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Thema24.8.04, 14:40 - Betreff: Kategorie "Short Story" ?
axus
Beiträge: 20/160
dabei seit: Feb '03
Es wurde schon mal angesprochen neue Kategorien einzuführen, ich weiß, aber m.e. nicht eine Kategorie Short Story. Ich meine damit nicht einfach nur kurze Geschichten, weil den Schreibern nichts mehr einfällt...außer dem eigentlichen Geschlechtsakt vielleicht. Ich finde die neue Geschichte von Erzwolf "Blumenzwiebel" ganz gelungen, denke aber, sie wird in der Kategorie "Sonstiges" untergehen. Short Stories schreibt doch jeder mal...und das ist gar nicht so einfach, wie es sich anhört.
Beitrag24.8.04, 14:47 Uhr
Juxi
Beiträge: 12/473
dabei seit: Jul '02
Juxi

Ich meine damit nicht einfach nur kurze Geschichten, ...


Hallo Axus

Stimmt, Kurzgeschichten wurde als eigene Kategorie vorgeschlagen, wenn ich mich recht erinnere. Um dein Anliegen zu unterstützen und darauf noch einmal hinzuweisen:
Eine Kurzgeschichte ist natürlich nicht einfach eine abgerissene, zu kurz geratene, unausgegorene, halbfertige Geschichte. no
Die Vorgaben dafür sind fix definiert. Es bestand schon vor langer Zeit mal der Wunsch, eine solche Kategorie zu bekommen, weil viele Werke natürlich Bonuspunkte für ihre Länge bekommen. Eine Kurzgeschichte muss einfach anders bewertet werden, wie eigentlich auch eine Soft-Geschichte entsprechend angepasst bewertet werden sollte. Damit man den Unterschied zwischen halbfertigem Geschreibsel und einem kleinen Lusthappen, der wirklich nicht einfach zu schreiben ist, wenn man sich ganz gezielte Vorgaben setzt, auch sieht, ist die Kategorie sehr erwünscht. Und wenn ich es richtig heraus gehört habe, wird diese auch kommen. *freu*

LG, Juxi.
Beitrag25.8.04, 09:11 Uhr
-Serenity-
Beiträge: 129/1799
dabei seit: Aug '02
Serenity
Ab und zu kommt es im Geschichtenboard mal vor, dass eine richtige Kurzgeschichte im Sinne der Definitionen eingesandt wird. Ich meine jetzt nicht die Werke, die komprimiert alles bieten wollen, was das Genre hergibt und dann mangels der nötigen Energie schlecht ausgearbeitet sind, sondern Geschichten, wie z.B. "Blumenzwiebel" unter Sonstiges, die trotz ihrer Kürze alle wichtigen Elemente aufweist. Bei so wenig Text ist es für den "normalen" Leser nicht nachvollziehbar, wieviel Arbeit in so einer, aufs Wesentliche komprimierten Story steckt.

Deshalb erdreiste ich mich mal, eine Definitionzum Begriff "Shortstory" mit ein bisschen Historie drumherum zu posten, die vielleicht verständlich macht, um was es geht.


Die Short Story

Die Geschichte der Gattung

Die moderne Short Story hat viele Väter. Neben breit angelegten epischen Erzählungen gab es schon immer kleinere Erzählformen, z. B. Anekdoten über die römischen Kaiser (Sueton), Parabeln, Wunder- und Heiligengeschichten, mittelalterliche groteske oder moralisierende Geschichten, später Sammlungen wie das Decamerone.

Die eigentlichen Vorläufer der modernen Short Story jedoch liegen im 19. Jahrhundert: in Frankreich mit seinen contes und Deutschland mit seinen Novellen, in Russland mit den Geschichten Tschechows oder Gogols, nicht zuletzt aber auch schon in den USA mit der local color fiction. In Frankreich müssen hier Maupassant, in Deutschland H. v. Kleist, E. T. A. Hoffmann und in den USA vor allem W. Irving ("Sketch-book", 1819-1820) und Edgar Allen Poe ("Tales of the Grotesque and Arabesque", 1840) genannt werden. Poe hat schon 1842 in einem Aufsatz die grundlegenden Charakteristika einer Short Story in einer bis heute gültigen Weise beschrieben. Der Begriff Short Story wurde allerdings erst 1885 von Brander Matthews (in dem Essay "The Philosophy of the Short-story") als Gattungsbegriff eingeführt.

Elemente der Short Story

Eine Short Story ist eine kurze Erzählung, die durch eine geradlinige Darstellung, der Einheit von Thema und Wirkung (unity of characterization, theme and effect) gekennzeichnet ist und in einer einzigen Sitzung (at a single sitting) gelesen werden kann.

1. Eine Short Story erzählt in der Regel geradlinig - ohne Umwege oder Abschweifungen.
2. Eine Short Story hat dementsprechend meistens eine geschlossene Form, sie hat nur einen Handlungsstrang; sie erzählt knapp, präzise und ökonomisch.
3. Eine Short Story ist vom Ende her konzipiert und insofern entfernt mit der Anekdote verwandt. Der Schlusseffekt soll eine psychologische, soziale oder lokale Befindlichkeit, ein Phänomen oder einen solchen Konflikt blitzartig erhellen.
4. Daher wird die Handlung stark komprimiert, es treten nur wenige, oft nur eine Person auf, die keine Entwicklung (wie etwa im Roman) durchmacht aber zu neuen Erkenntnissen gelangt.
5. Dargestellt wird meist ein entscheidender Punkt im Leben (a decisive moment of life).
Es soll ein "slice of life" geboten werden; eine stark komprimierte Form des Lebens in skizzenhaften Formen: "The compression of a maximum of life within a minimum of space" (aus: Dictionary of Literary Terms, London 1970, S. 302).

