Söldnerleben - Kapitel 4
von HG1
***Gefahr in Ar-Tarak***
Es war dunkel, als Dorian und Alysha Ar-Tarak am zweiten Tag erreichten. Er befürchtete, dass das Stadttor bereits geschlossen sein könnte. Dummerweise erreichten sie die Stadt an deren Hinterseite, wo es kein Tor gab. Er gab seinem Droy die Sporen um eventuell doch noch in die Stadt zu gelangen. Der Ritt um die Mauer zog sich lange hin. Prompt war das Tor bereits geschlossen, als sie es erreichten.
„Schau her, hier kommt noch jemand angeritten und das um diese späte Zeit“, sagte der eine Wachposten zum anderen. Dann wandte er sich an die zwei Ankömlinge. „Wer seid ihr? Etwa keine Strauchdiebe?“
„Ich bin ein ehrlicher Händler, der Weibesfleisch verkaufen möchte. Lasst mich passieren.“
„Wenn das Tor abends zu ist, darf niemand mehr rein, guter Händler. Du darfst aber gerne vor den Mauern dein Zelt aufschlagen.“
Dorian, der sich nach langer Zeit wieder einmal auf ein richtiges Bett freute, liess sich nicht so einfach abfertigen.
„Hört zu, bestimmt sieht euer Herr es nicht gerne, wenn zwei Leute vor seiner Stadt sterben.“
„Vor dieser Stadt sind schon ganze Armeen gestorben, da kommt es auf zwei nicht mehr darauf an.“
„Lasst mich durch, oder …“
„Oder was? Willst du uns angreifen? Wir sind zu zweit und viele mehr würden kommen. Also, deine Drohung zieht nicht.“
„… oder Ihr dürft nicht Hand anlegen an meiner Begleiterin.“
„Frauen gibt es wohl genug in Ar-Tarak. Wenn uns danach ist, gehen wir ins Freudenhaus.“
„Ich glaube aber nicht, dass ihr euch eine Sheikhtocher leisten könnt.“
Dorian hörte die Wachen flüstern. Sein Plan funktionierte, der Fisch hatte angebissen.
„Wer bestätigt uns, dass Ihr eine Sheikhtochter bei Euch führt? Es könnte eine einfache Sklavin sein.“
„Könnte es, edler Wachmann. Doch sagt mir, was für einen Zweck hat es für einen Händler, mit nur einer Sklavin nach Ar-Tarak zu wollen. Ich müsste dutzende bei mir führen um Gewinn zu machen.“
Wieder flüsterten die Wachen.
„Was dürfen wir mit ihr anstellen?“
„Grundsätzlich alles. Sie darf nur keine körperlichen Schäden davontragen.“
„Gut, wir nehmen sie. Bis morgen früh, dafür lassen wir euch hinein.“
Dorian befahl Alysha abzusteigen. Die Wachen öffneten das Tor einen Spalt. Der Söldner führte das zweite Droy neben sich her. Mittlerweile hatte er genug Geld um sich mehr als die letzten Absteigen mit scheusslichem Bier leisten zu können.
Dorian genoss das weiche Bett. Die Daunen umschmeichelten seinen Rücken und bescherten ihm den wundervollsten Schlaf seit Wochen. Keinen einzigen Gedanken verschwendete er an Alysha, die die erniedrigensten Dinge über sich ergehen lassen musste und Schmerzen ertrug.
Alysha schien nichts Schwerwiegendes abbekommen zu haben. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Blick gläsern und ihr Gang gebückt, aber ansonsten schien alles in Ordnung. Sie zog es vor, den langen Weg zum Markt zu laufen, obwohl Dorian ihr Droy mitbrachte.
Zielstrebig klapperte er Stand für Stand ab. Er kannte die verschiedenen Typen von Händlern und könnte einen unbekannten anhand des Auftretens einordnen. Heute entsprach keiner seinem Wunsch. Da Dorian keine Lust hatte, Alysha den ganzen Tag bei sich zu haben, begab er sich zum Sklavinnenhaus, einem riesigen Gebäude neben dem Markt, wo Händler ihre Ware zwischenlagern konnten. Er holte am Empfang den Abholschein und machte sich ohne Droy auf in Richtung Tor. Er konnte nichts anderes tun als warten und wenn Dorian warten musste, beobachtete er Leute.
Mit einem Wüstenale in der Hand sass er am Boden nah am Tor. Er rührte sich nur, wenn er einen Schluck trank. Es schienen ewig die gleichen Leute rein und rauszugehen. Sie sahen alle gleich aus, nur hin und wieder fiel jemand aus dem Rahmen, wenn er einen farbigen Burnus trug.
