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Kommentar: 1 | Lesungen: 1008 | Bewertung: 6.91 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 15.02.2006

fragile

von

Für B.

– Ich liege im Bett und träume. Mein Geist löst sich von mir und fliegt hunderte Kilometer in einem Bruchteil einer Sekunde zu ihr. In ihrem Haus angekommen, muss ich mich erst einmal auf die Suche machen. Noch nie zuvor war ich hier. Ich streife durch das große Haus, bis ich endlich ihr Schlafzimmer gefunden habe. Sie liegt im Bett. Ganz nackt, die Decke bedeckt nur notdürftig ihren wunderschönen Körper. Ihre blonden Locken umrahmen den Kopf wie Strahlen die Sonne. Ich stehe staunend davor und sehe sie an.


Plötzlich bewegt sie sich, als hätte sie meine Anwesenheit bemerkt. Hastig renne ich davon. Erst draußen bleibe ich stehen und hole tief Luft.


Als ich wieder zu Atem gekommen bin, fliege ich zurück. –

Schweißgebadet wache ich auf.


Es ist das erste Mal, dass mir so etwas gelungen ist. Mein Verlangen nach ihr ist so groß, dass ich es geschafft habe meinen Geist zu lösen und zu ihr zu eilen.


Ich gehe duschen und dann wieder ins Bett - aber einschlafen will und kann ich nicht mehr. Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich.

– Ich erinnere mich an unser Kennenlernen.


Es war im Chat, ich war mit ein paar Freunden in einem virtuellen Raum, als sie das Zimmer betrat. Alle schauten wie gebannt zu ihr. Einige kannten sie schon und wir wurden einander vorgestellt.


Der Chat ist mein zweites Zuhause und ich kenne viele Chatter, einige davon sogar persönlich. Aber so eine Erscheinung war mir bis dahin noch nicht begegnet.


Es war, als hätte eine Königin den Raum betreten. Jeder suchte ihren Rat und auf jede Frage wusste sie eine Antwort. Marilyn, so ihr Chatnick, ist wirklich etwas besonderes. Das spürte ich schon bei dieser ersten kurzen Begegnung. Ich ärgerte mich ein wenig, dass ich schon wieder gehen musste, weil ich noch ein paar wichtige Dinge für den nächsten Tag erledigen wollte. Aber ich nahm ihr das Versprechen ab, bald wieder einmal zusammen zu plaudern. Schon am nächsten Tag ergab sich die Gelegenheit dazu. Sie war allein in einem Raum und ich flüsterte sie an, ob ich zu ihr kommen dürfe.

Wir erzählten sehr lange miteinander. Über unser Leben außerhalb der Chatwelt, über unsere Arbeit und über all die kleinen Dinge, die ein Leben erst lebenswert machen. Als ich das erste Mal *knuddel* las, schlug mein Herz bis zum Hals. Viele Chats folgten. Oft waren wir stundenlang zusammen. Sie wurde zu einem Teil in meinem Leben. Vorsichtig und scheu machte ich ihr den Hof. Ich umarmte sie virtuell und manchmal küsste ich sie sogar. Ein Leben ohne Marilyn konnte ich mir schon bald nicht mehr vorstellen. Sie war ständig bei mir. Ich redete auch außerhalb des Chats mit ihr. Manchmal hatte ich Angst, ich würde verrückt werden.

Vor einer Woche startete ich endlich die Offensive. Ich fragte Marilyn wie es wäre, sich einmal real zu treffen. Auf ihre Reaktion war ich sehr gespannt.


Ach, hätte ich sie doch nie gefragt! Sie sagte nur:


"Nein, das geht nicht!" und ließ mich stehen.


Seit diesem Tag sah ich sie nicht mehr allein im Chat. Sie schien mir nicht direkt aus dem Weg zu gehen, aber wir bekamen nie die Gelegenheit auch nur ein paar Augenblicke für uns zu haben. Die Tage zogen sich endlos dahin und meine Sehnsucht nach ihr stieg ins Unermessliche. Ich wollte sie endlich wieder in meinen Armen halten, sie streicheln und zärtlich küssen.


Aber daran war nicht zu denken.