Die Short Story im 20. Jahrhundert

Führende Autoren von Short Storys im 20. Jahrhunderts im angelsächsischen Raum sind: O'Henry, K. Mansfield, E. Hemingway. J. D. Salinger, J. Joyce, Sh. Anderson, V. Woolf.

Beispiele

Zwei Beispiele sollen die unterschiedlichen Möglichkeiten stellvertretend illustrieren:

1. O'Henry: The Gift of the Magi

In The Gift of the Magi von 1906 hat eine junge Ehefrau zu wenig Geld, um ihrem Mann ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Also beschließt sie, ihr schönes, bis in die Kniekehlen herabfallendes Haar abschneiden zu lassen und es zu verkaufen, um Jim eine Platinkette für seine Taschenuhr schenken zu können. Am Heiligen Abend jedoch überreicht dieser ihr genau das kostbare Set aus Kämmen, das sie sich immer gewünscht hatte. Für dieses Geschenk hatte er seine Taschenuhr versetzt.

2. Hemingway: Cat in the Rain

In Cat in the Rain von 1925 wohnt ein amerikanisches Paar in einem italienischen Strandhotel. Es regnet. Die Stimmung an der Strandpromenade ist trübe. Die junge Frau sieht unter einem vom Regen triefenden Tisch eine Katze, die sie gerne heraufholen möchte. Der Mann sitzt auf dem Bett und liest. Der ältere Hotelbesitzer schickt eine Angestellte mit einem Schirm mit, damit die Frau nicht nass wird. Die Katze ist aber verschwunden. Wieder im Zimmer, äußert die Frau ihren Wunsch, ihre jungenhafte Frisur zu ändern, ein Plan, der beim Partner auf keine Gegenliebe stößt. Es klopft. Mit Grüßen vom Besitzer bringt das Zimmermädchen der Frau eine Katze.

Beide Geschichten sind knapp und ohne Umschweife erzählt. Beide haben am Ende eine Art Pointe, die etwas über die Beziehung zwischen Menschen aussagt. In beiden treten wenige Personen auf, es gibt keine Entwicklung der Charaktere - wir bekommen die slice of life.

Aber es gibt wesentliche Unterschiede: Die ältere Kurzgeschichte lebt noch von einer herkömmlichen, verzweigten Handlung (plot); sich symmetrisch überschneidende Aktionen beider Partner führen zu einer Schlusspointe im traditionellen Sinne. Eigentlicher Gehalt aber ist die dahinter liegende Aussage: nämlich die einer plastischen Darstellung reiner Liebe unter den ärmlichsten Verhältnissen, das Lob der Hingabe und des Opfers für den Anderen in einer Welt voller Tücken.

Die neuere Kurzgeschichte hat keinen plot im engeren Sinne. Die fast banale Handlung gibt ihren Gehalt auf zwei Ebenen frei: einmal in der Schilderung der trüben, kalten Atmosphäre am sonst sonnigen italienischen Strand, zum anderen im Umgang der Partner miteinander, das von höflicher Gleichgültigkeit gekennzeichnet ist. Der Wunsch nach der Katze bedeutet Sehnsucht nach Liebe, die Katze im Regen ist ein Symbol für die sich einsam fühlende amerikanische Frau.

Eine Interpretation kann nie ganz vollständig sein, denn immer schwingen noch Zwischentöne mit, die schwer zu fassen sind. Immer muss der Leser aktiv bei der Erschließung mitarbeiten, genießt dafür aber auch einen gewissen Freiraum bei der Deutung eines Werkes.

Neueste Entwicklungen

Neuere Kurzgeschichten gehen in verschiedene Richtungen. Das Phantastische und das Absurde hat die Short Story erreicht. Wesentlich ist diese Form auch im Genre des Science Fiction (Aldiss, Pohl, Clarke, Asimov, Bradbury) geworden.

Den vielleicht wichtigsten konzeptionellen Ansatz habe ich im Text mal kenntlich gemacht.
Ich denke, das reicht erst einmal als Theoriefutter

Den Bukowski hat man dabei leider vergessen.crying



Um das mal auf Sevac zu übertragen, wo ja eigentlich sehr viele Geschichten der Definition nach Kurzgeschichten sind, könnte man sich auf eine Zeichenbegrenzung festlegen, die bei einer definierten Zeichengröße z.B. nicht mehr als eine Seite pro Geschichte ergeben. Ein weiteres Beispiel neben "Blumenzwiebel" wären die Kurzgeschichten von Dark Angel, zusammengefasst in einem Upload:
Link geht nur, wenn im Board eingeloggt




LG

Serenity

Zum Thema "Kurzgeschichten schreiben" stehen ja schon im Bereich "Autorentalk" ein paar Hinweise.
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