11.11.04, 22:18 - Betreff: Ideologische Unterwanderung | |
Why-Not | Na ok, zumindest der Untertitel war wohl etwas reißerisch. Was ich mal zur Diskussion stellen möchte ist, ob sich erotische Geschichten auch eignen, um politische oder gesellschaftliche Themen mit anzusprechen. Es geht mir jetzt nicht um ein politisches Manifest, das Karl Marx einer nackten Blondine vorliest (damit es auch irgendwas mit Erotik zu tun hat), sondern um politische, wirtschaftliche oder sonstige erotikfremde Themen, die mehr oder weniger subtil in einer in erster Linie erotsch-unterhaltsamen Geschichte mit angesprochen werden. Ich habe solche Themen, die mich beschäftigen, schon gelegentlich in meine Geschichten eher unterschwellig einfließen lassen. Bei der letzten (Verenas letzer Auftrag) war es dann schon etwas deutlicher. Und es würde mich interessieren, wie ihr zu so etwas steht. Empfindet ihr es als störend, wenn in einer erotischen Geschichte auch "ernste" Themen vorkommen? Betrachtet ihr das als Bereicherung? Oder ist es euch egal? Glaubt ihr, daß man mit einer unterhaltsamen Story auch zum Nachdenken über ernsthafte Themen anregen kann? Fragen über Fragen. Ich bin gespannt auf eure Antworten. Why-Not |
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12.11.04, 01:13 Uhr | |
KoshvonThar | Why-Not: Ja, aber das ist sauschwer. Ich hab deine Geschichte noch nicht gelesen, deswegen werd ich mich dazu jetzt nicht aüßern. Aber ich kenne andere Bereiche Science-Fiction, Fantasy etc. in denen sowas vorkommt. Auch da ist es nicht einfach und selten gut. Ein Beispiel für einen gelungen Versuch: 1. Das Motiv des Liebesrobotors bzw. androiden. Sciende-Fiction, ok. Trotzdem eine ernsthafte, höcht ethische Frage. Wie wäre der Umgang mit einem solchen Geschöpf? Wäre es wirklich nur so etwas wie eine Art denkende Sexpuppe? Das ganze ließe sich auch auf heutige Verhältnisse herunterbrechen: Ist CS etwas genuin anderes als "echter" Sex? Wenn ich so drüber nachdenke, kommen alle Beispiele, die mir einfallen, aus dem Bereich des Science-Fiction Wie dem auch sei: Ich denke, mit erotischen Geschichten lassen sich am ehesten und plausibelsten ethische Diskurse verbinden. Aber das umfasst ja dann auch wieder ein extrem breites Spektrum. Es z.B. durchaus denkbar religiösen Fanatismus mit einer erotischen Geschichten zu verbinden. Letztendlich wäre es dann aber auch wieder nur ein ethischer Diskurs. |
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12.11.04, 08:10 Uhr | |
-Serenity- | Why-Not: Bewußt nehme ich diese Frage heraus. Erotische Geschichten dienen in erster Linie der Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen. Wenn die Leute über das Gelesene nachdenken sollen, wird es schon schwieriger. Ich denke da an die Vergewaltigungsgeschichte von Hexy: Opfer Die hat zum Nachdenken angeregt, aber auch polarisiert. Unterschwellig eingebrachte politische Themen können allerdings dazu beitragen, Geschichten authentischer zu machen. Schließlich leben die Charaktere ja nicht losgelöst vom Alltag. Funktionieren wird das aber nicht in jeder Geschichte. Eine reine Rubbelgeschichte ist als Transmitter politischer Botschaften höchstwahrscheinlich ungeeignet. Serenity *der bestimmt noch mehr Gedanken dazu hätte, aber ein bissl müd' vom Nachtdienst ist* |
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13.11.04, 13:30 Uhr | |
Juxi | Hmmmm. Schweres Thema. Ich glaube schon, dass man gezielt unterschwellige Botschaften an den Mann und die Frau bringen kann. Es kommt immer auf die jeweilige Geschichte und die Botschaft an. Ich kann beispielsweise in einer Geschichte ganz klar demonstrieren, wo ein Spiel aufhört und der Ernst beginnt (als Beispiel nenne ich mal eine inszenierte "Vergewaltigung", die einvernehmlich zwischen Partnern stattfindet). Ich kann durch satirische Seitenhiebe gegen Politiker oder andere Personen, Werbungen o.