Zwei Dialoge
von Helios53
Die Sommerflaute wurde 2010 in einem bekannten und beliebten Forum durch den Wettbewerb ohne Bewertung „Dialoge gegen das Sommerloch“ bekämpft. Vorgabe war, eine „Geschichte“ zu erzählen und dabei ausschließlich direkte Rede zu verwenden. Keine Einleitung, keine Erklärungen, keine Zwischentexte.
Nachfolgend nun meine zwei nicht sehr ernst gemeinten Werke zu diesem „Wettbewerb“:
***
1
Kurz vorher waren Texte für das „Schaufenster“ gefragt, also für jenen Forumsteil, der frei auch für Nichtmitglieder zugänglich ist. Die „Kostproben“ sollten nicht zu lang sein, daher waren die Autoren gefordert, Auszüge zu erstellen, die rund 800 Wörter lang sein sollten. Das Fehlen eines strikten Limits führte manche in die Versuchung, viel längere Texte anzubieten. Letztlich gab der Administrator „Beta“ sein Urteil bekannt: Die Texte mussten unter 1000 Wörtern bleiben. Wegen unterschiedlicher Zählprogramme ergab sich ein vielbelächelter Disput, ob ein bestimmter Text 1052 Wörter beinhalte – und damit das Limit überschritten habe - oder eben nicht.
Dies inspirierte mich zu nachfolgendem Dialog:
DIE REDE
„Lassen Sie mich durch!“
„Wohin wollen Sie denn?“
„Auf die Bühne!“
„Zu welchem Zweck?“
„Ich will endlich meine Meinung sagen!“
„Auf der Bühne? Sie? Ins Mikrofon?“
„Jeder darf seine Meinung sagen, oder etwa nicht?“
„Wir sind hier aber nicht im Hyde Park, wo jeder …“
„Aber wir haben Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Gedankenfreiheit, …“
„Dann reden Sie halt frei, frei von Meinung, frei von Gedanken, frei von Sinn…“
„Das mag für Leute von ihrer geistigen Kapazität gelten. Ich aber habe eine Rede zu halten!“
„Uh! Eine Rede gar! Wer sind wir denn? Etwa gar Demosthenes oder Antonius? Freunde, Penner, Straßenköter, hört mich an?“
„Das ist nicht original, nicht nur wegen der Straßenköter nicht. Das, was Sie zu parodieren zu müssen glauben, ist eine Dichtung von Shakespeare. Aber Antonius hat ganz sicher nicht in Versen deklamiert!“
„Huh! Was sind wir doch gebildet!“
„Wir sind nicht gebildet, ich bin gebildet, Sie Geschichtsverunstalter. Lassen Sie mich gehen.“
„Bitte gehen Sie.“
„Auf die Bühne!“
„Ach ja, Sie wollen uns ja mit einer Rede beglücken. Worüber denn?“
„Gegen das Sommerloch!“
„So ein Quatsch! Glauben Sie etwa, das Sommerloch können Sie in die Flucht schlagen? Mit einer Rede?“
„Mit ihnen unterhalte ich mich doch nicht über so etwas.“
„Ach, nein? Und was ist das, was Sie gerade machen?“
„Jedenfalls keine Unterhaltung! Sie mag das vielleicht unterhalten, Sie sind ja auch anspruchslos …“
„Was …?“
„Ich fordere mein Recht! Mein Recht auf Meinungsäußerung. Geben Sie Gedankenfreiheit, Sie, Sie …“
„Sie was? Häh? Was Sie?“
„Wer sind Sie denn überhaupt, dass Sie sich so aufspielen?“
„Ich bin hier der Hausherr.“
„Hausherr? Hausherr? Sie wollen ein Hausherr sein? Höchstens ein Hausmeister und das wäre schon suspekt!“
„Mein Herr, mäßigen Sie sich!“
„Ich bin nicht ihr Herr!“
„Da würde ich mich auch schön bedanken, wenn Sie wirklich mein Herr wären. Entschuldigen Sie bitte das Herr. Sie sind wirklich keiner.“
„Lassen Sie mich endlich durch!“
„Vielleicht, aber führen Sie keine schmutzigen Reden!“
„Sie sind ja irre. Wie kommen Sie denn auf so eine blödsinnige Idee?“
„Na ja, Sommer Loch? Loch, verstehen Sie, was ich meine?
„Sie haben doch eine kranke Phantasie, was mag bei ihnen noch alles schmutzig sein, hm? Woran denken Sie denn, wenn Sie Loch hören? Knopfloch, achtzehntes Loch, Schlagloch, Loch Ness, Moloch, ..“
„Po-Loch?“
„Wer sagt da was von Po-Loch? Moloch habe ich gesagt!“
„Das kann jeder sagen!“
„Sie nicht, weil Sie wahrscheinlich gar nicht wissen, was ein Moloch ist, ha!“
“Arschloch!“
„Das habe ich gehört! Das also fällt ihnen bei Loch ein. Typisch! Typisch, typisch. Was fällt ihnen bei Bein ein? Bei Warze? Bei Lippe? Bei Muschi? Bei Glied? Nur Sauereien wahrscheinlich. Aber da steh ich drüber. Ich habe Bildung, Anstand, Benehmen!“
„Dann benehmen Sie sich halt nicht so kindisch. Wie lange wollen Sie denn überhaupt reden?“
„So lange es dauert!“
„Und das wäre?“
„Kommt drauf an, wann ich endlich anfangen kann!“
„Und wenn Sie mal anfangen, wann hören Sie wieder auf?
