24.7.05, 16:25 Uhr | |
SabineR Beiträge: 13/48 dabei seit: Jun '03 | In Deutschland gibt es nicht zu wenig Arbeit. Es gäbe sogar genügend Arbeit für bis zu 3 Millionen Menschen wenn es hoch käme. Es gibt aber einen Grund warum es diese Arbeitsplätze nicht gibt. Sie sind zu teuer. Wäre die Arbeit günstiger, gäbe es mehr Arbeitsplätze. Stichwort 1€ Jobs. - Im Prinzip ist es schon richtig, dass es einen Niedriglohnsektor gibt. Es muss ihn geben. Jedoch ist das ganze nicht richtig durchdacht. Das Problem Deutschlands ist, dass die Menschen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erhalten, wenn sie nicht arbeiten gehen. Der deutsche Staat baut sich als Konkurrent zur Wirtschaft auf. Im Klartext heißt dies: Ein Arbeitsloser wird nur dann arbeiten gehen, wenn er mehr verdient als dass der Staat ihm gibt für´s nicht arbeiten. Man muss sich das mal klarmachen. Der Staat belohnt Menschen dafür, dass sie nicht arbeiten. Und der Staat trägt durch diese einst erdachte soziale Maßnahme dazu bei, dass Menschen auch keine Arbeit finden, weil die Unternehmen den geringqualifizierten Arbeitslosen (die den größten Anteil der Arbeitslosen ausmachen) mehr Geld pro Stunde geben müssten als der Staat ihnen gibt. Warum aber sollten Unternehmen das tun, wenn sie ebenso gut geringqualifizierte Arbeitnehmer im Ausland finden können, die für weitaus weniger Geld bereit sind, zu arbeiten ? Das tut doch kein Unternehmer. Ich täte es auch nicht. Man möchte ja, dass es seinem Unternehmen so gut wie nur möglich geht. Was kann man tun ? Man kann/muss den geringqualifizierten Niedriglohnarbeiten anbieten. Die Menschen gehen dann eben für einen Hungerlohn arbeiten. Gleichzeitig muss der Staat aufhören die gesunden und arbeitsfähigen Arbeitslosen zu subventionieren. Dieses Beispiel kommt aus den USA. Dort gibt es eine negative Einkommenssteuer. Die USA hat Heute die working pour kann man kritisieren. Die Alternative war, sie hatten 10, 20, sogar 30 Millionen Arbeitslose, die eine unglaubliche Belastung für das Land darstellten und eine ungeheure psychische Belastung für jeden einzelnen war. Die USA bekämpfte die Massenarbeitslosigkeit, dafür gibt es Heute die working pour. Aber es gibt bei weitem nicht so viele working pour wie es Massenarbeitslose vor einigen Jahrzehnten gab. Das sehe ich als positive Entwicklung. Perfekt wird vielleicht sowieso nie etwas sein. Die USA handhabt es so, dass die Geringqualifizierten im Niedriglohnsektor ihre Tätigkeiten verrichten wodurch sie zur Wertsteigerung beitragen und das Bruttosozialprodukt anheben. Gleichzeitig werden diese Menschen vom Staat bezuschusst als Belohnung, weil sie arbeiten gehen. Sie erhalten das Geld also nicht für´s zu Hause bleiben sondern der Staat gibt ihnen als Dankeschön zu ihrem Niedriglohn Einkommen einen Zuschuss damit das Existenzminimum auf jeden Fall eingeholten wird. Und genau das ist die Idee vom Ifo Präsident Hans-Werner Sinn für Deutschland. Die Deutschen haben sich ja früher auch gegenseitig die Leistung angeboten. Gartenarbeiten, Putzarbeiten etc. Heute geschieht das deswegen nicht mehr im großen Ausmaß wie früher, weil sich die Deutschen gegenseitig zu teuer geworden sind. Also muss Deutschland einen Niedriglohnsektor für gesunde, arbeitsfähige Geringqualifizierte einführen. Die nichtarbeitsfähigen werden vom Staat weiterhin unterstützt. Da wird nicht dran gerührt. Die Geringqualifizierten werden dann von Zeitarbeitsfirmen vermittelt für gewisse Tätigkeiten. Es werden dann also die verschiedensten Jobs von Unternehmen angeboten werden, so wie man in Supermärkten oft diese Spickzettel sieht: Ich suche oder ich biete an. Die Geringqualifizierten müssen dann eine Tätigkeit annehmen und das Ergebnis wird sein, dass die Unternehmen sich gegenseitig so hochschaukeln werden, dass es ja gar nicht nur bei 1€ die Stunde bleiben muss. Es können ja auch 2€ oder 3€ sein. Und zusätzlich zu diesem Niedriglohn, gibt der Staat diesen Menschen einen Zuschuss als Dankeschön für´s arbeiten und hebt deren Einkommen nach oben. Heute subventioniert der Staat die Arbeitslosen zu 100%. Wenn die gesunden geringqualifizierten davon in Niedriglohnsektoren kommen, bezuschusst er sie nicht mehr zu 100%. Diese Geringqualifizierten tun sich selbst etwas gutes indem sie unter Menschen sind und arbeiten. Sie sind ein Teil der Gesellschaft, heben ihr Selbstbewusstsein an, haben eine Perspektive, und tragen zur Steigerung des Bruttosozialproduktes bei. Das ist doch auf alle Fälle besser als wenn sie weiterhin zu Hause schmorren, nicht eingestellt werden weil sie die Wahl haben zwischen dem Geld des Staates und dem Geld des Arbeitgebers. Es ist sogar sehr gut möglich, ich glaube, das wäre fast sicher, dass diese Niedrigqualifizierten dadurch, dass sie ihr eigenes niedriggehalt verdienen plus dem zuschuss des staates, insgesamt einen erhöhteren lebensstandart haben als zuvor als sie nur vom staatsgeld lebten. So jedenfalls kann man die arbeitslosenzahl verringern. man muss bedenken, dass die geringqualifizierten dann etwas mehr geld haben und dieses für den konsum ausgeben werden, wodurch die wirtschaft angekurbelt wird, es entstehen weitere arbeitsplätze etc. Unabdingbar ist, dass der Staat aufhören muss, sich als Konkurrent zur