Alles auf Anfang
von source
“Hi, ich bin Steve und ich suche Sex mit einem Mann.” So schießt es mir durch den Kopf als ich auf die Suchmaschinen-Ergebnisse starre. Wobei, so ganz stimmt das nicht - es ist bloß ein weiterer Versuch meines Gewissens/Moralvorstellungen/wasauchimmer mir die Idee auszureden. Schließlich suche ich ich nicht direkt einen Mann, sage ich mir. Sondern einen Mann, der zur Frau geworden war, einen Transsexuellen, eine Shemale, einen Ladyboy... Das Internet kennt da diverse Begriffe zu.
“Willkommen in meiner Gedankenwelt”, denke ich mir, irgendwie verklemmt, aber seit Jahren schon geplagt von abstrusen und anrüchigen Fantasien und Träumen. Ich stehe eigentlich “mitten im Leben” wie man so sagt. Habe Freunde, spiele Golf und habe ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern und Verwandten. Mein Job ist recht rentabel, manche würden mich als reich bezeichnen - ich nenne es gut situiert. Irgendwie der typische Spießer.
Ich klicke auf das erste Ergebnis. Eine Porno-Seite. Ich stöhne gedanklich ein wenig genervt auf, denn nun bin ich wieder scharf. Allein der Anblick einer heißen Frau mit einem Gerät zwischen den Beinen erregt mich. Warum bloß? Bin ich durch den jahrelangen Porno-Konsum abgestumpft? Viele Fragen. Ich klicke weiter, streife durch die Seite, kann mich gerade noch davon abhalten mich anzumelden und wieder Geld zu verschleudern auf Videos, Szenen und Bilder die ich schon x-mal gesehen habe. Heute will ich mehr.
Ich schließe den Tab und wende mich wieder der Suche zu. Meine Hand ist von selbst in meine Hose gewandert, ich zwinge mich sie herauszuziehen. Verdammte Sucht.
Homosexualität war eigentlich nie ein Thema bei mir. Ich finde Männer nicht erotisch, hatte viel (heterosexuellen) Sex, auch längere Beziehungen. Warum mich Männer in Frauengestalt heiß machen, habe ich noch nicht verstanden. Einmal allerdings hatte ein Typ mir gestanden, dass er meinen Body unter der Dusche im Fitness-Studio angeschaut und als sehr erotisch empfunden hatte. Lächelnd dankte ich ihm und sah ihn nie wieder.
Nach einigen weiteren Porno-Seiten und einer Feinjustierung der Suchbegriffe finde ich einen Club in meiner Stadt. Dort gabeln die Ladies uns Jungs auf und nehmen sie mit aufs Zimmer. Wow, scharfe Bilder der Damen... Aber da einfach so hingehen...? Ich weiß nicht.
Der Gedanke sich real in der wirklichen Welt mit einer so speziellen Dame einmal zu treffen, gärt schon lange in mir. Meine letzte Beziehung verhinderte das - ich bin eine treue Seele. Aber Erlebnisse in Second Life, in Chats oder per Email haben mich elektrisiert, mein Verlangen nach dieser speziellen Seite der Sexualität unglaublich erhöht. Aber all diese Crossdresser und Amateur-Damenwäscheträger fand ich immer nur zum Lachen. Ich suche das Echte, das Richtige! Achte ich in allen Bereichen meines Lebens auf Qualität, so tue ich es auch hier.
Der Club liegt im Rotlichtviertel meiner Heimatstadt. Die Bilder ziehen mich magisch an... ebenso wie die Bilderunterschriften: “aktiv/passiv, OV mit Aufnahme ohne Kondom, Anfänger willkommen.” Ok, Anfänger war ich ja wohl. Wie das wohl alles funktioniert? Wie es sich anfühlt? Wie Analsex mit einer Frau? Würde sie dann auch … bei mir etwas hineinstecken wollen? Würde es mir gefallen? Meine Hand wandert wieder in meine Hose... Ich streichle mich, unbewusst, werde immer schärfer, Junior erwacht zum Leben, will mehr, will die schnelle Erlösung... Aber nicht heute. Ich weiß, dass, bin ich erst einmal gekommen, ich mich schämen und mental für verrückt und pervers erklären werde - und dann ziehe ich die Sache auch nicht mehr durch. Also Hand wieder raus, so schwierig das auch ist.