Bei zweien wurde der Söldner doch stutzig. Er sah aus, als käme er aus dem Norden und sie hatte die Züge – einer Elbin. Dorian bemerkte dies nur, weil er selbst aus dem Norden kam. Der fremde Nordländer schien jedenfalls Erfahrung im Umgang mit südlichen Kulturen zu haben.
Dorian erhob sich und folgte den Zweien. Sie gingen auf direktem Weg zum Hafen. Er war jetzt völlig überzeugt, dass sie nicht zum ersten Mal in Ar-Tarak waren. Der Mann unterhielt sich mit dem Kapitän eines schrottreifen Schiffes.
Dorian schwang sich auf eines der in Ar-Tarak verbreiteten Häuser mit flachen Dächern. Als er sich wieder dem Hafen zuwandte, waren die Unbekannten bereits weg. Über eine Planke gelangte Dorian aufs nächste Haus. Von hier aus sah er sie wieder. Ihr Weg führte zum Markt. Wollte der Mann die Elbin verkaufen? Dorian würde es sehen, wenn der Nordländer alleine rauskäme.
Nach einiger Zeit zog Getöse von der anderen Seite des Platzes Dorians Aufmerksamkeit auf sich. Es schien eine Schlägerei im Gange zu sein. Der Söldner verliess seine Ausguckposition. Tatsächlich prügelten Stadtwachen und fremdländisch Gekleidete aufeinander ein. Wer die Oberhand gewinnen würde, konnte Dorian nicht abschätzen, er hoffte aber auf die Stadtwachen. Die anderen kannte er nicht und so wie die sich gaben, würde er dies auch nie wollen.
Innerhalb weniger Sekunden war der Kampf vorüber. Keine Partei konnte eine Entscheidung erzielen, die Dunklen zogen sich einfach rasch zurück. Warum der Kampf entbrannt war konnte Dorian nicht herausfinden. Die Wachen gaben sich seltsam wortkarg und die Schaulustigen waren rasch weg.
Dorian sah den letzten der Unbekannten um eine Ecke biegen. Ohne zu überlegen rannte er ihm nach. Der Söldner kletterte auf ein Dach und von Dach zu Dach hüpfend folgte er den Fremdländer, der bald den Rest der Gruppe eingeholt hatte. Eine Aura umgab sie. Passanten wichen ihnen aus, Mütter versteckten ihre Kinder in den Mänteln.
Die Gruppe verschwand in einem Gasthof, dessen auf Holz aufgebaute Architektur darauf hinwies, dass Nordländer ihn gebaut hatten. Eine schwarze Kutsche stand davor.
Fast hätte er die Unbekannten verpasst. Kaum war Dorian zurück, traten sie aus dem Sklavenmarkt hinaus. Die Elbin war immer noch an des Mannes Seite. Dorian war auf eine unerklärliche Weise froh darüber. Er folgte ihnen, verbriet aber nicht seine ganze Konzentration darauf. Er überlegte sich, ob die Dunklen etwas mit den Ankömmlingen zu tun hatten, schliesslich waren sie fast gleichzeitig aufgetaucht. Jedenfalls schienen die zwei nicht zu den schwarzen zu gehören, sondern vor ihnen zu flüchten. Dorian bemerkte, dass sie sich nie in engere Gassen zurückzogen, sondern auf belebten Plätzen blieben.
Je länger der Nachmittag dauerte desto mehr hatte Dorian das Gefühl, dass die beiden Unbekannten ein sicheres Lager für die Nacht suchten. Scheinbar ziellos hasteten sie durch die Strassen von Ar-Tarak. Wenn eine Taktik dahintersteckte, ging sie auf, Dorian konnte keine Verfolger ausmachen, auch als er nicht nur mit einem Auge Ausschau hielt.
Die Sonne versank als Feuerball im Meer. Die Dunkelheit brach schnell herein und mit ihr die Gefahr für die Nordländer. Dorian misstraute der Stille. Entweder spielten seine Sinne ihm einen Streich oder in der Stadt war es tatsächlich ruhiger als sonst.
Die Nordländer bogen nach rechts ab. Dorian kannte diese Strasse und hasste sie wie alle Ar-Taraker. In einem nicht enden wollenden Bogen führte sie um einen Häuserblock. Nur wenige, schmale Wege führten von dieser Strasse weg. Dorian kannte einen Schleichweg. In kurzer Zeit war er am Ende der Strasse angelangt. Sein Gefühl, Gefahr lauere in der Nähe, bestätigte sich. Mehrere Reiter in schwarzen Kostümen bogen in diesem Moment in die Gasse ein. Dem Wüstensöldner war sofort klar, dass sie es auf die Nordländer abgesehen hatten. Ihm war bewusst, dass er am besten daran getan hätte abzuhausen und seine Finger aus dem Spiel zu lassen. Keine der Parteien wusste von ihm, niemand würde ihm Vorwürfe machen oder bestrafen können.
