Nils - Die Berliner in München
von EviAngel
„Ich hab Sehnsucht“, Michelle lag auf der Récamière, drehte eine Locke um den Zeigefinger und rieb sie mit dem Mittelfinger. Sie telefonierte mit Clarissa.
„Könnt ihr nicht Freitag und Montag blau machen und herkommen? Wir zahlen den Flug und den Verdienstausfall.“
Clarissa arbeitete am Wochenende in einer Bibliothek, finanzierte sich damit ihr Studium, Luca bastelte an Computern herum und verdiente damit etwas nebenher, trotzdem waren sie immer knapp bei Kasse.
„Achwas!“, wehrte das Gnömchen einen Einwand Clarissas ab, „Wir müssen euch unbedingt etwas erzählen, es haben sich tolle Neuigkeiten ereignet …“
„Ja, ist super gelaufen insgesamt, Vierter in der Weltelite das ist schon was, in der Uni sind alle aus dem Häuschen.“
„Wie wäre es mit kommendem Wochenende? Ihr kommt Donnerstag Abend und wir haben eine geile Zeit hier, fliegt Sonntag oder Montag abends wieder zurück.“
„Ochja, bitte!“
„Nein, macht wirklich nichts aus, braucht dir nicht peinlich zu sein, wirklich nicht, du würdest uns damit einen Gefallen tun. Ich erzähle euch die Zusammenhänge wenn ihr hier seid. Nee, verrate ich noch nicht, dazu müsst ihr herkommen.“
„Ok? Super, da wird sich der Große aber freuen. Ich buche jetzt gleich von hier aus auf den Namen meines Vaters, Dombro. OK? Könnt ihr am Flughafen abholen, ich sag dir später noch bei welcher Gesellschaft, ok?“
Nils saß am Küchentisch und lernte. Familienrecht fand er stinke langweilig. Die Zankerei, die Lügerei und Haarspalterei innerhalb einer Familie lag ihm überhaupt nicht. Es ging beinahe immer um Scheidungen, um finanzielle Forderungen, um das Sorgerecht für Kinder, in der Hauptsache jedoch um Macht und Einfluss, um Unterdrückung, Verletzungen, um Vergeltung, Stolz und Eitelkeit.
Im Strafrecht, im Arbeitsrecht, Vertragsrecht oder Verkehrsrecht hingegen fand er die gleichen Umstände spannend und für sich nachvollziehbar. Da war er mit Feuereifer dabei, dagegen musste er fürs Familienrecht regelrecht pauken. Trotz intensiver Bemühungen weigerten sich seine Synapsen hartnäckig diesen speziellen Lehrstoff aufzunehmen. Er wollte froh sein, im Familienrecht das Minimum zu erreichen. Bei Arbeits- und Vertragsrecht hingegen lag er zwischen befriedigend und gut, das verursachte ihm keine besonders große Mühe.
Beim Strafrecht stand er gar auf sehr gut, Voraussetzung für diese Note war allerdings, dass er die Dozentin zufrieden stellte. Davon durfte andererseits das süße Gnömchen besser nichts wissen, Nils bereitete die Heimlichtuerei schon im Vorhinein Kopfschmerzen. So klug und einfühlsam wie sein Mädchen war und so genau wie sie ihn kannte, würde ihr das wahrscheinlich nicht verborgen bleiben. Sollte er sie in seine Zwickmühle einweihen oder war es besser für sich selbst zu handeln?
Blöde Sache das.
So weit war er mit seinen Überlegungen gediehen, als das Gnömchen an den Tisch zu ihm gerannt kam und gleich heraus platzte:
„Klappt, es klappt, sie kommen jetzt am WE.“
Das freute Nils, sogar über die Maßen. Er strahlte über das ganze Gesicht. Das Gnömchen staunte den strahlenden Riesen an, ein Bild für die Götter. Die Freude schien ihm aus jeder Pore, aus jedem Knopfloch. Michelle schmiegte sich auf den Schoß des liebsten Grobian, sie freute sich mit.
Nils schränkte ein:
„Übernächstes WE sind wir in Salzburg, Fahrsicherheit, du denkst dran oder?“
„Logo“, erwiderte das Gnömchen. Sie stützte sich an seiner Brust ab, schaute ihm zweifelnd ins Gesicht.
„Bist du wirklich so geil auf Clarissa?“, fragte sie ernsthaft.