Wirtschaft aufzubauen. Des weiteren ist die Globalisierung etwas schönes. Der weltweite Wohlstand verbreitet sich. Einstmals arme Länder werden reich. Das ist eine schöne Entwicklung. Aber es gibt leider auch Probleme... Deutschland mit seinen hohen Löhnen befindet sich im selben Markt wie Polen und Tschechien, wo die Menschen nur 1/7 verdienen. In China verdienen die Menschen nur 1/23. Das heißt, die Chinesen sind für die selbe Arbeit die man in Deutschland verrichten kann, 23 mal billiger für Unternehmer. Und die Polen sind 7 mal günstiger. Somit können Arbeitsplätze verlagert werden. Warum sollte man die selbe Tätigkeit von Menschen verrichten lassen, die teurer sind ? Da fehlt doch die Logik. Globalisierung ist ein Angleichunsprozess. Unsere Löhne gehen etwas runter, deren Löhne gehen etwas rauf. Ob die Lücke je geschlossen werden kann ist fraglich aber betrachten wir die empirischen Tatsachen. Westeuropa hat 60 Jahre gebraucht um seinen Wohlstand aufzubauen. Japan brauchte 35 Jahre. Man kann also sagen, dass im günstigstem Falle 1 Generation von Polen und den Oststaaten gebraucht wird, damit unsere und deren Löhne ungefähr gleich sein werden. Das heißt, die kommenden Jahrzehnte sind schwierige Übergangsphasen hin zu einer Welt des Wohlstandes und des Fortschritts. Da müssen wir durch oder wir gehen unter. Es gibt 2 Alternativen: Wir tun so als wären die Chinesen nicht da und bleiben auf unseren hohen Löhnen sitzen. Die Folge wird die Arbeitsverlagerung sein. Wann können wir uns höhere Löhne erlauben ? Wenn wir besser sind. Wir können nur umso viel teurer sein wie wir besser sind. Sind unsere Produktionsgüter 7 mal besser als jene der Chinesen, dann dürfen unsere Löhne 7 mal teurer sien. Die Unternehmen werden es gerne zahlen. Qualität hat seinen Preis. Sind wir aber nur 5 mal so gut wie die Polen, müssen unsere Löhne etwas runter. Deutschland ist Exportweltmeister, weil wir so gute Produkte herstellen aber der Rest der Welt schläft nicht. Es geht nicht darum entweder auf unseren hohen Löhnen sitzen zu bleiben oder auf ein Armutsniveau zu fallen. Beides wäre falsch. Es geht darum, differenziert fein auszutarieren wo man die Löhne etwas senken muss und wo man sie vielleicht sogar anheben kann. Das hängt aber davon ab wie unsere Produktion ist. Um mehr produzieren zu können müssen wir also länger arbeiten. 4 Stunden in der Woche wären ausreichend. Früher gab es auch die 42 Stundenwoche. Noch früher war es noch länger. Es geht also. Wir treiben durch eine längere Arbeitszeit die Lohnstückkosten nämlich nach unten. Unsere produkte werden somit etwas günstiger und es werden weltweit etwas mehr davon verkauft werden können. Deutschland war ein Globalisierungsgewinner der ersten Stunde nach de Krieg. Jetzt wolen auch andere Länder Wohlstand. Die ganze Welt will dorthin wo Deutschland ist und sie wollen noch weiter. Bis die ganze Welt auf ungefähr gleichem Mindestniveau sein wird, dauert es noch etwas und diese Zeit ist eine schwierige Zeit. Es gibt aber nur die Alternative unterzugehen, immer mehr Arbeitslose zu haben oder sich dem Wettbewerb zu stellen und versuchen, das beste zu machen was man tun kann. Und die liberalen Länder wie England, USA oder auch andere kommen mit der Globalisierung besser zurecht als Länder wie Deutschland, Frankreich doer Italien, die versuchen, den Staat regulieren zu lassen. Dass der Sozialstaat entstand ist ja nichts böses. Das hatte schon seine Richtigkeit. Den Menschen, die Hilfe brauchen, zu helfen. Es braucht aber nicht jeder Arbeitslsoe Hilfe. 20% davon sind gesund und arbeitsfähig. Sie sind nur zu teuer und entscheiden sich auch eher für das Staatsgeld, weil sie nicht arbeiten gehen, wenn es dazu führt, dass sie weniger verdienen als der Staat ihnen gibt. Wir können die Probleme nicht alle auf einmal wegschnipsen aber wenn wir das machen, was Hans-Werner Sinn sagt, dann kommen wir in eine Aufwärtsspirale wo das eine das andere ergeben wird. Denen die wirklich Hilfe brauchen, muss der Staat weitehrin helfen. Doch das ist ja das heutige Problem. Er spielt Mutter Theresa für alle und nicht nur für die absolut Bedürftigen. Lest euch mal Sinn´s Bücher durch. Er war Gestern Abend im Kamingespräch auf Phönix bei Hans-Peter Siegloch und hat seine Ideen erläutert. |
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24.7.05, 16:41 Uhr | |
SabineR Beiträge: 13/48 dabei seit: Jun '03 | Noch etwas... Es heißt: Unternehmen würden so viel Gewinn machen aber die Löhne steigen nicht. Nunja, wenn man die Löhne anheben würde, dann könnte sich das Unternehmen gleich überlegen in´s Ausland zu gehen wo die Menschen weniger verlangen. Außerdem kann man ja nur umso viel teurer sein wie man besser ist. Ist die Produktion nun 7 mal besser, das Unternehmen hebt aber den Lohn gleich um das 4fache an, dann stimmt die Rechnung von besser und teurer nicht mehr. Das wäre unfair gegenüber den Spielregeln des Marktes, wenn von außen ein Bundeskanzler den Unternehmen befielt, mehr Lohn zu erteilen. Dann werden sich die Unternehmen überlegen das Land zu verlassen. Debatten über mehr Lohn kann man anstoßen, das schon aber man kann niemanden zwingen. Außerdem kann man schon gar nicht pauschal drüberwalzen. |
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24.7.05, 17:03 Uhr | |