Durchsucht man das Internet gezielt nach diesem einen Thema hat man das Gefühl, die halbe Männerwelt steht auf Shemales. Amateur-Bildtausch-Seiten sind voll von Leuten die sich die Beine rasieren, sich Dinge in den Hintern schieben und davon Bilder der ganzen Welt zur Verfügung stellen. Im echten Leben meine ich aber, noch nie einen “echten” Ladyboy gesehen zu haben - außer in einer Show in der ich mal war, die aber eigentlich nichts mit Sex zu tun hatte.
Die Adresse des Clubs ist rausgesucht, den Weg habe ich mir gemerkt. Tue ich das richtige? Wie wird das alles laufen? Fahre ich mit dem Auto, mit dem Taxi? Muss ich irgendetwas mitbringen? Ich selbst war noch nie in einem Bordell. Würden mir die Leute das ansehen? Mich bewertend anschauen? Könnte ich vielleicht vor lauter Scham nicht? Würde die Dame mich auslachen?
Es gibt nur eine Chance das rauszufinden.
Ein Tag später, heute ist Freitag. Halben Tag im Büro gemacht, ich habe schließlich etwas vor heute. Heute ist der große Tag. Nervös stehe ich vor meinem Schrank. Was ziehe ich an? Jeans, Hemd, Sakko, schwarze Lederschuhe, das übliche. Man ist ja versorgt. Nervös arbeitet mein Kopf die ganze Zeit. Wieviel Geld werde ich brauchen? Was mache ich davor? Danach? Was wenn ich doch nicht mehr will? Ich stecke schnell 500 EUR ein, frage mich ob das reicht, will noch mal 200 dazu stecken, nenne mich einen Idioten und lasse es bei den 500.
Schnell ein Taxi rangewunken, ich fahre zu einem unverbindlichen Restaurant in der Nähe. Warum kümmert es mich, was der Taxifahrer denkt? Kurzer Gedankengang über das soziale Verhalten von Menschen und die Abgründe darin.
Den Fahrer bezahlt, gutes Trinkgeld. Ich warte bis er weg ist und nehme Kurs auf das Rotlichtviertel. Ich bewege mich durch die engen Gassen, sehe übergroße Reklamen und Hinweise auf diverse Vergnügen fleischlicher Art. Aber um mich herum entweder komische ältere Herren, betrunkene Jugendliche oder Männer auf Junggesellenabschied. Man man man...
Ich finde den Club in einer abgelegenen Seitenstraße. Lachende Jungendliche ziehen vorbei, ich halte mich ein wenig zurück, warte bis sie weg sind. Dann betrete ich den Laden. Der Türsteher schaut mich gelangweilt an, ich male mir allerdings tausend Dinge aus, die er über mich denken muss.
Drinnen riecht es muffig, das Licht ist gedimmt, ich sehe einige männliche Wesen an der Bar sitzen, Frauenkörper daneben... Ich setze mich und bestelle einen White Russian bei der “Dame” hinter der Bar. Den haben sie leider nicht, harter Alkohol sei auch nicht erlaubt. Nun gut. Da fühle ich eine Hand auf meinem Bein, Stoff streift über mein Sakko. Ich drehe mich nach links und blicke in ein stark geschminktes Gesicht, leichte Bartstoppeln sind zu sehen, viel zu viel Parfüm wabert mir entgegen. “Oh Gott” denke ich. “Was mache ich jetzt?”. Nervosität schlägt ein wie eine Bombe. “Bestell mir doch was” sagt die Person mit einer verstellten hohen Stimme, die auf eine viel tiefere schließen lässt. Ihre Hand fährt mein Bein hoch zu meinem Schritt. Dafür war ich nicht gekommen. Die Barkeeperin grinst mich an “Was willste denn nun? Für euch zwei Hübsche ein Sekt?” Stotternd lehne ich ab, mein Gesicht muss hochrot sein. Beleidigt zieht die Dame davon.