In den Nächten lag ich oft wach und führte Zwiegespräch mit ihr. Ich konnte sie körperlich fühlen, hörte ihre Stimme. Glaubt mir, man kann die Stimme eines geliebten Menschen im Chat hören, auch wenn man sie noch niemals real gehört hat. Ich habe mich nie getraut Marilyn zu fragen, ob ich sie anrufen darf.

Letzte Nacht ist es dann passiert. Wie immer redete ich mit ihr in meinen Gedanken und bin dabei wohl eingeschlafen. Ich fühlte wie sich mein Geist löste und in meiner Wohnung umherwanderte. Als ich aus dem Fenster sah, stolperte ich etwas und wollte mich abfangen. Doch meine Hand durchschlug die Fensterscheibe ohne sie kaputt zu machen und ich fiel der Länge nach hin. Zum Glück wohne ich im Erdgeschoss und landete auf dem Rasen vor meinem Fenster. Ich stand verwundert auf und legte mich dann wieder ins Bett. Als ich heute morgen aufwachte, dachte ich es wäre ein Traum gewesen, aber ich war total unausgeschlafen und ziemlich fertig. Am Abend, nach der Arbeit, legte ich mich ins Bett um den versäumten Schlaf aufzuholen. Ich schlief sofort ein und begann zu träumen. Und dann erlebte ich diese wunderbare Odyssee... –

Jetzt bin ich mit meinen Gedanken wieder im hier und jetzt.

Ich frage mich wie es weitergehen wird. Der Sonne steigt die Himmelsleiter empor, schickt ihre Strahlen auf mein Kopfkissen und küsst mir zärtlich die Nasenspitze. An Marilyns blonde Locken denkend muss ich lächeln. Mit einem Lächeln auf den Lippen stehe ich auf und bin neugierig und gespannt was der neue Tag für Überraschungen bereit hält. Irgendwie muss ich versuchen das Ganze realer zu erleben, also in einem Zustand, der mir erlaubt Einfluss zu nehmen. Unter der Dusche kehren meine Gedanken zu Marilyns Bett zurück und ich kann nichts anderes tun als mich zu streicheln und mir selbst einen Orgasmus zu verschaffen.


Äußerlich ausgeglichen und innerlich brodelnd gehe ich meiner Arbeit nach. Ausgerechnet heute steht eine Marathonsitzung auf dem Plan. Wir müssen die Strategie für das neue Geschäftsjahr festlegen. Ich bin verantwortlich für den Vertrieb der neuen Produktlinie. Am Entwurf der neuen Dessous war ich selbst beteiligt und ich möchte natürlich, dass unsere Firma damit den größtmöglichen Gewinn erwirtschaftet. Während der lebhaften Diskussion vergesse ich das Geschehen der letzten Nächte...

Spät am Abend komme ich wieder nach Hause. Ich bin zu müde um mir noch etwas zu essen zu machen, dusche und falle dann in mein Bett. Diese Nacht schlafe ich tief und traumlos. Am Morgen wache ich erholt auf.


Meine Gedanken gehen wieder zu dem Erlebnis und ich beschließe Marilyn beim nächsten Mal zu berühren. Doch es dauert über eine Woche bis ich mein Vorhaben wahr machen kann.


Wahrscheinlich war ich die letzten Nächte einfach zu angespannt und nervös. Nervös und neugierig ob es mir gelingen wird.

Es fängt genau so wie beim letzten Mal an.


Ich fliege, nein, mein Geist fliegt und überbrückt die vielen Kilometer in kürzester Zeit.


Marilyn ist leider nicht zu Hause und so wandere ich in aller Ruhe durch ihr Haus und schaue mich um. Ich schaue mir an wo ihr PC steht. Das Zimmer kommt mir seltsam vertraut vor. Kein Wunder, hat sie mir doch einmal alles ausführlich beschrieben. Ich sehe Marilyn förmlich dort auf dem Stuhl sitzen und chatten. Einmal in ihrem Stuhl sitzen... einmal die Tasten streifen, die ihre Finger vor kurzem noch berührten...