-Serenity- | Jacqueliner: Aha ... ... und ich glaube daran, dass Weihnachtsmann und Osterhase bald heiraten. (Dann könnte man vielleicht noch Feiertage einsparen) Ich wäre durchaus bereit, nur für 1/23 meines Lohnes zu arbeiten, vorausgesetzt, das Preisniveau würde sich im gleichen Maße verringern. Wo wäre also das Problem? Oder ... ... machen wir doch einfach ein bisschen Krieg, verringern die Anzahl der Arbeitsuchenden. Danach kann man doch locker wieder ein Wirtschaftswunder erleben ... ... oder vielleicht auch nicht ... Ich lege mir für jeden Fall schon mal ein paar Bretter für eine passable Slumbaracke weg Serenity *kennt ein paar Hartz4-Urlauber und ist richtig neidisch darauf, wie gut die es sich gehen lassen* |
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24.7.05, 17:33 Uhr | |
zerozero |
Nur so am Rande, damit wäre die letzte Handlungsunfähige Regierung die kaiserliche Regierung unter dem Reichskanzler Max von Baden (ganz genau genommen sogar Bethmann-Hollweg) gewesen. Und das war, als Deutschland gerade einsehen musste, dass dieser Krieg wohl nicht mehr zu gewinnen ist. Und jetzt zum Thema: Es spricht einiges dafür, dass diese Wahlen doch etwas besonderes werden könnten. Ich, der ich die Ehre habe, mir beruflich wirklich jede Einzelne Sprechblase, die derzeit so rausgehauen wird, anzuhören und zu analysieren, möchte hier mal über ein kleines Randphänomen berichten, wovon noch viele Leute hören könnten. In meinem eigenen Wahlkreis (es ist die 205) passiert nämlich derzeit folgendes: Ein 21 jähriger Student tritt als parteiloser Kandidat um das Direktmandat an. Er hat sich sein eigenes Team von befreundeten Studenten gebaut und es so in rekordverdächtigem Tempo geschafft, die nötigen 200 Unterschriften für dieses Vorhaben vorzulegen. Nun könnte man denken, gut, da versucht es ein Jüngelchen mal und wird bei 3 Prozent enden, wenn er Glück hat. Der Gesamtetat des Kandidaten beträgt für den gesamten Wahlkampf stolze 500 Euro. Und jetzt das wirkliche Verblüffende: Gestern kamen die Zahlen für diesen Wahlkreis und er führt tatsächlich mit 8 Prozent vor dem CDU Kandidaten und mit stolzen 12 Prozent vor dem Verteidiger von der SPD. Ich habe das Programm gelesen und es enthält einige spannende Aspekte, die gut durchdacht scheinen. Als ich ihn gebeten habe, mir eine Homepage Adresse auszuhändigen, schaute er mich, verzog mühsam die Augen und sagte: So oft, wie ich jetzt darauf angesprochen werde, müsste ich eigentlich eine haben. Fakt ist, ich habe keine, ich habe nicht mal ein Auto. Wir haben den ganzen Wahlkampf damit begonen, dass wir auf dem Marktplatz Flyer und Programme verteilt haben und natürlich die Unterschriften gesammelt haben und auf einmal interessiert sich jeder für uns. Daher werden wir versuchen, schnellstmöglich eine Homepage zu erstellen. Das was er sagt, ist nur die halbe Wahrheit, er hat die Unterstützung der wichtigsten Professoren der Universität und das hilft natürlich. Außerdem profitiert er davon, dass der SPD Kandidat extrem amtsmüde ist und er so die Stimmen aufsammeln kann, die nicht zur CDU wollen und lieber einem 21 Jährigen die Chance geben. Warum erzähle ich den ganzen Kram? Weil ich es a) sehr lobenswerte fände, wenn von nun an alle Politiker mit 500 Euro Gesamtetat auskämen, die um das Direktmandat kämpfen, b) ich es gut finde, Wahlkampf zu machen, indem man nur sein Programm verteilt, c) sollte er gewinnen, dass so wunderbar die Krise dieses Systems ausdrückt und d) diese eine Stimme wirklich extrem wichtig werden könnte. Denn es ist so, sollte ein unabhängiger Kandidat das Direktmandat gewinnen, wäre der Vorsprung in Sitzen gemessen von schwarz/gelb noch einer. Legt die Linkspartei noch einen Sitz zu, wars das für die FDP. Und zu Oskar Lafontaine: Schaut euch einmal seine Villa an, sprecht mit den Putzfrauen, die er dieses Jahr verschließen hat und fragt mal sein Ältesten, was für ein toller Vater der Oskar ist. Das ist populistisch, ich weiß, aber man sollte den Chrakter von Lafontaine schon ganz genau einschätzen. Und wem das zu populistisch ist, sei hier folgendes berichtet: Bekanntlich waren ja im letzten Jahr im Saarland die Landtagswahlen, welche die CDU mit absoluter Mehrheit beendete. OL hatte sich ja, großzügig, wie er nunmal ist, angeboten, der Saar SPD mal unter die Arme zu greifen, fest davon ausgehend, Spitzenkandidat zu werden. Nachdem sich aber Maas durchgesetzt hatte, hatte OL auf einmal terminliche Probleme und es nur noch geschafft, 5 Wahlkampftermine wahr zunehmen. Wenn es interessiert, man hat in einem Monat Wahlkampf als Spitzenpolitiker ca. 50 Termine. Wäre es ihm wirklich darum gegangen, etwas zu verändern, hätte er die WASG Rebellenbewegung in der SPD geführt und so in eienr Regierungspartei die Chance gehabt, etwas zu verändern, statt dessen hat er sich an die Chance einer reinen Oppurtinistenpartei gesetzt und polemisiert. Übrigens, nur so als Randnotiz, es wird ja viel über seinen verbalen Ausfall mit der Bezeichnung Fremdarbeiter geredet. Seine Rechtfertigung dafür war, dass dieser Begriff nicht als bergriff des 3. Reiches im Wörterbuch gekennzeichnet sei. Prüft das mal nach: meine Empfehlungen, der online Duden oder www.wissen.de. Ein überraschendes Ergebnis |