„Boh eh, Alter!“, stöhnte Nils theatralisch, „Natürlich bin ich geil auf Clarissa. Viel wichtiger ist aber doch, dass mir die beiden echt fehlen wenn sie nicht da sind. Luca und ich sind richtig gute Kumpels, Clarissa und du seid Freundinnen, euch beide zusammen zu sehen ist einfach die helle Freude. Ich brauche sie, weiß auch nicht genau …“
Nils hielt einen Augenblick inne, Michelle schämte sich ein wenig über ihre Verdächtigung, sie legte das Ohr an die breite Brust des Lieblings.
Nils fuhr sehr leise mit seiner tiefen Stimme fort:
„Wir Vier gehören einfach zusammen. Jede Trennung tut weh, wenn sie nicht in unserer Nähe sind dann fehlt mir etwas. Geht dir das nicht so?“
Michelle hörte das tiefe Brummen im Brustraum, bekam die Vibrationen aus erster Hand. Sie liebte Nils über alles. Ihr solch starken Gefühle zu zeigen kam selten genug vor.
„Na?“, Nils forderte eine Antwort.
„Es geht mir auch so“, hauchte sie mit dem Ohr an der breiten Brust, „ich hab aber nicht gedacht, dass du es so empfindest.“
„Nee!“, meinte Nils sarkastisch, „Ich bin ja auch das bollerige Landei ohne jedes Gefühl, logisch. Gefühle haben ja nur weibliche Wesen, ist klar.“
Michelle schmiegte sich weiter an ihren Liebsten. Sie würde einfach so sitzen bleiben, hier auf seinem Schoß, an seiner Brust. Einfach so bleiben wie sie jetzt war, von jetzt an bis zum jüngsten Tag. Sie nahm die Nähe, die Wärme und die Kraft.
Nils umschlang seinen liebsten Goldschatz, umgab sie mit Geborgenheit und Liebe, summte leise vor sich hin und wiegte Michelle wie ein Baby das nicht schlafen will.
–
Sie holten die beiden Berliner am Flughafen Franz-Josef Strauß ab. Die Schiebetüre öffnete sich, die Passagiere des Fluges von Berlin trafen auf die Wartenden. Nils war so stark auf Clarissa fixiert, er sah sie sofort. Sie trug ein dunkelblaues Kleid mit weißem Muster, sie sah darin unglaublich sexy aus. Er fand überhaupt die ganze Erscheinung der Freundin extrem erotisch, die langen blonden Haare, das zarte, hellhäutige Gesichtchen mit den dominant darin leuchtenden blauen Augen, die kurvenreiche schlanke Gestalt. 'Das Pferd' meldete sich umgehend bei dem Anblick in der Vorfreude auf die kommenden Stunden.
Die kleine Blonde flog in seine ausgebreiteten Arme, nebenan machte sich Luca über Michelle her, begrüßte sie ebenso stürmisch. Clarissa schmiegte sich so eng an Nils, dass es scheinen mochte als wolle sie mit ihm Eins werden. Nils drückte die Kleine fest an sich, küsste sie. Clarissa schaute ihn aus der niedrigen Perspektive mit großen Augen an.
„Ich liebe dich!“, sagte Nils nachdrücklich und küsste das Mädchen nochmals. Es lächelte glücklich.
Die Mädchen begrüßten sich ebenso leidenschaftlich, küssten sich, umarmten sich ein ums andere Mal. Nils überwand sich und umarmte auch Luca.
„Willkommen in München“, meinte er mit seiner tiefen Stimme, dann, weniger förmlich: „Meine Fresse bin ich froh euch zu sehen. Wo wart ihr so lange?“
Luca griente, boxte ihm leicht auf den Oberarm. Er packte den Bizeps fest und drückte ihn, erstaunt meinte er:
„Du lieber Himmel, hast du nochmal zugelegt, du oller Angeber?“, er lächelte dabei, er war stolz auf seinen Nils.
„Ach was“, meinte Nils gut gelaunt, „Schön dass ihr da seid, soll ich dir den Rucksack abnehmen? Wie war der Flug?“
„Sehe ich altersschwach aus oder wie?“, erwiderte Luca aufgekratzt, „Der Flug war kurz aber aufregend, wir fliegen ja nicht so oft. Ist eine geile Idee, einfach mal so hin und her zu hoppen.“
Trotz der Tatsache dass sie nur wenige Wochen getrennt waren kam ihnen die Zeit ohne einander verloren vor, so fühlten sie jetzt in diesem Augenblick. Nils nahm Clarissa in den Arm, Luca kümmerte sich um Michelle. Die Mädchen quasselten ununterbrochen miteinander, meistens gleichzeitig gaben sie die wichtigsten Neuigkeiten weiter. Obwohl sie täglich oft mehrmals telefonierten gab es ungeheure Datenmengen die ausgetauscht werden mussten. Die Jungen hörten zu, schauten sich an, nickten, grinsten dazu.