„Wenn ich fertig bin!“
„Ich schmeiß Sie gleich raus! Wie lange dauert die Rede?“
„Weiß ich doch nicht, ich habe sie nicht gestoppt.“
„Aber aufgeschrieben?“
„Natürlich!“
„Und wie lang ist der Text?“
„Drei Seiten ungefähr.“
„Wie viele Worte, Herrgott noch mal?“
„Äh, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, …“
„Herr im Himmel hilf! Schick mir Geduld, aber sofort!“
„..siebenundsiebzig, achtundsiebzig, neunundsiebzig, achtzig, …
„Herr, lass Hirn vom Himmel regnen, es wird dringend gebraucht!“
„…..hundertvierundachtzig, hundertfünfundachtzig, hundertsechsundachtzig, …
„Mirko! Hol mir ein Bier und eine Pizza alla romana. Auf nüchternem Magen vertrag ich den Kerl nicht mehr.“
„…dreihundert, dreihunderteins, dreihundertzwei,…“
„Oh, mein, Gott!“
„…dreihundertneunundzwanzig, dreihundertdreißig, dreihunderteinunddreißig, …“
„Hören sie auf, Sie sind ja irre!“
„Sie haben gefragt und jetzt kriegen Sie auch eine Antwort.“
„Oh! Mein! Gott!“
„Jetzt haben Sie mich draus gebracht! Eins, zwei, drei, vier, …“
„Nein! Bloß das nicht! Sie waren bei dreihunderteinunddreißig.“
„Dankeschön! Dreihundertzweiunddreißig, dreihundertdreiunddreißig, …“
„Bitte. Ah, danke, Mirko! Hier, behalte den Rest! Mmmh! Schmeckt gut.“
„…fünfhundertacht, fünfhundertneun, fünfhundertzehn, ….“
„Mirko! Das Bier ist ja warm! Ist keins mehr im Kühlschrank?“
„…fünfhundertneunundneunzig, sechshundert, sechshunderteins, …“
„Das ist ja auch nicht kalt! Geh rüber ins Cafe und hol dort ein Seidel!“
„..sechshunderteinundneunzig, sechshundertzweiundneunzig, sechshundertdreiundneunzig, …“
“Ich erwürg’ ihn!“
„..siebenhundertzweiundzwanzigdashabichgehört, siebenhundertdreiundzwanzig, siebenhundertvierundzwanzig, …
„Danke, Mirko, aber jetzt ist die Pizza kalt! Schmeiß sie für eine Minute in die Mikrowelle!“
„..achthundertelf, achthundertzwölf
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Kommentare
(AutorIn)
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Helios53
Zu den Kommentaren:
Uuuh, Elmar! Das ist aber ein Riesenlob! Dankeschön!
@peterhardt: Da gibt es sicher andere Texte, die dir mehr zusagen, z.B. "Ein heißer Juni".. Ich fürchte, die Kategorie "Sonstiges" ist nicht so ganz deins, hm?
Vielen Dank für die erfreulich positiven Rückmeldungen. Es ist doch wunderbar! Die einen fühlen sich beim ersten Text an Loriot erinnert, was fast einem Oscar gleichkommt, andere amüsieren sich dafür mehr beim Telefonat Sabines mit ihrer Mutter.
Ich fühle mich stark gebauchpinselt/bauchgepinselt (?)«
Kommentare: 214
aweiawa
LG
Elmar«
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andreashava
Mich haben die skurrilen Dialoge sehr amüsiert, und es wäre übertrieben, einzelne Längen kritisieren zu wollen. Es ist insgesamt eine gelungene Persiflage, komisch, dass auch ich gleich an Loriot gedacht habe.
Für heli war es ein Experiment, mich hingegen freut es, dass auch "solche" Geschichten bei sevac möglich sind und ihre Liebhaber finden. Wer nur Sex will, findet immer noch mehr als genug, aber irgendwann darf doch auch die männliche Hand einfach mal nur den vor Lachen wippenden Bauch halten dürfen ...
LG Andrea
Noch ein kleines P.S.: Dass hier "Erotik/Sex" bewertet werden statt "Fantasie/Kreativität" finde ich sehr unglücklich!«
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Leichtgewicht
Den ersten Dialog habe ich nicht geschafft. Ich fand ihn ein wenig ermüdend und nicht so richtig geistreich.
Aber dafür war der zweite Dialog einsame Spitzenklasse.
Und wofür ist Sonstiges, wenn nicht für Experimente.
das Leichtgewicht«
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Teil 2 beweist, dass Mütter doch viel mehr von ihren Töchtern wissen, als diese oftmals vermuten.
Großartige Geschichte!«
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Habe mich sehr amüsiert. Danke.
Schilde«
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Serenity
Zweites Beispiel: Hier fehlt mir im Dialog die Eskalation im Sinne von "ein Wort gibt das andere." (w.o.)
Aber ...
Exercitatio artem parat!«