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24.7.05, 19:19 Uhr | |
KoshvonThar | zerozero: Heißt das jetzt, dass ich mich historisch vertan hab, oder nicht? Ich bin da nämlich nicht mehr so auf dem Laufenden. Also, wenn du es besser weißt, dann korrigier mich bitte. Ich wollte nur darstellen, wie schlimm Handlungsunfähigkeit ist. -Artex- |
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24.7.05, 19:21 Uhr | |
KoshvonThar | -Serenity-:Jacqueliner: Hm... ich bin zwar auch nicht bedingungslos der Meinung von Jacqueline, aber wirkliche Gegenargumente hast du jetzt auch nicht gebracht.... -Artex- |
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24.7.05, 19:27 Uhr | |
Why-Not | Etwas Polemik, zur Abwechslung:zerozero: Und zu Oskar Lafontaine: [...] Eine Befragung Schröders Ex-Frauen dürfte auch kein so tolles Bild ergeben. Ich weiß nicht, ob es bei Frau Merkel jemand gäbe, den man befragen könnte. (Kann ich mir nicht vorstellen.) In Stoibers Umgebung gibt es wohl ohnehin niemanden mehr mit einer eigenen Meinung. Wenn man sicherstellen könnte, daß nur glaubhafte, verantwortungsvolle Politiker in den Bundestag kämen, hätten wir dort gähnende Leere. Für die verbleibenden Politiker bräuchte man keinen Bundestag. Da würde wohl das Hinterzimmer einer berliner Kneipe reichen. Aber, daß es jemand - egal, ob er nun Oskar heißt - schaffen könnte, die schrödersche SPD von "unten" aufzurollen, kann ich mir höchstens nach ein paar Jahren Opposition vorstellen. Es geht - wie bei so ziemlich jeder Bundestagswahl - um das Wählen des kleinsten Übels. Daher freue ich mich ganz ideologiefrei über die "Neue Linkspartei", da sie sich verglichen mit den restlichen Parteien für mich als etwas kleineres Übel darstellt. Jedenfalls ermöglicht mit das, meiner demokratischen Verantwortung gerecht zu werden und an der Wahl teilzunehmen. Why-Not |
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24.7.05, 19:29 Uhr | |
zerozero | KoshvonThar: Ich weiß nicht, ob du dich historisch vertan hast, weil ich nicht weiß, was du sagen wolltest, bzw. welche Epoche du meintest. Aber, ich denke in der Weimarer Republik gab es 18 Regierungen bei ganzen 14 Jahren Existenz. Dort gab es einige Handlunsgunfähige Regierung und die wirklich letzte Handlungsunfähige Regierung war sicherlich die Regierung Schmidt 1982. Zero |
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24.7.05, 19:39 Uhr | |
-Serenity- | KoshvonThar: Nimm es so, wie es ist - Polemik - Was ich mir wünsche, ist nicht realisierbar, nicht mit den real existierenden Politikern. Serenity |
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24.7.05, 20:12 Uhr | |
KoshvonThar | Jacqueline: Das ist zwar richtig, liegt aber mitnichten nur an den Löhnen. Wenn ich mir mal folgendes überlege: Als ich Zivi war, wurde ich nach meiner Zeit noch drei Monate eingestellt, weil mein Nachfolger erst dann antrat. Für eine Arbeit, für die ich zuvor 500€ bekommen hatte und für die ich im freien Markt kein 150€ kriegen würde, haben die mir einen Vertrag mit 1000€ gegeben. Das mussten die tun, weil das der Tarifvertrag für Krankenhäuser so vorsieht. Bezahlt haben die aber knapp 2000€, weil ja Sozialabgaben und Co. nochmal dasselbe kosten. Für einen blöden Zivi hatten die Jungs für einen Zeitraum von drei Monaten einen Kostenzuwachs von 1500€! Es mag ja sein, dass wir in Deutshcland gut verdienen. Aber die Lohnnebenkosten spielen beim Thema Arbeit eine genauso große Rolle, wie die reinen Lohnkosten. Und die liegen im Verantwortungsbereich der Politik.
Auch das möchte ich in Frage stellen. Zunächst einmal halte ich es für unheimlich problematisch, einen Menschen nur durch sein Gehalt zu definieren. Geld treibt uns an, richtig. Aber eben nicht nur. Das ist nämlich, wie ich finde, ein großes Problem unserer Regierungen (Plural, weil die Oppistion genauso denkt). Wir glauben, wenn wir genug Geld für genug Jobs haben, gehen die Leute arbeiten. Wir glauben, wenn die Leute genug Ausbildungsplätze haben, werden sie auch ausgebildet. Mal abgsehen davon, dass viele 16jährige heute schon schlicht zu blöd für eine Ausbildung sind, tun wir hier so, als sei das alles frei auswechselbar. Wie ein Kollege von mir mal sagte:"Welche Betriebe bieten denn Jobs an und finden trotzdem keine? Bäckereien (4 Uhr früh aufstehen), Schlachter (eklige Arbeit), Fliesenleger(12 auf den Knien) etc. etc." Die Menschen WOLLEN teilweise die Jobs gar nicht. Und ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Warum sollte ein Mensch mit einem Talent für Zahlen und Tabellen eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen? Warum sollte jemand mit einem Talent für Menschen, Zuhören mit einem Sinn für Ästhetik (der geborene Friseur) eine Ausbildung zum Fleischer machen, oder zum Sachbearbeiter beim Finanzamt? Ich behaupte, dass unser System nur deswegen vor 20/30 Jahren funktioniert hat, weil es da so viele Arbeitsplätze gab, dass auch immer welche für jeden dabei waren. Das ist jetzt anders.
Ich stimme dir zu, dass das geitige Niveau unserer Schüler zurückgeht. Aber woher nimmst du das Wissen, dass so gut wie alle Arbeitslosen geringqualifiziert sind? Denn wenn es gar nicht so viele sind, dann fällt diese Maßnahme kaum ins Gewicht, oder?