Auf eine gewisse Weise fühlte er sich aber mit den Leuten aus dem Norden verbunden. Er machte auf dem Absatz kehrt und eilte die Strasse zurück. Er schätzte, als er die zwei wieder sah, dass nur wenige Minuten vergehen würden, bis sie zwangsläufig auf die Reiter treffen. Dorian suchte eine Möglichkeit, sie aus der Gasse zu holen. Vor sich sah er eine der raren Nebenstrassen. Wenn sie es bis dorthin schaffen …
Genau zum richtigen Zeitpunkt tauchten die Reiter auf. Aus seiner schattigen Position aus sah Dorian, wie der unbekannte Nordländer sein Schwert zog. Da stürmte der Söldner aus seinem Versteck.
***
Packard und Arwjena gelangten ohne weitere Zwischenfälle in den Süden. Packard war vor langer Zeit bereits einmal dort gewesen, doch die flammende Hitze überraschte ihn doch. Schon bald entschied er sich, seinen Brustharnisch auszuziehen. Arwjena hingegen schien die Hitze gar nichts auszumachen. Auf ihren Kleidern bildeten sich keine dunklen Stellen und sie hüpfte herum, als fühlte sie sich pudelwohl. Packard hätte durchaus auch die gleiche Beweglichkeit an den Tag legen können wie im Norden, aber seine Erfahrung lehrte ihn, dass er mit seinen Kräften haushalten musste.
Die zwei waren noch nicht in Sichtweite Ar-Taraks, des Wüstenjuwels. Die Umgebung bestand hier nicht aus endlosen Sanddünen, sondern aus Savannen. Laubarme Bäume und dürre Gräser reckten sich der Sonne entgegen. Die Nächte verbrachten Packard und Arwjena unter Bäumen und tagsüber wählten sie die Route, dass sie möglichst oft im Schatten gehen konnten.
„Falls wir nicht sofort ein Schiff bekommen, besuche ich den Sklavinnenmarkt“, verkündete Packard.
„Was ist denn das Verruchtes?“, fragte Arwjena und aus ihrer Stimme war Missmut zu hören.
„Dort findest du die hübschesten Frauen aus der Umgebung. Die Ar-Taraker führen oft Krieg und die beste Beute gelangt auf den Markt, wo sie gekauft werden kann.“
„Das ist ja grässlich. Ich komme jedenfalls nicht mit dir mit“, sagte Arwjena angewidert.
„Du verstehst es falsch. Auf dem Sklavinnenmarkt angeboten zu werden ist keinesfalls eine Beleidigung für die Frauen. In der Wüste sind sie weniger wert als im Norden. Die Töchter von Sheikhen haben die Aufgabe, gut auszusehen und den Männern zu Diensten zu sein. Wer auf den Sklavinnenmarkt gelangt, sieht gut aus. Es ist eine Anerkennung.“
„Du scheinst mächtig Erfahrung zu haben“, meinte die Elbin kalt.
„Ich bin viel herumgekommen in meiner Laufbahn als Söldner.“
Eine Weile sagte niemand etwas, doch Packard spürte, wie Arwjena ihre Neugier nur mühsam zurückhalten konnte. Schliesslich konnte sie sich nicht mehr beherrschen.
„Wo bist du denn schon überall gewesen?“
Packard liess sie zappeln, indem er schwieg. Diese Augenblicke genoss er, wenn er der Elbin ihre Hochnäsigkeit zurückzahlen konnte. Sie behandelte ihn oft wie jemanden, der ihr nicht gleichgestellt war, obwohl Packard einiges mehr an Erfahrung über das Leben in der Welt besass.
„Komm schon, erzähl endlich.“
„Warum willst du unbedingt wissen, wo ich bereits überall gewesen bin? Du betonst immer, alles ausserhalb des Waldes wäre unwichtig.“
„Das sage ich immer noch, aber die Geschichten unseres Waldes kenne ich bereits. Ich möchte gerne etwas Neues hören.“
„Sind die Menschen also nicht so übel, wie du sie beschreibst?“
„Nein“, sagte Arwjena kaum hörbar.
Packard schnappte sich die Elbin und während er sie in den Sand legte, küsste er sie wild. Als sie unter ihm lag, verwöhnte er ihren Hals und seine Hände suchten den Weg zu den Brüsten.