Als ich den Stuhl wegrücken will greife ich ins Leere. Ich starre meine Hände an und in meinen Augen sammeln sich Tränen, als mir aufgeht, dass ich ja ein Geist bin - ein Geist der durch Wände gehen kann!


Voller Verzweiflung gehe ich wieder und fliege zurück. Zurück zu mir. Zurück zu meinem ICH. Tränenüberströmt wache ich auf.

Ich setze mich auf und kann es nicht fassen. Was soll ich nur tun? Wie kann ich sie jemals berühren? Wie jemals ihre wunderschönen Lippen küssen? Tiefe Verzweiflung ergreift mich. Die Tränen rinnen unaufhörlich und irgendwann sind keine Tränen mehr da. Ich sitze stumm da und starre vor mich hin.


Nach meinem Kuschelkissen greifend, rolle ich mich zusammen und schlafe ein. Im Traum kann ich Marilyn berühren, ihre zarten Lippen auf meinen spüren. Erregung ergreift mich. Ich will sie so sehr, aber als ich meine Finger in sie eintauche, ihre Feuchtigkeit förmlich zu spüren beginne, wache ich auf.

In den nächsten Nächten schlafe ich sehr unruhig. Immer wenn ich merke, dass mein Geist sich lösen will, wache ich auf. Zwei Wochen geht das so. Dann bin ich am Ende.

Ich schlafe fast vierundzwanzig Stunden durch. Der Körper braucht die Erholungsphase.


Als ich an diesem Samstag Abend wach werde geht es mir besser. Ich mache mir ein feudales Frühstück und beginne endlich meine Traurigkeit loszulassen. Einen Kuli und ein Stück Papier nehmend, schreibe ich auf was ich tun will. In riesengroßen Buchstaben steht dort zu lesen:


Ich muss lernen! Ich muss ausprobieren WIE ich Gegenstände greifen kann, sie bewegen. Wenn ich das kann, kann ich Marilyn berühren! Kann sie lieben!


Ein großer Smilie ist darunter gemalt.


Diesen Zettel befestige ich mit Hilfe eines Magneten an meinem Kühlschrank. Dann gehe ich ganz befreit in mein Bad und lasse Wasser in die Wanne. Ich wähle ein Entspannungsbad und genieße einfach.


Das Bad tut mir gut. Alle Lebensgeister werden wieder erweckt und ich beginne etwas Mut zu fassen. Sicher, es wird nicht einfach werden, aber irgendwie werde ich das schon hinbekommen!

Lächelnd gehe ich wieder ins Bett und schlafe auch ziemlich schnell ein. Dieses Mal wehre ich mich nicht dagegen, als mein Geist sich löst. Ich beginne in meiner Wohnung umherzuwandern.


Immer wieder greife ich nach den verschiedensten Gegenständen. Aber es will mir einfach nicht gelingen einen anzuheben! Nach einigen Stunden gebe ich auf und mein Geist kehrt wieder zurück.

Irgendwann gegen Morgen löst er sich abermals und fliegt wieder zu Marilyn. Wieder stehe ich vor ihrem Bett und sehe sie dort liegen. Sie ist noch schöner als in meiner Erinnerung. Tiefe Sehnsucht ergreift mein Herz. Unwillkürlich strecke ich meine Hand aus und will Marilyn berühren. Zart tasten meine Finger über ihr Gesicht...

Mein Herz macht einen Sprung!

Habe ich sie eben wirklich gespürt?


Erschrocken ziehe ich die Hand zurück. Aber die Neugier ist stärker. Wieder streifen meine Finger ihr Gesicht und ich sehe wie ein Lächeln ihr Antlitz erhellt.


Hat sie mich gespürt? Hat sie meine zarte Berührung gefühlt?


Total verwirrt fliege ich nach Hause.

Als ich aufwache, frage ich mich, ob das Ganze ein Traum war oder Wirklichkeit. Ich komme zu keinem Ergebnis. Aber jetzt ist nicht die Zeit um dies zu testen. Voller Tatendrang fange ich an die Wohnung zu säubern, Wäsche zu waschen und zu kochen. Die Musik mache ich dabei ziemlich laut und singe mit. So gut wie heute ging es mir schon lange nicht mehr!