Das tun sie schon. Gut, wir können uns immer noch Fernseher leisten. Aber die Leute leben bereits mit 500€ im Monat. Das reicht für mich gerade mal zum Leben. Und ich bin Student. Für neue Klamotten und Bücher etc geh ich arbeiten. Kürz den Leuten noch mehr das Gehalt und sie wissen nicht mehr, wovon sie leben sollen. Im übrigen fehlt bei deiner Überlegung die urdeutsche Überzeugung, dass der Staat dem helfen sollte, der schon gearbeitet hat. Für die, die noch nix getan haben, mag das ja klappen, aber was machst du mit denen, die und jetzt Achtung: OHNE EIGENES VERSCHULDEN arbeitslos geworden sind? Die haben 20 Jahre in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt und nu? Oder willst du diese Versicherung auch abschaffen? Das ist natürlich möglich, das würde die Nebenkosten auch senken und jeder müsste selbst vorsorgen. Aber als gerecht wird das nicht empfunden.
Ich habe generell ein Problem, Beispiele aus Ländern zu Rate zu ziehen in denen Diktatoren herrschen. Aber gerade die USA sollte auch sonst ernsthaft nicht unser Vorbild sein. Dort ist es ja eben nicht besser. Wenn du in den USA arbeitslos wirst, bist du fertig mit der Welt. Eben weil dort ein Mensch fast ausschließlich durch seinen Job, seinen Erfolg, sein Geld definiert wird, ist jemand, der längere Zeit arbeitslos ist, dort nichts mehr wert. Und wenn du da erstmal zu den Armen gehörst, kommst du nicht mehr so schnell wieder rauf. Stürz da mal ab. Mach einen Fehler und du siehst, wo du landest. Mag ja sein, dass du in so einer Gesellschaft leben willst... ich nicht.
Was soll denn das sein? Ich wüsste nicht, dass die USA ihren Bürgern Geld gibt. Denn das heißt doch wohl der Ausdruck "negatives Einkommen" oder? Und im letzten Spiegel, den ich gelesen habe gab es ein Interview mit dem ehemaligen Finanzminister der USA. Der sagte, die Steuersätze seien dort so, wie bei uns....
Das ist heute im Übrigen nicht anders. Die USA haben immernoch so viele Arbeitslose. Nur ist deren Prozentzahl natürlich anders, weil die eine größere Bevölkerung haben. Im übrigen weiß ich nicht, ob der Tausch so gut war. Die Armen, die dort leben haben a) das Phänomen der Slums hervorgebracht und b)leben diese Menschen an der Armustsgrenze. Wie war das noch? Den Wert einer Gesellschaft misst man daran, wie sie mit ihren Schwächsten Mitgliedern umgeht?
Pessimistische Weltsicht. Ich behaupte mal, dass uns das nicht voran bringt. Wenn wir so denken, geben wir uns zu schnell mit einer Welt wie der in den Staaten zufrieden.
Das allerdings halte ich für eine extrem gute Idee. Bisher wird ja ein Bedarfssatz festgelegt, der nicht überschritten werden darf. Wer also arbeitet, bekommt den Rest zu diesem Satz dazu. Klingt ganz gut, aber es spornt niemanden an, mehr zu tun. Man kommt über diesen Satz eh nicht raus. Und wenn doch, dann trifft einen wieder die volle Wucht von Stuern etc.
Ich würde mich dieser Wellentheorie auch anschließen. Aber ich wüsste gern, ob die von einem VWLer mal bestätigt werden könnte. Wenn diese Theorie richtig ist, dann hat China in knapp 40 Jahren dieselben Löhne wie wir. Der Vorteil der Billiglohnländer fällt dann weg. Wenn wir bis dahin kein Billiglohnland geworden sind, was Gott sei Dank recht unwahrscheinlich ist, dann sind wir in der Tat nur in einer schweren Übergangsphase. Die jedoch stellt Fehler unseres Systems heraus und könnte recht reinigend sein.
Jetzt zu sagen, es sei falsch, einer einzigen Idee nachzuhängen, wäre wenig hilfreich. Die Überzeugung, dass es eine Patentlösung nicht gibt, macht uns ja so bewegungsunfähig. Aber ich könnte wetten, dass es mindestens drei Professoren allein an der Uni Münster gibt, die Herrn Siegloch widerlegen könnten. -Artex- |
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24.7.05, 20:13 Uhr | |
KoshvonThar | zerozero:KoshvonThar: Gut, ich werde mich bei solchen Sachen jetzt raushalten, solange ich kein Geschichtsbuch neben mir liegen habe. |
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24.7.05, 20:21 Uhr | |
KoshvonThar | Eins noch zur Arbeitsdebatte: Es gibt durchaus die Auffassung (schreibt man das jetzt so?), dass, egal wieviel wir den Arbeitsmarkt reformieren, es in Zukunft gar nicht mehr genug Arbeit geben wird. Das liegt stumpf an der Entwicklung. Wir ersetzen uns durchaus selber. Wenn man sich allein einmal vorstellt, wie viele Menschen mal in Autofabriken gearbeitet haben. Die moderne Technik, die uns arbeiten abnimmt (die wir auch eh nicht mehr machen wollen), ersetzt uns. Ganz langsam. Das ist gut für die Gesellschaft. Sie hat mehr Zeit sich zu entwickeln, ist nicht mehr so stark mit dem Lebenserhalt beschäftigt. Aber gibt's fürs Denken Geld? Eben. Selten... -Artex, der sich mit seinen Beiträgen jetzt ganz geschickt ums Lesen für seine HA gedrückt hat- |
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24.7.05, 20:41 Uhr | |