„Wie findest du die Menschen jetzt?“
Arwjena wusste nicht, was mit ihr geschah. Fast instinktiv hatte sie die Beine gespreizt und ihre Quelle benetzte den T’nga-a. Nur ihr Stolz hinderte sie daran, laut herauszuschreien, dass die Menschen ihr gefielen und Packard sie jetzt nehmen möge.
„Ihr Menschen … seid ganz gut.“ Ein Lächeln umspielte Arwjenas Lippen, als sie das sagte, ihre Augen glühten vor Verlangen. Packard sah es sehr wohl, nutzte die Gunst der Stunde aber nicht, sondern erhob sich stattdessen. Arwjena wusste, dass er über sie triumphierte.
Das geschäftige Treiben Ar-Taraks schlug den beiden entgegen wie der heisse Wüstenwind. Packard schlängelte sich geschickt zwischen den Droytreibern hindurch. Arwjena hatte wesentlich mehr Schwierigkeiten, einen Weg zwischen den streng riechenden Tieren und ihren Besitzern zu finden.
Packards Weg führte zum Hafen der Stadt. Da sich schnell herausstellte, dass keine regulären Fahrten zur Dracheninsel bestanden, musste Packard einen Kapitän finden, der ihn gegen Bezahlung hinüberfuhr. Nach etlichen Absagen, fand sich einer, der zumindest ansatzweise Interesse zeigte. Packard war sicher, dass er den einzigen Kapitän gefunden hatte, der ihn zur Dracheninsel bringen wollte. Sein Äusseres bewies, dass er schon viel erlebt hatte. Ein Auge fehlte und keine Augenklappe verhüllte den grässlichen Anblick.
„Geroka können euch schon vielleicht rüber bringen. Sein Schiff sein klein, aber es bestimmt nicht auseinanderfallen.“
Packard zog die Augenbrauen hoch. Der Kahn, auf den Geroka zeigte, sah nicht aus, als überstünde er die nächste Welle.
„Wie viel verlangt Ihr, Geroka?“
„Die See sehr tückisch und Insel berühmt für ihre Riffe und Untiefen. Sein nicht billig. Acht Goldstücke verlangen Geroka.“
Packard schluckte schwer, liess es sich aber nicht anmerken. Wenn der Halsabschneider vor ihm merkte, wie sehr der Krieger auf die Überfahrt angewiesen war, würde er bestimmt noch mehr verlangen.
„Gut, ihr sollt die Goldstücke erhalten. Wann legen wir ab?“
„Übermorgen. Wenn das Wetter stimmt.“
Männer, die aussahen, als könnten sie nicht nur mit ihrem Glauben Berge versetzen, bewachten den Zugang zum Sklavenmarkt. Die kahl rasierten Schädel glänzten im Sonnenlicht. Arwjena begleitete Packard nun doch, wie er vermutet hatte, nahm es die Elbin wunder, wie es auf dem Markt aussah.
Der Söldner fühlte sich beobachtet. Unauffällig, um dem Beschatter nicht zu zeigen, dass er etwas spürte, blickte sich Packard um. Tatsächlich lehnte sich ein schwarzhaariger Mann, der gar nicht hierher zu gehören schien, an eine Hausmauer und musterte ihn allzu offensichtlich. Packard lief ein Schauer über den Rücken und seine Sinne verschärften sich. Wie hatte das Reich so schnell Rächer für den Aufstand im Lager losschicken können?
Packard und Arwjena schlenderten zwischen den mit viel Stuck verzierten Arkadensäulen hindurch. Hübsches Mädchen reihte sich an hübsches Mädchen. Auf den grossen Plätzen in Innenhöfen waren die Sklavinnen an Pfähle gefesselt.
Die beiden schlenderten wieder nach vorne, wo die Sklavinnen der Sonne ungeschützt ausgesetzt waren. Hier fanden sich die günstigeren Mädchen.
Arwjena empfand gleichzeitig Abscheu und eine gewisse Erregung beim Anblick der nackten weiblichen Körper. Frauen waren wie Vieh an Pfähle gefesselt, ihre Geschlechter den vielen Besuchern des Marktes offenbart. Sie erkannte, dass Packard Recht gehabt hatte. Alle Frauen waren schön. Arwjena stellte sich vor, wie sie sich fühlen würde, an einen Pfahl gebunden zu sein. In ihrem Unterbewusstsein formte sich der Wunsch, auch eine Sklavin zu haben. Eine Menschensklavin.“
„Noch nie haben wir eine Elbin gesehen“, sprach ein schleimig grinsender Händler Packard an. „Elbinnen sind schön. Ihr würdet reich werden.“
Arwjenas Herz setzte aus. Wollte Packard sie verkaufen? Das konnte er nicht tun.
