte, wir frühstücken mal wieder gemeinsam.«
»Guten Moa …«,gähnte die junge Frau. »Eigentlich will ich heute morgen allein sein, aber gegen Backwaren meines Lieblingsbäckers habe ich nichts einzuwenden. Komm rein.«
Die Tasse Kaffee und das knusprige Croissant weckten ihre Lebensgeister.
»Du siehst unglücklich aus, Yve«, wagte Fabian den Vorstoß, nachdem ihre Wangen wieder etwas Farbe bekommen hatte. Immerhin kannten sie sich eine halbe Ewigkeit und seine Offenheit war ihm eigen.
Fabian war zwar keine Freundin, aber seine Schulter durchtränkten schnell ihre Tränen und der nasse Stoff kühlte ihre heißen Wangen. Offenbar erfüllten sich ihre Wünsche, nur anders als erwartet. Der junge Mann war eben ein Freund zum Pferde stehlen. Vielleicht sollte er einfach die bessere Freundin sein als Jasmin oder Hanna. Von dahe schüttete sie ihm ihr Herz aus. Von dem Abend zuvor und wie Noah sie einfach nur als Objekt benutzt hatte. Keine Gefühle, keine Romantik.
»Ich wünsche mir doch nur, glücklich zu sein und einen ganz tollen Mann an meiner Seite zu haben. Noah hat doch diesen Charme und ich dachte, er wäre der Richtige.«
»Mensch, Yve. Da bist du auf den schlimmsten Casanova weit und breit reingefallen.«
»Ja, ich weiß. Eigentlich schon vorher. Warum dann diese Blindheit, Fabian?«
Seine Hand strich über ihr Haar.
»Er sieht halt gut aus, versteht sich auf verlockende Worte, so als würde er die Frauen verzaubern. Und dann, wenn er erreicht hat, was er wollte, wirft er sie weg und lässt es sie spüren, als wären sie schuld, dass nicht mehr kommt.«
»Ja, du hast recht«, schluchzte Yve. »Er meinte anschließend, ich wäre total verklemmt und ich habe es geglaubt. Wie schafft er das nur?«
»Frag mich nicht, ich könnte niemals so sein. Aber nu
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