SabineR Beiträge: 13/48 dabei seit: Jun '03 | Ích habe hier ein Interview mit dem professor Hans-Werner Sinn: 30. Mai 2005 Der Ökonom Hans-Werner Sinn über die Vorteile der Neuwahlen, Arbeit für Frührentner und die krankhaften Exporterfolge Herr Sinn, wird unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel alles besser? Ich bin kein Hellseher. Haben Sie wenigstens die Hoffnung? Das CDU-Parteiprogramm beinhaltet Vorschläge, die sich mit meinen decken. Dagegen kann ich nicht sein. Gut ist, daß es Neuwahlen in diesem Jahr gibt. Warum? Entweder gewinnt Gerhard Schröder, dann ist seine Reformpolitik bestätigt, die Reformen gehen weiter. Oder Angela Merkel wird gewählt. Dann wird auch sie die Reformen fortsetzen. Ohne die vorgezogene Wahl hätte sich innerhalb und außerhalb der SPD eine linke Alternative formieren können, die die Reformen gebremst hätte. Wie bekommt eine neue Regierung die Arbeitslosigkeit weg? Sie muß die Finanzierung von Langzeitarbeitslosen, sprich das Arbeitslosengeld II, grundlegend verändern. Kern dieser Reform: Wer nicht arbeitet, bekommt ein Drittel weniger Geld als bisher. Wer dagegen einen Job annimmt, darf zu seinem Arbeitslosengeld II ohne Abzüge 500 Euro dazuverdienen. Außerdem bietet der Staat denen, die arbeiten wollen, aber nichts finden, kommunale Leiharbeitsjobs an, die in Höhe der heutigen Sozialhilfe entlohnt werden. Die Leiharbeitnehmer werden an die Wirtschaft verliehen. Um wieviel wird die Arbeitslosigkeit dadurch geringer? Um gut zwei Millionen. Es ist sogar annähernd Vollbeschäftigung möglich, wenn wir Öffnungsklauseln bei Tarifverträgen durchsetzen, das Entsendegesetz und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen abschaffen und freie Vereinbarungen zum Kündigungsschutz erlauben. Und: Frührentner sollten die Möglichkeit bekommen, ohne Abzüge dazuzuverdienen. Vollbeschäftigung? Das klingt unglaublich. Deutschland ist Weltmeister in der Arbeitslosigkeit gering Qualifizierter. Außerdem haben wir ein zu niedriges Beschäftigungsniveau bei den Älteren. Diese Probleme bekommt man in den Griff, wenn die Arbeitslosen es sich leisten können, ihre Arbeitskraft für einen geringen Lohn anzubieten. Das können sie, wenn sie als Zusatzeinkommen eine Sozialleistung vom Staat bekommen. Eine Senkung von Löhnen für einfache Arbeit und ältere Arbeitnehmer hätte zur Folge, daß viele neue Stellen entstehen. Subventionierte Stellen. Es ist besser, die Arbeit statt der Nichtarbeit zu subventionieren. Heute leben 41 Prozent der erwachsenen Deutschen von staatlichen Sozialtransfers: die meisten Leute, ohne zu arbeiten. Ohne Lohnsubventionen geht es nicht? Nein. Viele Leute könnten vom Lohn, zu dem es für sie Beschäftigung gäbe, nicht leben. Deshalb muß der Sozialstaat ihnen helfen. Hilft der Staat wie heute unter der Bedingung, daß man nicht arbeitet, erzeugt er Mindestlohnansprüche, deren Konsequenz die Massenarbeitslosigkeit ist. Wie sollen die Älteren zurück auf den Arbeitsmarkt geholt werden? Bei uns sind vor allem in Großunternehmen kaum noch Arbeitnehmer anzutreffen, die älter als 55 Jahre sind. Das ist ein Unding. Ältere werden ausgemustert, weil unser Tarifsystem nicht zuläßt, daß die Löhne im Alter, wenn die Leistungsfähigkeit nachläßt, sinken. Wir sollten Menschen weiter die Möglichkeit geben, in die Frührente zu gehen. Doch sollten die Leistungen reduziert werden, und zum Ausgleich sollte die Möglichkeit eröffnet werden, weiter zu arbeiten, wenn das alte Arbeitsverhältnis beendet und ein neues zu niedrigerem Lohn begründet wird. Aber nicht mehr beim alten Arbeitgeber. Doch, selbst das wäre denkbar. Der Arbeitnehmer müßte seinen alten Arbeitsvertrag auflösen und könnte dann bei niedrigerem Lohn wieder im alten Unternehmen arbeiten. Auf diese Weise würden Stellen geschaffen, und die Beschäftigung der Alten würde nicht mehr mit der Beschäftigung der Jungen rivalisieren. Sie schaffen lauter Arbeitsmärkte, die von staatlichen Transfers abhängen. Das ist besser, als immer mehr Sozialsofas aufzustellen. Arbeitslosigkeit entsteht dann, wenn der Lohn über der Leistungsfähigkeit liegt. Das Problem haben wir bei Geringqualifizierten und bei Älteren, deren Leistungsfähigkeit nachläßt. Nur in diesen beiden Segmenten sollten staatliche Transfers zur Lohnsenkung beitragen. Das kann sich unser Land leisten? Das Modell ist nicht teurer als die Finanzierung der Arbeitslosigkeit. Das Frühverrentungsprogramm kostet gar nichts, denn die Rentenabschläge für die Frühverrentung sollen versicherungsmathematisch korrekt ermittelt werden. Das bedeutet zwar viel niedrigere Frührenten; die sind aber tragbar, weil das eigene Lohneinkommen zur Frührente hinzutritt. Ist Hartz IV gescheitert? Nein! Hartz IV ist nicht gescheitert, es wirkt doch erst ein paar Monate. Es ist illusorisch, schon binnen Jahresfrist einen Durchbruch zu erwarten. Die Reformen, die Deutschland braucht, haben alle die Eigenart, daß sie in den ersten Jahren große Lasten mit sich bringen, bevor sie Früchte tragen. Also könnte eine neue Regierung Merkel von der Dynamik von Hartz IV profitieren? Nein. Soviel Dynamik wird Hartz IV dann doch nicht entfalten. Hartz IV ist sinnvoll, das Eis ist gebrochen. Nur: das Programm geht nicht weit genug. Die Reformen müssen viel tiefer greifen. Hätte Frau Merkel die Kraft dazu? Das weiß ich nicht. Ich bin kein Psychologe. Hätte Frau Merkel die Chance, die Früchte ihrer Reformen in der ersten Wahlperiode zu ernten? Nein, eine substantielle Belebung ist in der kurzen Frist nicht zu erwarten. Aber sie könnte Respekt ernten für ihren Mut, Reformen tatkräftig anzugehen. Die