„Was bietet Ihr?“, fragte der Söldner.
Der Händler kratzte sich am Kinn. „Sagen wir zweihundertfünfzig Goldstücke. Ist das ein Angebot?“
Packard überlegte.
„Was würde mit ihr passieren?“
„Sie käme zu einem reichen Herrn. Die Herren, die einen solch prall gefüllten Geldbeutel haben, sind rar. Sie würde gut behandelt werden.“
Packard sah einen Weg, seine unliebsame Begleiterin loszuwerden. Arwjena sah, wie es in seinem Kopf arbeitete. Dann schüttelte er den Kopf.
„Dreihundert? Dreihundertfünfzig?“, bettelte der Schleimbeutel.
„Nein“, herrschte ihn Packard an, „sie ist nicht zu verkaufen.“ Er schob den Händler zur Seite. Dieser hob sein Schwert und schlug auf Packard ein – aber hatte nicht damit gerechnet, dass Arwjena ihren Herrn verteidigen würde. Der Händler taumelte, als der Fuss der Elbin ihn ein einer empfindlichen Stelle traf. Schon kniete Packard auf der Brust des Mannes, der ihn angegriffen hatte.
„Versuch nicht, mich noch einmal anzugreifen. Nächstes Mal wird es dir übel ergehen. Verstanden?“
„Woher wusstest du, dass ich dich verteidigen würde?“, wollte Arwjena wenige Momente später wissen. Die Antwort war ein Schulterzucken. Die Elbin liess nicht locker. „Du hast dich nicht gerührt. Warum? Du hast dich auf mich verlassen. Sag schon.“
Er packte sie an den Schultern und küsste sie auf den Mund. Eine Hand wanderte nach unten und betastete Arwjenas knackigen Po.
„Ist dir das Antwort genug?“
Arwjena lächelte. Ja, es war Antwort genug.
Das ungleiche Paar ging weiter, auf den ersten Blick ziellos, aber Packard wusste genau, was er wollte. In scharfem Tempo und mit Zickzackkurs versuchte er allfällige Verfolger abzuschütteln. Sein Plan funktionierte – bis sie an einem bestimmten Pfahl vorbeikamen.
Packard sah sie nur aus den Augenwinkeln, aber das genügte. Er blieb stehen. Das Mädchen kniete mit gespreizten Beinen, die Hände waren über dem Kopf an den Stamm gefesselt. Das blonde Haar fiel unter den schwarzhaarigen Wüstentöchtern auf.
„Na gefällt sie Euch“, fragte ein Händler, der ein Bruder des Schleimbeutels hätte sein können. Er hob das Kinn des Mädchens.
„Ihr …?“, fragte Scottie.
Der Händler schlug ihr auf die Wange. „Du sprichst nur, wenn du gefragt wirst, verstanden?“ Er spuckte ihr ins Gesicht.
„Was kostet sie?“, fragte Packard.
„Ihr müsst bemitleidenswert arm sein, wenn ihr dieses Mädchen kaufen wollt. Blonde Haare sind nicht gerade schön, ihre Brüste sind klein, seht Ihr?“, fragte der Mann und umfasste Scotties Brüste. „Zudem ist sie nicht einmal mehr Jungfrau. Ich gebe sie für weniger als ein Goldstück.“
Scottie schaute Packard aus flehenden Augen an.
„Ich möchte etwas hören von dir“, sagte Packard zu ihr.
„Kauft mich, bitte, mein Herr.“
Packard nickte. „Ich will mir’s überlegen.“ Dann wandte er sich an den Händler. „Ich komme morgen vorbei. Vielleicht nehme ich sie. Aber behandelt sie gut. Und legt eine Decke über sie.“
Der Verkäufer protestierte. „Wer seid Ihr, dass Ihr befehlen könnt, was ich mit meinen Sklavinnen anstelle?“
Der Söldner zog seinen Dolch und hielt ihn dem Mann an die Kehle.
„Ich bin einer, der in diesem Moment über Euer Leben entscheiden kann. Nur ein kleiner Schnitt … und glaubt nicht, dass ich damit keine Erfahrung hätte.“
Packard liess ihn los und verschwand mit Arwjena.
Die Dämmerung brach an. Packard und Arwjena suchten immer noch eine passende Herberge. Er war beinahe sicher, dass sie verfolgt wurden und wollte einen Platz, an dem zwei Reisende nicht auffielen. Da eine leicht bekleidete Elbin aufgefallen wäre, hatte Packard ihr einen langen Mantel mit Kapuze gekauft.