Mir wird klar, dass ich am falschen Ort bin. Schon kommt die Nächste in meine Richtung, Schultern breiter als das Becken, große Nase, wie Mann mit Perücke. Alles sicherlich liebe Personen, aber hey, das war mein erstes Mal und sollte etwas besonderes sein! Flucht!
Auf dem Weg nach draußen schaut der Türsteher mich an wie “Na? Verlaufen?”. So ein Reinfall. Ich renne quasi um die Ecke und lasse mich von einem Taxi nach Hause fahren. Zu Hause öffne ich eine Flasche Glenmorangie und denke nur noch “Verfluchtes Internet”.
Also alles wieder auf Anfang.
Heute sind exakt zwei Wochen später. Ich habe meinen Schreck einigermaßen überwunden aber weiß nun, dass ich mir etwas anderes einfallen lassen muss. Wie so oft bin ich davon überzeugt, dass sich das Problem mit Geld lösen lassen muss. Nach weiterem Suchen finde ich einen “High Class International Shemale Escort Service”. Wow. Die Bilder sehen schon ganz anders aus. Und Videos gibt es auch von den Damen, in verschiedenen Situationen, keine gekünstelten. Preis pro Stunde: 250 EUR, für eine Nacht 1500, für ein Wochende Freitag bis Sonntag 3000 EUR.
Jetzt aber.
Ich schreibe eine Anfrage an die Agentur, bekomme auch prompt eine Antwort. Ich rufe die angegebene Telefonnummer an, die Geschäftsführerin persönlich nimmt an. Sie klingt sanft, nett und freundlich. Ich stottere herum, aber sie scheint das zu kennen, mit Charme und Witz hilft sie mir. Ich erzähle von meinem letzten Erlebnis und wie ich mir wünsche, dass es etwas Besonderes ist. Sie versteht. Sie sagt, dass ich mich mit der Dame treffen sollte, sie kennenlernen kann und alles weitere könnte ich mir dann aussuchen. Zusammen wählen wir eine aus. Sie ist kleiner als ich, fast zierlich, natürliche Brüste. Ich sehe ihre Fotos an und merke wie Junior sich wieder regt. “Die ist es” sage ich ins Telefon. Wir vereinbaren einen Kennenlern-Termin und ich hinterlege schonmal meine Kreditkartennummer - der erste Termin ist kostenlos, erscheine ich jedoch nicht, muss ich 200 EUR zahlen. Ich lasse mir noch ihren negativen AIDS-Test per Mail schicken und schicke im Gegenzug meinen los - es soll ja nichts zwischen uns stehen bei meinem ersten Mal...
Es ist Samstag und - wieder einmal - der große Tag. Ich bin noch viel nervöser als das letzte Mal. Die Putzfrau hat meine Wohnung bestens aufgeräumt und trotzdem schaue ich hier und dort noch und korrigiere letzte Details - ich weiß ja nicht, wie das Treffen enden könnte.
Diesmal fahre ich selbst. Treffpunkt ist ein Restaurant außerhalb der Stadt, allerdings vom Feinsten. Die Dame hat Stil. Als der 12-Zylinder über die Straße röhrt fühle ich wieder die bohrenden Fragen... Sollte ich nicht nach Hause fahren? Was mache ich hier überhaupt? Wenn mich jemand sieht?
Ich betrete das Lokal, gebe meinen Namen an und werde zu einem abgelegenen Zweier-Tisch geführt. Mein Herz schlägt schnell, ständig sehe ich mich um, wer noch alles in dem Laden ist. Niemand den ich kenne, Gott sei Dank. Ich bestelle eine Flasche Wasser und der Kellner entfernt sich. Alle zwei Minuten prüfe ich meinen Blackberry, scanne noch irgendwelche Mails ohne sie richtig zu lesen.