Geschafft und glücklich falle ich am Abend in mein Bett und schlafe tief und traumlos. Am Morgen bin ich etwas enttäuscht als ich aufwache. Nichts ist in dieser Nacht passiert!


'Du warst einfach zu müde', sage ich mir, 'heute ist auch noch eine Nacht!', lächelnd wandle ich ein altes Sprichwort um. Die Arbeit geht mir flott von der Hand und als ich am Abend nach Hause komme befällt mich ein seltsames Kribbeln. Ich WEIß, dass es heute Nacht klappen wird...

Stunden später stehe ich vor ihrem Bett. Die Zudecke hat sie nach unten gestrampelt, so dass ich einen atemberaubenden Blick auf Marilyn’s Körper habe. Vorsichtig nähere ich mich. Meine Finger berühren sanft ihr Gesicht. Ich streife über ihre Wangen, ihre Lippen, das Kinn und am Hals hinab. Zwischen ihren Brüsten halte ich an um Atem zu schöpfen und auch, um mich zu entscheiden welchen der beiden Nippel ich zuerst berühren soll. Als der Zeigefinger und mein Daumen vorsichtig über die linke Brust streifen, höre ich ein leises stöhnen. Ich kann nicht anders und verschieße ihren Mund mit einem zarten Kuss. Ihre Lippen öffnen sich und meine Zunge findet den kurzen Weg in ihren Mund...

Ich kann sie fühlen! Ich fühle ihre Zunge! Alles in mir jubelt!

Vorsichtig löse ich meinen Mund wieder von ihrem um sie nicht aufzuwecken. Zärtliche Liebesbisse verteilend wandert er auf ihrer Haut entlang. Ich sehe wie sie Gänsehaut bekommt und ahne, mehr als ich es fühle, ihre Hände auf meinem Kopf. Sie dirigiert mich zu ihren Brüsten, die ich voller Inbrunst lecke, küsse und beiße...


Ich bin inzwischen so außer Atem, dass ich innehalte. Alles in mir vibriert. Wenn ich jetzt nicht gehe, kann ich mich nicht mehr zurückhalten!


Aber ich möchte, dass sie es miterlebt, wenn schon nicht ganz wach, so doch wenigstens im Halbschlaf. Seufzend bewegt sie sich und dreht sich um. Ich sehe wie Marilyns Hand zwischen ihren Schenkeln verschwindet und höre sie ganz verzückt aufstöhnen als ihr Finger in sie eindringt. Tiefe regelmäßige Atemzüge sagen mir, dass sie wieder ganz fest schläft.


Ganz aufgewühlt und kaum einen Blick von ihr lassend gehe ich rückwärts hinaus.

Ich habe heute Nacht einen Entschluss gefasst, den ich umgehend umsetzen werde. Aber zuerst muss ich zurück. Glücklich und zufrieden erwache ich am Morgen. Ich fühle immer noch ihre Zunge, schmecke ihre Brüste, rieche sie.

Bei meinem Chef reiche ich Urlaub ein. Erst will er mich nicht gehen lassen, aber als ich eine dringende Familienangelegenheit vortäusche, gibt er mir drei Tage frei. Ich packe einen kleinen Koffer zusammen, setze mich in mein Auto und fahre los. Die Entfernung, die ich sonst in weniger als einer Sekunde überbrücke, kostet mich mit dem Auto fast vier Stunden. Endlich komme ich an. In der Nähe ihres Hauses ist eine kleine Pension in der

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Kommentare


mondstern70
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 441
Mondstern
schrieb am 26.02.2006:
»Hi Catsoul,

deine Geschichte kann ich als "Gelegenheits-" Chatterin sehr gut nachvollziehen. Wer nur reden will und nicht an einem real Treffen interessiert ist, ist es oft besser jeden Kontakt sofort abzubrechen.

Wie es dann weiterging überrasche mich :-) Dabei gefiel mir besonders deine Ausdrucksweise und dein Stil.

Vielleicht nicht gerade einfach zu lesen, weil eben doch tiefsinnig - aber wer es nicht zu ende liest, verpasst etwas.

LG Anja«



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