Die beiden gingen durch Häusergassen. Mit den Augen suchte Packard die Umgebung ab. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie verfolgt wurden. In einiger Entfernung hörte Packard Hufgeklapper, aber es kam nicht näher. Als das Paar um die nächste Ecke trat, sah es auch warum. Vier Reiter sperrten die Strasse ab. Es war offensichtlich, dass sie nur zu einem Zweck da waren. Packard zog sein Schwert. Arwjena streifte den Mantel ab um besser kämpfen zu können.
„Packard aus dem Norden?“, fragte eine schroffe Stimme.
„So nennt man mich.“
„Wir sind hier um Euch zu verhaften.“
Packard sagte nichts zur Verteidigung. Er würde sein Schwert sprechen lassen. Die Reiter stiegen ab. Mit gezogenen Waffen kamen sie auf den Söldner und die Elbin zu. Einer der Kerle hatte Handschellen bei sich. Packard liess die Männer herankommen und schlug dem ersten mit einem kräftigen Hieb das Schwert aus der Hand. Überrascht von der heftigen Gegenwehr traten die Männer zurück. Einer blies ein Horn und aus den Häusern traten weitere Männer. Packard sah, dass sie in eine Falle getappt waren. Fieberhaft suchte er einen Ausweg, aber jede Möglichkeit wurde durch den enger werdenden Kreis verunmöglicht. Der Kämpfer hielt sein Schwert fest. Er würde nicht in Gefangenschaft und einen entehrenden Tod gehen, sondern hier sterben.
Seine geschärften Sinne nahmen Schritte wahr, die den anderen entgingen. Plötzlich hörte er einen Schrei, dann das Geräusch von Stahl auf Stahl. Sofort entstand Verwirrung unter den Gegnern, die Packard nutzte und eine Bresche freischlug. Er spürte, wie eiserne Hände ihn packten und davonzogen. In einer engen, dunklen Zwischengasse wurde er losgelassen und hob seine Waffe zur Verteidigung.
„Senke deine Waffe, tapferer Mann. Ich bin auf deiner Seite.“ Packard sah in der Dunkelheit nur die Umrisse seines vermeintlichen Retters. „Wenn du mir folgst, entkommst du den Männern.“
Gebrüll erschallte von der Strasse. Packards Gegner setzten ihm nach. Er sah den einzigen Ausweg, seinem Schattengegenüber zu folgen.
„Führ mich von hier weg. Aber zuerst möchte ich wissen, wo sich Arwjena befindet.“
„Deine Begleiterin? Ich habe auch nur zwei Hände und du bist schon ein rechter Kasten. Sie musste zurückbleiben.“
„Dann kann ich nicht mit dir kommen. Ich muss sie befreien.“
„Und wie stellst du das an, wenn ich fragen darf? Du alleine gegen zwanzig Bewaffnete? Keine Sorge, wie mir scheint sind deine Verfolger nicht von hier – ich zwar auch nicht, aber ich lebe schon lange im Süden und kenne Ar Tarak wie meine Droytasche. Wir werden deine Begleiterin befreien. Nun komm aber.“
Die ersten Männer mit Fackeln betraten die Gasse. Im flackernden Licht erkannte Packard das Gesicht seines Retters. Es war der Mann, den er am Eingang an eine Hausmauer gelehnt und ihn beobachtet hatte. Der Retter stapfte schnellen Schrittes voran.
„Ich heisse übrigens Dorian“, warf der Vorausgehende über die Schultern zurück.
„Ich bin Packard. Wenn nicht die Kerle hinter uns her wären, würde ich gerne eine Vorstellungsrunde starten.“
Dorian bog scharf um eine Ecke. Die Häuser standen hier so eng beisammen, dass er mit den Schultern die Wände berührte. Dorian führte sie weiter, bis sie zu einem Seil gelangten. Er zog sich daran hoch. Als Packard ihm folgte, bogen die ersten Verfolger um die Ecke. An seinem Ohr spürte Packard einen Windhauch und Sekundenbruchteile darauf hörte er ein klackendes Geräusch an der Hauswand. Die Verfolger hatten Fernwaffen bei sich. So schnell es Packard vermochte, kletterte er hinauf, immer auf den Schmerz eines treffenden Pfeils vorbereitet.
Tatsächlich fand ein Geschoss sein Ziel. Packard stöhnte auf, als ein Pfeil seine Hand streifte und einen roten Strich hinterliess. Er hielt sich nunmehr einhändig und schüttelte die verletzte Hand um den Schmerz zu verscheuchen. Als er sich weiter hinaufziehen wollte, stellte er mit Schrecken fest, dass er keine Kraft mehr in der Hand hatte.
„Was trödelst du rum?“, rief Dorian von einem Hausdach aus.