„Gehen wir etwas essen? Ich lade euch ein“, meinte Nils.
Das Gnömchen schaute kritisch zu ihm rüber.
„Etwas typisch bayrisches“, meinte Nils grienend.
Sie fuhren mit der S-Bahn vom Flughafen ab, stiegen in der Stadtmitte aus.
„Ich hab da was gesehen und würds gerne ausprobieren“, meinte Nils, „echt urig.“
Er leitete die Freunde in ein rustikal aussehendes Wirtshaus.
„Zur Feier des Tages“, meinte Nils, er bestellte sich zum Bier eine kross gebackene Schweinshaxe mit Kraut.
Die Mädchen rümpften die Nase, suchten Salat mit Putenstreifen aus, Luca schloss sich der Bestellung von Nils an.
„So, jetzt erzähl noch mal!“, forderte Clarissa von Nils.
„In den Zeitungen und im Netz ist man ja voll des Lobes von dir“, ergänzte Luca, „wie war es denn genau? Die gesamte Weltelite hinter dir gelassen hört man.“
„Man scheint da zu Übertreibungen zu neigen“, meinte Nils sehr entspannt und sehr stolz, „aber die Werbung war genial, eine Supervorlage für das Gnömchen.“
Luca runzelte die Stirn, er solle es erklären. Clarissa schmiegte sich an Nils an, sie bekam die gesprochenen Worte als Vibrationen des Brustkorbes mitgeteilt, der Inhalt war ihr nicht wichtig. Sie himmelte den weltbesten Sportler des gesamten Universums ununterbrochen an.
„Na, ist ganz einfach“, erklärte Michelle, „die wollten sich mit seinem Namen, den sportlichen Erfolgen und diesem männlichen Gesicht hier, schauts euch an, ist das ein Bild von einem Mann?“
Michelle war stolz auf ihren Nils, das kam sehr deutlich rüber. Auch die Freunde waren stolz, denn er war einer von ihnen, ihr sportlicher Nils.
„Damit wollen sie sich schmücken“, fuhr das Gnömchen fort, „Nils boten sie dafür ein Butterbrot. Ich bin bei meiner Mutter in die Lehre gegangen, die hat mir beigebracht, wie man bei Verhandlungen das rausholt was drin ist. Aus dem Butterbrot ist eine Portion Filetsteak geworden.“
Michelle lächelte stolz.
„Eine Riesenportion Filetsteak, eigentlich ist es eine ganze Kuh“, ergänzte Nils mit stolzgeschwellter Brust. Er langte über den Tisch und drückte dem Gnömchen dankbar die Schulter.
„Deswegen fühle ich mich auch in der Lage euch einzuladen.“
Michelle beobachtete die kleine Clarissa wie sie sich an den großen Nils heran schmuste, ihn mit der Brust berührte, ihn immerzu befingerte.
„Was ist los Schätzchen, du wirkst total spitz, ist etwas? Was hast du überhaupt für ein Kleid an?“
„Ist cool oder?“, meinte Clarissa, „Auf dem Flohmarkt drei Euro, hab ich selbst gekürzt.“
Sie stand auf und zeigte den Freunden, wie kurz es war. Es war sehr kurz und wirkte sehr sexy.
„Schaut mal!“, meinte sie mutwillig, öffnete die Knopfleiste sehr weit hinauf, hob das Kleid so weit an, dass die Freunde sehen konnten, dass sie darunter nackt war.
„Alter!“, staunte Nils, „Was ist los?“, er winkte mit dem Daumen zu Luca, „Bringt er es nicht mehr oder warum bist du so locker drauf?“
Clarissa wechselte verlegen einen Blick mit Luca.
„Ja, nee“, meinte sie, „Wir wollten es unbedingt im Flugzeug treiben, dann war die Toilette so klein und es stank dermaßen. Außerdem hat uns die Stewardess hinein gehen sehen und hat die ganze Zeit gegen die Tür geklopft, da ging es nicht. Naja, jetzt sind wir spitz wie Nachbars Lumpi und ihr seid die geilsten Freunde die man sich vorstellen kann. Ist doch klar, dass wir da Verlangen haben.“
„Ich weiß was!“, meinte Nils, schnappte sich Clarissa, zerrte sie hinter sich her auf dem Weg zu den Toiletten. Michelle wusste was passieren würde, sie sprang auf:
„Ich will zusehen!“, lief hinter den beiden her.