Deutschen sind nicht so dumm, zu glauben, eine Reform müsse sofort Ergebnisse bringen. Maggie Thatcher wurde 1983 auch wiedergewählt, obwohl der Aufschwung in England auf sich warten ließ. Ihr hat der Falkland-Krieg zur Wiederwahl geholfen. Manchmal hilft auch die Flut, manchmal andere Zufälligkeiten. Fest steht: Eine neue Regierung wird in ihrer ersten Legislaturperiode nicht vom Aufschwung profitieren, weil es Zeit braucht, bis sich die Menschen auf die neuen Anreizstrukturen einstellen. Deutschland muß sich auf eine Dursttrecke einstellen. Das ist unvermeidlich und sollte Reformern nicht zum Nachteil gereichen, weder der alten noch einer neuen Regierung. Sind die Deutschen überhaupt änderungswillig? Ja. Wir sind ja auch schon weiter als Länder wie Frankreich oder Italien, wo große Reformen noch auf sich warten lassen. Allerdings ist Deutschland auch bedrohter. Wir liegen an der Front zu den Billiglohnländern in Osteuropa und leiden stärker unter Jobverlagerungen als die meisten anderen Länder, für die die kulturelle und geographische Distanz größer ist. Die Welt ist seit dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht mehr dieselbe. Müssen die Deutschen Angst vor Globalisierung haben? Ja und Nein. Die Ausweitung des Handels hat Vorteile für alle Länder, nur profitieren nicht alle. In aller Regel gibt es Gewinne nur in dem Sinne, daß die Gewinner mehr gewinnen, als die Verlierer verlieren. Viele Arbeitnehmer haben Grund zur Angst. Sie sind Verlierer der Globalisierung, weil ihre Jobs verlagert oder ihre Löhne gesenkt werden. Welche Konsequenz müßte die Politik daraus ziehen? Bestimmt nicht die, die Globalisierung abzublocken. Das funktioniert nicht. Die Chinesen fragen nicht, ob sie sich am Welthandel beteiligen dürfen. Gesetzliche Mindestlöhne oder Entsendegesetze zur Sicherung eines Lohnniveaus machen die Lage noch schlimmer. Sie treiben Arbeitsplätze aus dem Land. Ist die Globalisierung gut für unser Land? Sicher, wir hätten unseren heutigen Wohlstand nicht ohne die Integration unserer Wirtschaft in das Welthandelssystem. Wir waren in der Nachkriegszeit und auch noch in den achtziger Jahren Globalisierungsgewinnler. Aber nun bekommen wir Probleme, weil wir mit Niedriglöhnern in Wettbewerb treten. Noch sind wir Exportweltmeister. An einem guten Exportergebnis kann man nicht ablesen, ob die Globalisierungsgewinne steigen oder fallen. Die hohen Exporte resultieren auch aus der Vernichtung der arbeitsintensiven Binnensektoren vom Bau bis zu den vorgelagerten Stufen der Industrieproduktion, die mit der überzogenen Lohnpolitik der letzten Jahrzehnte einherging. Die dort eingesetzten Menschen und das freigesetzte Kapital drängten in kapitalintensive Exportsektoren, wo die Löhne leichter abgefangen werden konnten. Zudem steckt in unseren Exportgütern sehr viel Arbeit aus Billiglohnländern. Internationale Arbeitsteilung ist doch gut, lehren die Ökonomen. Im Prinzip ja, doch wegen der hohen Löhne ist die Spezialisierung übertrieben. Als Konsequenz der Hochlohnpolitik erlebt Deutschland einen pathologischen Exportboom. Uns fehlen aufgrund der rigiden Lohnpolitik heute Industrien und Dienstleistungen, die früher üblich waren. Der Bausektor ist durch hohe Löhne zerstört worden. Feinmechanik und Textilindustrie sind verschwunden. Der Tourismus in Deutschland ist unterentwickelt, ebenso haushaltnahe Dienstleistungen. Niemand kann sie sich noch leisten. Das alles ist zu weit gegangen. Starre Gewerkschaften machen uns zu Globalisierungsverlierern? Ja, so ist es. Also weg mit der Tarifautonomie? Nein. Aber Öffnungsklauseln für Tarifverträge brauchen wir dringend. Die Flächentarifverträge geben den Gewerkschaften die Macht, viel höhere Löhne durchzusetzen als die, die ein Konkurrenzmarkt hervorbrächte. Es muß Betrieben ermöglicht werden, niedrigere Löhne zu vereinbaren, wenn die Belegschaft einverstanden ist, um so die Arbeitsplätze zu retten. Quelle: http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~E0F07F47FBBC64565A57703F2574E3761~ATpl~Ecommon~Scontent.html |
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24.7.05, 21:45 Uhr | |
Haltickling Beiträge: 4/44 dabei seit: Dez '03 | Jacqueline, die Rechnung in deinem Beitrag würde aufgehen, wenn das Gros der Arbeitslosen tatsächlich gering qualifiziert wäre. Das trifft sicherlich für viele jugendliche Arbeitslose zu, aber es gibt auch noch das Problem des Alters. Ich bin jetzt 48 Jahre alt und habe 25 Jahre sehr erfolgreich gearbeitet, die letzten 13 Jahre davon in leitenden Positionen. Nach der Pleite meines letzten Brötchengebers stand ich auf der Straße und fand trotz meiner hervorragenden Zeugnisse keinen Job mehr. Vor 5 Jahren hatte ich einen Herzinfarkt und kann daher nicht körperlich arbeiten. Die Pointe an der Geschichte: Ich gelte als überqualifiziert. Niemand stellt einen ehemaligen Häuptling als "normalen" Indianer ein. Dazu ist man mit über 40 schlichtweg zu alt für den Arbeitsmarkt. So geht es nicht nur mir, das geht fast allen älteren Arbeitslosen so. Wir müssen mit 345 € im Monat auskommen und davon auch noch jede Menge selbst bezahlen (Stichwort Gesundheitsreform). Meinen Internetzugang finanziere ich mit einem 1€ Job. Alle deine Vorschläge ignorieren