„Ich bin verletzt. Ich kann nicht weiterklettern.“
„Du machst mir Freude. Warte kurz.“
Sehnsüchtig blickte Packard nach oben. Nur zwei Meter noch bis zum Hausdach. Das müsste doch zu schaffen sein. Der Schmerz und die fehlende Kraft beim nächsten Versuch sprachen vom Gegenteil. Worte von unten liessen Packard aufhorchen. Seine Häscher standen unten am Seil. Der erste begann raufzuklettern. Packard wollte nach Dorian rufen, da flog ein Blumentopf an Packard vorbei und traf den Verfolger mit einem dumpfen Knall am Kopf. Dorian wusste, wie er Packard helfen konnte. Er warf weitere Gegenstände nach unten und hoffte, die Verfolger so zu beschäftigen. Der Wüstensöldner holte Anlauf. An der Hauskante sprang er ab und griff nach dem Seil. Er erwischte es und der Schwung trug ihn auf einen tiefer liegenden Balkon auf der anderen Seite. Mit grosser Kraftanstrengung zog er Packard herüber und schnitt das Seil durch. Wütendes Geschrei machte deutlich, dass einige am Seil gehangen hatten.
„Wo sind wir hier? Wie kommen wir raus?“
Dorian zuckte mit den Schultern und machte sich an der Tür zu schaffen. Er rammte seine Schultern dagegen und sie sprang auf. Die Krieger betraten das Gebäude. Kerzchen beleuchteten schwach den Flur, in welchem Dorian und Packard standen. Eine Leiter führte nach unten.
Dorian tat den ersten Schritt, da flog eine Tür am Ende des Flurs auf und ein bärtiger Mann trat aus dem Zimmer. Er fluchte und machte die Faust in Richtung der Eindringlinge. Diese hasteten, Dorian zweihändig, Packard einhändig, die Leiter hinunter, dann noch eine, die in den Keller führte. Dorian schaute kurz um und entdeckte, was er suchte. Mit einer Fackel bewaffnet betrat erst Dorian, dann Packard den Gang. Er war roh aus dem Erdboden gehauen. Die Krieger gingen einige Minuten, ehe Dorian sie an einer Leiter nach oben führte.
Auch hier schienen sie sich in einem Wohnhaus zu befinden. Dorian deutete nach oben. Nach wenigen Augenblicken befanden sie sich auf dem Dach des Hauses. Von dort huschten sie weiter. Nach einigen Minuten hielt Dorian an.
„Hier müssten wir sicher sein. Sollten uns die Schergen entdecken, können wir immer noch verduften.“
„Woher hast du gewusst, dass sich ein unterirdischer Gang im Haus befindet?“
„Die meisten Häuser haben Verbindungen zueinander. Darüber können wir uns aber später unterhalten. Willst du nicht deine Begleiterin zurückhaben?“
Packard stellte in seinen Gedanken eine Karte der Umgebung her um herauszufinden, wo sie sich jetzt befanden.
„Wo könnte sie hingebracht worden sein?“
„Das habe ich bereits herausgefunden. Die Gruppe Nordländer ist mir schon aufgefallen, als sie angekommen ist. Ich habe sie beobachtet und weiss, wo sie lagern.“
Packard riss von seiner Bekleidung ein Stück Stoff ab und verband seine Hand – zum Glück war es nicht die Schwerthand.
„Führ mich hin“, forderte Packard.
„Verbinde erste deine Hand, dann sehen wir weiter.“ Als Packard fertig war, erhob sich der andere Krieger. „Komm, gehen wir deine Begleiterin holen.“
Kaum hatte er das gesagt, verschwand er auch schon am Hausrand. Packard sprang auf und Dorian hinterher. Während sie durch die Strassen und Gassen eilten, kam es Packard vor, als kenne er einige Ecke, wie wenn Strassenzüge oder ein Haus in der Erinnerung gewartet hätten, neu zu erscheinen.
Nachdem Dorian angehalten hatte und Packard fast in ihn gerannt wäre, war er sicher, den Weg zurück zu finden.
„Da vorne sind sie, in diesem Gasthaus.“
Packard zwängte sich nach vorne. Schatten huschten hinter den erleuchteten Fenstern hin und her wie Ratten. Was trieb ihn dazu, Dorian, den er erst einige Momente kannte, zu vertrauen? Das war gar nicht seine Art.
„Besitzt der Gasthof einen Hintereingang?“
„Tut er.“
„Gut, dann möchte ich mein Glück dort versuchen. Doch nicht von hier aus. Führ mich um den Platz herum.“
Wenige Minuten und keine Geräusche später hatten Dorian und Packard die unbeleuchtete Rückseite der Schenke vor sich. Packard lockerte sein Schwert und trat, nachdem er prüfend die Luft eingesogen hatte, aus der Gasse. Kaum mehr als ein Schatten war er, als er die ungeschützte über Fläche zum Haus hinüberhuschte. Ein Pfiff signalisierte Dorian, dass er nachkommen konnte.