Und dann kommt sie. “Hallo” haucht es geradezu. “Ich bin Amber”.
Ich stehe auf, man weiß ja was sich gehört. Sie ist wunderschön. Schwarzes Kleid, kurz über den Knien zu Ende. Schwarze, hohe Stilettos, trotzdem ist sie noch einen halben Kopf kleiner als ich. Ihr feminines Gesicht verbirgt ihr ursprüngliches Geschlecht komplett. Lange wallende Haare fallen fast bis auf ihre Schultern, ihre Fingernägel sind aufwendig, aber nicht auffällig lackiert. Ganz Frau. Zum Anbeißen.
“Hi Amber” sage ich, sichtlich mit Mühe. “Ich bin Steve. Setz dich doch”. Ich rücke ihren Stuhl zurück, sie setzt sich, ich mich ihr gegenüber.
Ich betrachte sie, ihre Ohren, Nase, Mund, Lippen, Augen... Kurz ihr Dekolleté... Aber nichts entgeht ihr: “Gefällt dir was du siehst?” fragt sie mich mit einem neckischen Lächeln auf den Lippen. Ich lächle zurück, so ganz langsam fällt die Anspannung von mir ab. “Absolut, du bist siehst traumhaft aus.” “Danke” sagt sie, wieder mit dem gleichen Lächeln. “Ich hatte ebenfalls gehofft, dass ich nicht irgendeinen älteren, fülligen Herren hier antreffe - meine Erwartungen wurden absolut übertroffen”. Jetzt lachen wir beide und das Eis fängt an zu brechen.
Sie erzählt von sich. Das sie das erst seit drei Jahren macht. Zwischendurch bestellen wir Wein und das Essen, es ist hervorragend aber ich bekomme kaum einen Bissen herunter. Sie sagt, dass sie sich schon als Kind und Jugendlicher immer als Frau gefühlt hat. Ich höre zu, genieße ihre sanfte Stimme und bin ganz hin und weg von ihr. Dann erzähle ich ein wenig von mir, ohne zu sehr in die Details meines Jobs zu gehen - das tue ich eh selten. Aber sie hört aufmerksam zu, fragt zu vielen Dingen. Wow, der Abend war ohne all das andere was ich im Kopf hatte bereits wunderschön.
Sie sagt, dass ihr Job als Escort lukrativ, aber nicht immer einfach ist. Das Transsexuelle wie sie es nicht leicht haben in unserer Gesellschaft. Aber das sie ihr Leben liebt und all die Dinge die darin stattfinden.
Und dann fragt sie plötzlich, ob ich sie mit zu mir nehme.
Schlagartig ist die Nervosität wieder da. Aber sie merkt das, ihr Hand fährt auf meine. Sie sagt “Es ist ein wunderschöner Abend, wir können auch... ein anderes Mal weiter machen”. “Nein” sage ich. “Ich möchte das. Ich möchte dich.” Sie lächelt weiter, streichelt über meine Hand meinen Arm hoch. “Dann los uns hier verschwinden... Ich will dich nämlich auch...”.
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Kommentare
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Leichtgewicht
Dein Schreibstil ist schön flüssig. Manchmal frage ich mich, ob der Autor aus dem Ruhrgebiet oder aus Westfalen kommt. Wenn du noch besser schreiben willst, dann solltest du vielleicht diesen halben Berichtsstil nicht durch die ganze Geschichte beibehalten. Aber das ist keine Kritik, sondern eine Anregung.
Wenn das der erstling ist, dann bin ich gespannt auf den Zweitling.«
Kommentare: 16
Vielen Dank für diese tolle Geschichte«
Kommentare: 13
In jedem Fall, bitte weiter so!«
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TetraPack
Kommentare: 18
Wie gesagt, die Geschichte topp.«
Kommentare: 23
Vielleicht gibts ja noch eine Fortsetzung.«
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