etwa ein Drittel der Betroffenen. In manchen Gegenden (z.b. in den noch nicht abbezahlten Bundesländern) betrifft das sogar mehr als die Hälfte der Arbeitslosen. Zum Thema USA: Wer sich dieses Land als Wirtschaftvorbild nimmt, ignoriert Slums und Kriminalität. Der ignoriert auch, dass in USA jeder fast jeden Job machen kann: heute Hamburger braten, morgen Fliesenlegen und übermorgen Maurer. Hier in Deutschland wird Spezialisierung (=Qualifizierung) gefördert, aber Flexibilität gefordert. Das passt noch nicht zusammen... Natürlich müssen die Lohnnebenkosten runter, ebenso muss die Bürokratie entrümpelt werden. Doch solche Reformen greifen frühestens in 5 Jahren, zu spät für über die Hälfte der derzeitigen Arbeitslosen. Für die bleibt nur noch die biologische Lösung: Sozialverträgliches Frühableben. Wundert es daher jemanden, dass nicht mehr viele an die Problemlösungs-Fähigkeit der Politiker glauben? |
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24.7.05, 23:16 Uhr | |
zerozero | Why-Not: Sicherlich ist es so, dass man bei jedem Spitzenpolitiker nahe Leute befragen könnte (ich bin mir übrigens sicher, dass auch Schröders aktuelle nicht die glücklichste mehr ist), die einiges zum Charakter der Person sagen könnten. Es ist eben wahr, sie sind alle Machthungrig und nur hinter diesem Sitz im Kanzleramt her. Aber das ist es nicht. Ich finde trotzdem, das OL nicht wählbar für mich ist. Er hätte die Chance gehabt, etwas für das Land nach seinen Vorstellungen zu tun, er ist abgesprungen. Er wurde angefleht, gegen Schröder und Münte die Oppositionsbewegung zu übernehmen und es hat abgelehnt. Er hat viele Freunde, die auf ihn vertraut hatten, mit dem WASG Eintritt verraten und seine Rhetorik und seine Uneinsicht derzeit sind auch abeschreckend. Über die Problematik, dass er sich nach wie vor vom Springerverlag bezahlen lässt, obwohl er nicht mehr arbeitet, kann man auch negativ denken. Und zur PDS, denn noch ist die Linkspartei nichts anderes als die PDS tue ich mich schwer, ideologiefrei zu denken. Eine Partei, die das ganze Vermögen der SED übernommen hat (wie sie dazu gekommen sind, lässt sich in jedem Geschichtsbuch nachlesen) ohne über irgendwelche moralischen Konsequenzen nachzudenken, hat einen Makel. Die PDS ist die reichste Partei Europas und finaziert großzügigerweise den WASG Wahlkampf (was ich wiederum als Legitim empfinde) im Westen. Die Friedenspartei hat die meisten Generäle in ihren Reihen (nicht nur im Verhältnis, auch absolut) und die gesamte Führungclique war auch schon in der SED Mitglied ( zu 90% auch schon in Funktion). Und damit ich jetzt nicht in falsches Fahrwasser gerate: Natürlich ist eine Stimme für die Linkspartei.PDS unendlich viel mal besser, als für die braunen Gangster, aber ich warte immer noch auf Gegenvorschläge und neue Politikansätze der PDS. Denn, ein Zitat vom Vorsitzenden Bisky in Unter den Linden auf die Frage, was die PDS in regierungsverantwortung tun würde: "Wir kommen nicht in die Regierung. Wir werden eine unbequeme Oppositionspartei sein." Wem das genug ist, bitte. |
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25.7.05, 01:00 Uhr | |
KoshvonThar | Jacqueline: Das ist EXAKT das, was ich meinte. Vielleicht hab ich mich unklar ausgedrückt, als ich von Kommunismus sprach. Aber was bitte ist das denn hier anderes? Wir sind schon bei 41% (!!!) derer, die Transferleistungen kriegen. Das ist, wovon ich sprach: Eben WEIL die Arbeit weniger wird, müssen wir allen eine Grundversorgung geben. Wer mehr will, soll arbeiten. Was Herr Sinn hier sagt, ist ne Vorstufe. Ich find das lustig.
Ja, da kommt, der Ökonom durch. Ich kann jemand nennen, der das Thema etwas tiefer analysiert hat: Frank Schirrmacher. Hat das Buch "Das Methusalem Komplott" geschrieben und darin eins klar gemacht: Wenn wir unsere Einstellung zu den alten nicht ändern, gehen wir kaputt. An uns selbst. Der Kapitalismus hat jedem Menschen einen Wert zugeteilt. Und er hat bestimmt, dass Menschen, die nicht mehr jung und dynamisch sind, weniger wert sind. Als Folge davon bekommt man heute, trotz Berufserfahrung und guter Qualifikation mit über 50 keinen Job mehr. Rausgedrängt und zum alten Eisen gezählt wird man sogar schon früher. Ganz toll. Ich bin dafür, dass wir länger arbeiten. Ich kenne mindestens 3 Profs unserer Fakultät, die gerne bis 80/90 gearbeitet hätten. Aber sie durften nicht. Es wollte sie keiner. Und die ganzen 60jährigen, die Herr Sinn auf den Markt werfen will, wird auch keiner wollen. Sieh es ein, oder nicht: Aber das Denken MUSS sich ändern. Sonst passiert gor nüscht. Und ich trete sehrwohl gegen das System an, wenn es mir nicht passt. Zu sagen, ich kann eh nichts ändern, ist mir zu einfach. -Artex- |
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25.7.05, 01:05 Uhr | |
KoshvonThar | Haltickling: Im Fernsehen wirken diese Dinge sehr weit weg. Ich finde es, ehrlich gesagt, erschreckend, wie viele Hartz IV auch hier in Sevac betrifft. @Jacqueline: Ohne dich selbst angreifen zu wollen, denn ich bin nur ein blöder Student, der Bafög kriegt. Aber kann es sein, dass du nie arm, nie arbeitslos, nicht alt, und nie Geringverdienerin warst? -Artex- |
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