Stimmen und ein dünner Lichtstrahl drangen aus der Tür. Vorsichtig schob Packard sie Stück für Stück auf. Seine Sinne hatten Recht behalten, hinter dem Eingang befand sich nicht der Schankraum, sondern ein Flur, von dem eine Holztreppe nach oben führte. Der Fackelschein aus dem Schankraum war genug, um dies den scharfen Augen der Kämpfer zu zeigen.
Prüfend strich Packard über das Holz und schnaubte verärgert. Es schien, als sei die Treppe älter als die Leute im Haus. Alte Treppen bedeuteten oft, dass Schleicher sie nicht so hinaufgehen konnten, wie sie wollten.
Packard betrat die erste Stufe. Nichts. Am Rande gehend erklomm er die zweite und auch diese schwieg. Der Krieger machte sich aber nicht die Hoffnung, der Rest würde ähnlich gut gehen. Langsam, Stufe um Stufe, schritt er hinauf, den Körper an die Wand gepresst. Fast oben angekommen machte das Holz doch noch einen Strich durch Packards Hoffnung. Er hielt inne, verlagerte das Gewicht langsam – und stand oben. In diesem Moment wurde die Tür zum Schankraum aufgerissen. Packard stolperte in die Dunkelheit. Was war mit Dorian? Keinen Gedanken daran verschwenden. Schritte kamen die Treppe hinauf. Hastig suchte Packard einen Ausweg. Er fand eine Klinke hinter sich. Drückte sie. Schlüpfte ins dunkle Zimmer. Atmen. Das Zimmer war besetzt. Die Tür ging auf. Die Tür wurde zugeschlagen. Packard atmete auf, die Schritte waren in ein anderes Zimmer gegangen. Beidhändig öffnete er die Tür – und lief in etwas, das sich wie einem Mensch anfühlte. Dorian.
Die Krieger mussten sich nicht sagen, dass es eben knapp gewesen war, sondern suchten das Zimmer, in welchem Arwjena aufgehalten wurde. Keine Geräusche verursachten die Schritte der Krieger. Zuhinterst im Gang deutete Packard auf die Tür neben sich. Er vermutete, dass sich hinter ihr ein grösseres Zimmer und auch Arwjena mit ihren Häschern befand. Leider war die Tür verschlossen. Ein Blick durchs Schlüsselloch brachte Packard keine neuen Erkenntnisse, denn der Schlüssel steckte. Ein Ohr an der Wand verriet ihm aber, dass sich dahinter Menschen aufhielten und flüsterten.
Die Kämpfer nahmen Aufstellung und wuchteten gleichzeitig ihre Körper gegen die Tür. Fast ohne Gegenwehr ergab sie sich, was gut war für Packard und Dorian, denn so konnten sie die Überraschung ausnutzen. Was weniger gut war, war, dass sie von Soldaten mit gezogenen Waffen empfangen wurden. Einige Handarmbrüste waren auf sie gerichtet. Im entfernten Ecken sass Arwjena an einen Stuhl gefesselt.
„Wer uns zu so später Stunde mit einem Besuch beehrt, muss wahrlich etwas Wichtiges verloren haben“, sagte eine Stimme aus dem Nebenraum. „Packard, wenn ich raten darf. Und neben Euch ein Wüstensohn, der keiner ist.“
„Zeig dich“, befahl Packard. Die Stimme lachte.
„Ich lasse mir nichts befehlen von einem, der sich nicht in der Situation befindet, Befehle auszusprechen. Aber du hast Glück, ich wollte mich eben zeigen.“
Der Urheber der Stimme war verschleiert, an der Seite baumelte ein Scimitar. Eine Aura, die Packard nicht gefiel, umgab den Verhüllten.
„Ich bin kein Mann der grossen Worte, ich komme daher zur Sache. Ihr werdet sterben und die Elbin wird mir gehören.“
„Mit Verlaub, Herr“, sagte Packard unterwürfig, „weder das eine noch das andere wird eintreffen“, sagte der Krieger nun aufbrüllend, war mit einem Satz auf den Beinen, das Schwert flog in seine Hand. Und traf auf Stahl. Die Augen des Verhüllten schossen Blitze ab.
„Der Fisch zappelt noch“, höhnte der Verhüllte. Packard vollführte einen Ausfallschritt, wirbelte sein Schwert in der Hand herum. So
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