Mit einem Mal saß Luca als Einziger am Tisch. Er kam sich allein gelassen und überflüssig vor, die Depression überfiel ihn aus heiterem Himmel. Sie würden sich an seinem Mädchen vergnügen und er saß hier, allein. Alle hatten Spaß nur er saß wieder mal abseits, typisch. Er schaute nach der Bedienung um zu erfragen was die Bestellung machte, jedoch der Kellner war verschwunden, hinter dem Tresen war ebenfalls niemand.
Nach viel zu lang empfundenen Minuten kehrten die Drei zurück. Nils war offensichtlich befriedigt, sah entspannt und gelassen aus. Sein Mädchen musste von Michelle gestützt werden, ihr roter Kopf leuchtete, sie strahlte vor Glück, hielt die Augen mit glückseligem Lächeln auf den Lippen beinahe ständig geschlossen. Ihr war es offensichtlich sehr gut besorgt worden, anscheinend viel besser, als er es vermochte.
Luca wollte in der Verzweiflung versinken. Jedoch nur so lange bis sich Michelle neben ihn setzte. Sie schürzte den Rock ihres Kleides weit hinauf bis er einen winzigen weißen Slip sehen konnte, legte ihr nacktes Bein über seines, kam mit dem schönen Gesichtchen ganz nah an seines.
„Na mein Süßer? Warst du einsam?“
Ihre Absicht war so offensichtlich, es war für jeden im Lokal erkennbar, dass sie auf ihn stand, dass sie ihn anhimmelte, dass sie es darauf anlegte es von ihm besorgt zu bekommen.
Die Depression verflüchtigte sich, er fühlte sich wieder stark, er war ein Mann. Michelle stand auf starke Männer, sie stand auf ihn. Innerhalb eines Augenblicks wurde er von einem Häufchen Elend zu Herkules.
Michelle schmuste sich in seine Halsbeuge, verlangte nach einem Kuss. Den bekam sie, weitete ihn zu einer wilden Knutscherei aus.
Nils rief:
„Herr Ober!“
Ein rotgesichtiger dicker Mann trat aus einer Tür hinter dem Tresen, kam auf sie zu. Er sah wütend und empört aus.
„So wie Sie sich hier aufführts bekommts ihr hier nichts. Verlassen Sie mein Haus!“
„Watt is los?“, fragte Nils völlig überrascht.
„Na logisch, Preißn! Hob i mir glei denkt“, meinte der dicke Rotgesichtige, „Schleichts euch! Pack, Gesindel, preußisches, verlasst mein Haus!“
Michelle staunte den erzürnten Mann mit offenem Mund an.
„Das ist jetzt nicht Ihr Ernst oder?“, fragte sie ungläubig nach.
„Und ob das mei Ernst ist. Schleichts euch, verschwindets, aber dalli!“
„Es geht doch nichts über die bajuwarische Gastfreundlichkeit“, meinte Nils als sie draußen vor dem Lokal standen und sich sammelten, „möchtest du hier Flüchtling sein? Die Bazis die!“
„Und jetzt?“, Michelle hing in Lucas Arm, sie schien heiß und dadurch nicht recht bei Sinnen. Clarissa schmuste sich an Nils heran, blickte zu ihm auf, himmelte ihn an.
„Dann gehen wir eben ins Hofbräuhaus. Ist zwar riesig, dafür wirst du da sehr professionell bedient. Kommt!“
„Da sind wir dann auch fast zu Hause“, hauchte das Gnömchen Luca ins Ohr. Sie knabberte an seinem Ohrläppchen, atmete ihm ins Ohr, „Von da aus nur dreimal ums Eck, dann sind wir da.“ Was Luca dort erwartete, war offensichtlich, er konnte kaum an sich halten vor Erregung.
Im Hofbräuhaus wurden sie hervorragend bedient, die Getränkebestellung stand innerhalb kurzer Zeit auf dem Tisch.
Michelle knabberte weiterhin an ihrem Luca herum, das Mäuslein hielt sich an Nils fest, umklammerte den Oberarm des Lieblings, lehnte sich daran an, suchte Halt, schaltete das selbständige Denken beinahe vollständig aus, war nur Gefühl, die reine Liebe.
Das Essen kam, Michelle und Luca heizten sich durch die unmittelbare Nähe gegenseitig an, die pausenlosen Schmuseeinheiten Michelles brachten das Paar beinahe zum Glühen vor
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