ä. übermitteln, was ich von diesem und jenem halte (Blechwurm-Geschichte von Sabbi als Beispiel. Ich sehe hier eine Menge unterschwelliger Botschaften, wobei ich nicht beurteilen kann, ob ich diese nur sehe, weil ich gewissermaßen "vorbelastet" bin). Ich kann versuchen, eine Geschichte auf reinen Vorurteilen basieren zu lassen und der Geschichte eine Wendung hin zum Realismus geben. Jeder Leser, der die Vorurteile hegt, wird vielleicht mitbekommen, dass er eben Vorurteile hegt... Das sind nur vage Andeutungen, denen ich vielleicht eines Tages einzelne Geschichten widmen werde. Zwei Themen habe ich schon ins Auge gefasst. Denen werde ich mich annehmen, wenn ich Blondes Gift 3 endlich überarbeitet habe. Ich glaube schon, dass man Botschaften übermitteln kann. Es stellt sich immer nur die Frage, wie offen der Leser für diese Botschaften ist. Ein Rubbler, wie Serenity richtig anmerkt, wird den Hintergrund mancher Geschichten nicht ergründen (wollen). Ein aufmerksamer Leser wird manchmal viel mehr von einzelnen Geschichten haben - ist halt meine Meinung. Ich habe bislang eigentlich immer versucht, halbwegs authentische Charaktere und Plots zu beschreiben. Meine Botschaft war, wenn es als botschaft interpretiert werden sollte: Ganz "normaler", softer und alltäglicher Sex kann sehr viel Spaß machen. Ich sehe eine Unmenge von Geschichten, die stets vom geilsten Erlebnis berichten, die oft gezielt grenzwertig sind, um Aufmerksamkeit zu erhaschen, um die Gemüter zu erregen (in jeder Hinsicht). Ich bin schon positiv überrascht, wenn meine ganz "alltäglichen Praktiken" 5000 Mal gelesen und dazu gut bewertet werden. Die Tendenz geht ja merklich in die Richtung: höher, schneller, weiter, öfter... und je ausgefallener, desto "besser". Nichts desto trotz wird es auch von mir bald mal "ausgefallene" Spielereien zu lesen geben *zwei informierte Insider mal anlächel*. Bin schon heute gespannt, wie die Botschaft dahinter ankommen wird. Mahlzeit, schönes Wochenende, Juxi. |
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14.11.04, 21:17 Uhr | |
GIbio Beiträge: 4/28 dabei seit: Apr '01 | Nun was die unterschwelligen Botschaften angeht, fällt mir jetzt gerade nicht sehr viel ein, aber Why-Not's Geschichte "Verenas letzter Auftrag" ist sehr gut gelungen. Wobei das Thema Globalisierung und deren Folgen als ein wenig überspitzt dargestellt finde, aber das Ganze darf ja auch mit künstlerischer Freiheit interpretiert werden. Denn Künstlerisch Wertvoll finde ich sie alle mal!! Gruß GIbio |
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14.11.04, 22:14 Uhr | |
tyami | Serenity_chance: guten morgen allerseits... eine "reine rubbelgeschichte" ist - zumindest MEINER fantasie entsprechend - auch zur übermittlung erotischer inhalte wenig geeignet. die erotik entspringt ja nicht unbedingt aus der möglichst detailierten beschreibung anatomischer details, sondern daraus, dass lebendige, plastische charaktere sexuell aktiv werden (wie Serenity_chance bereits angedeutet hat)... oder hab ich nur "falsche" lesegewohnheiten? anyway. möglichkeiten, um politik und/oder gesellschaftliche normierung anzusprechen, und das auch recht unsubtil, finde ich ohne ende. hier in ösiland sind noch vor wenigen jahren 20jährige burschen straffällig geworden, weil sie 17jährige gleichgeschlechtliche partner hatten... den themenkomplex "katholische sexual(doppel)moral" streif ich nur... ebenso die sprachregelung, dass frauen für etwas zu "schlampen" werden, wofür typen als "tolle stecher" gepriesen sind. oder ist feminismus unpolitisch? anderer faden aus dem knäuel: ich hatte mal - frei nach dem song "ülüsü" von den toten hosen - so einen halben plot im kopf, dessen protagonisten ein skinhead und eine junge türkin sind. dass solche geschichten nicht unbedingt mit dem satz: "nachdem wir beide gleichzeitig gekommen waren, schliefen wir zufrieden ein." enden, darf vorausgesetzt werden. ob sie deswegen nicht erotisch sind und/oder nicht zu sevac passen, lass ich mal in aller neugierde so stehen... and now, back to reality! bye, tyami |
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25.11.04, 23:28 Uhr | |
Sabbi | Mahlzeit Seltsam eigentlich. *mampf* Vermutlich beinhaltet fast jede meiner Geschichten irgendeine kleine Hintergrundinformation (und wenn es nur der Glaube und das eigene Vertrauen an das eigene Unterbewusstsein ist), weil ich beim Schreiben doch immer eine Intention habe. Gemerkt hat es bisher entweder niemand oder keiner, der es mich explizit wissen hätte lassen. Politische Botschaften wären vermutlich in vielen anderen Geschichten wesentlich besser aufgehoben als in einer erotischen Story. Aber die Tarnung wäre gut. Wer käme schon auf die Idee, dass man via Erostorys gezielt Botschaften politischer Natur verbreitet? Genialer Plan. Muss ich mir gleich etwas überlegen und umsetzen, was nachher sowieso keiner merkt. Nein. Um es auf den Punkt zu bringen. Ich glaube, man kann sehr wohl durchscheinen lassen, was man als SchreiberIn einer Geschichte von der Handlung, dem Plot oder eben Charakteren hält. Man kann moralische Bedenken herrlich äußern, indem man die Geschichte entsprechend gestaltet. Man kann sich beispielsweise notorische Fremdgeher als Protagonisten auswählen und sie für einen Leser schlicht unsympathisch erscheinen lassen. Als Schreiberin habe ICH die Macht, meine Prots so zu gestalten, wie ich sie mag oder nicht mag. Sie sind meine Marionetten, die je nach Gesinnung ihr Eigenleben entwickeln dürfen. Aber das Gesamtbild bleibt immer in meiner Hand. Und auf die Art kann ich durchaus Botschaften übermitteln. Ob sie ankommen, kann man nicht abschätzen. Es kommt auf den Leser an. WIE liest er? Ist er Genießer? Was genießt er? Nur den Sexanteil? Liebt er EROTIK? (Das Wort schreibe ich bewusst groß, weil Sex und Erotik schlicht nicht dasselbe sind). Liest er aus Lust am Lesen? Neugierde? Einmal über den Tellerrand schauen? Für die eigene Schreiberei etwas dazulernen? Es gibt eine Menge Motive. Die Leserschaft, die dem Mainstream verfallen ist, wird Botschaften nicht sehen, selbst wenn man diese nicht versteckt. Aber das ist auch nicht zu erwarten. Ich freue mich schon, wenn eine kleine Schar von Lesern sich für die ein oder andere schöne oder heiße Stunde bedankt, die ich ihm / ihr beschert habe. Oder wenn ich höre, dass einzelne es lieben, wenn meine Protatonisten zu leben beginnen, wenn sie merken, dass genau DAS ein gewichtiges Kriterium für die meisten meiner Geschichten ist. Meine Prots dürfen auch mal versagen oder einen frühzeitigen Abgang haben oder andere sexuelle Pannen erleben. Und das ist beispielsweise eine der Botschaften in meinen Werken. Wenn man offen ist für alles Mögliche, hat man mehr vom Leben, mehr Freunde und mehr Freude. Oder was, wenn es scheinbar übernatürliche Fähigkeiten gibt? Oder man glaubt nur, dass es sie gibt. Was passiert dann? Das ist ein Spiel, auf das ich mich beim Schwimmbadtreiben eingelassen habe. Und seltsamerweise, wo hier doch Surreales und Reales aufeinandertreffen, wo die Charaktere unterm Strich eigentlich völlig normal sind, darf ich mich über nicht wirklich geringe Leserzahlen freuen. Interessant wäre zu wissen, WAS den Leser geduldig auf den jeweils nächsten Teil warten lässt. Aber das gehört in einen anderen Thread. Die Hintergrundbotschaften können es ja nicht sein, oder? |
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26.11.04, 00:39 Uhr | |
MarquisSauvage | Why-Not: Ich finde, gerade das macht eine wertvolle Geschichte (egal welchen Genres) aus, dass sie durch objektive Erzählung den Leser zum Nachdenken anregt. Und zwar, ohne ihn in eine bestimmte Richtung zu drängen. Eine andere Möglichkeit wäre ein politisches oder historisches Ereignis als Hintergrund zu verwenden, dass Auswirkungen auf die Personen hat. (Liebe auf Distanz wegen Irak-Einsatz des Mannes) Aber auch hier sollte das politische/historische Ereignis objektiv und nicht wertend erzählt werden. Hier kommt dann mehr der bildende Charakter zum Tragen. Einen ganz anderen Bereich betreten wir mit politischen Botschaften (wie sie ja hier auch angesprochen wurden.) Eine politische Botschaft dient meist der Manipulation (Hättest du Grün gewählt, wäre dein Mann jetzt nicht im Irak.) oder dem Erheben des Zeigefingers (Wenn du rechts wählst, kommt deine jüdische Freundin ins KZ) Sowas hat m.E. in einer guten Geschichte nichts verloren und kommt bei den Lesern auch nicht gut an (wenn es nicht gerade die Zielgruppe ist) Häufig wird die so vermittelte Meinung auch als Meinung des Autors verstanden, was auch nicht immer gewünscht ist. MS |
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