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Kommentare: 2 | Lesungen: 3043 | Bewertung: 8.15 | Kategorie: Teen | veröffentlicht: 22.03.2013

Die Gemeinschaft - Folge 58

von

***Licht ab, Ton an, Kamera läuft***

„Scheisse, was bin ich nervös.“ Thomas tigerte im Wohnzimmer auf und ab. Immer wieder warf er einen Blick auf die Uhr. „Wir sollten langsam los.“


„Das wird schon. Ich meine Mahler weiss, was du kannst. Er wird dich nicht überfordern.“


Martina, die auf der Couch sass, versuchte ihn zu beruhigen. „Aber wo bleibt Alex? Normalerweise sind wir Frauen am längsten im Bad.“


Endlich erklangen Schritte auf der Wendeltreppe und Alex erschien. „Los geht’s.“


Sie fuhren in die Tiefgarage hinunter und stiegen in Thomas‘ Impreza. Alex nahm hinten Platz. Während sie vor dem Garagentor warteten, trommelte Thomas nervös mit den Fingern aufs Lenkrad. Martina zog ihren Pferdeschwanz fester an.


Wenige Minuten später waren sie auf der A1 und brausten gen Zürich. Jetzt da er sich auf den Verkehr konzentrieren musste, fiel die Anspannung etwas von Thomas ab.


In Zürich war der Verkehr dichter und hektischer, als sie durch die Stadt kurvten. Als sie endlich die Halle fanden, waren die drei enttäuscht: Etwa gleich gross wie diejenige der «Fighters», aber im Gegensatz zu dieser wirkte sie leicht schäbig und veraltet.


„Wir suchen uns gute Plätze. Viel Glück“, verabschiedete sich Alex und klopfte Thomas auf die Schulter. Martina umschlang und küsste ihn hingebungsvoll. „Viel Glück!“, flüsterte sie.


„Aha, Thomas ist auch im Land““, grinste Milan, als Thomas die Gästegarderobe betrat. Auch hier wirkte alles ein wenig schäbiger als Zuhause, nicht schmutzig, eher vernachlässigt und veraltet.


Rasch zogen die Spieler sich um, schlüpften in die mehrheitlich schwarzen Auswärtstrikots, dann kam Mahler herein. „Also schön, Leute. Los geht’s. Es ist das erste Spiel der Saison und es ist extrem wichtig, dass wir gewinnen und uns in eine gute Ausgangslage bringen. So kaufen wir den Zürchern gleich ein wenig den Schneid ab. Zur Aufstellung: Milan bildet mit Serge die erste Sturmreihe, Özdemir mit Milaim die zweite. Tut mir leid, Thomas, du bist zuerst auf der Bank. Also, los jetzt, setzen wir die «Leopards» gleich unter Druck!“


Unter dem Schreien und Klatschen der Zuschauer lief die Mannschaft in die Halle hinaus. Sie war annähernd voll. Leider machten die mitgereisten «Fighters» -Anhänger nicht die erhoffte Menge aus, aber Thomas sah von weitem das Banner der «Capital Cats», der weiblichen Ultra-Gruppierung des Clubs. Kreischende Girls hüpften dahinter auf und ab und jubelten ihnen zu. Die Mannschaft klatschte zurück, dann nahm sie Aufstellung. Thomas sog die fiebrige Atmosphäre in sich auf, während er zur Gästespielerbank hinüberging. Ganz vorne bei den «Fighters »-Fans bemerkte er Alex und Martina, die ihm zuwinkten. Er winkte zurück und setzte sich. Er war enttäuscht, mehr als er es sich eingestehen wollte. Da war er nun als Spieler an seinem ersten Profimatch und konnte nicht mal ins Spiel eingreifen, zeigen, was er draufhatte.


‚Aber eigentlich hast du damit rechnen müssen Junge ‘, dachte er. ‚Das ist ein anderes Niveau als das Turnier damals im Tessin .‘


Das Spiel wurde angepfiffen und vertrieb für einen Moment die trüben Gedanken aus seinem Kopf, als es ihn von der ersten Sekunde an mitriss. Milan gewann den Ball und mit einem unglaublichen Antritt stürmte er auf das gegnerische Tor los, wurde aber schliesslich doch von einem gegnerischen Verteidiger aufgehalten.


Nun rollte der Gegenangriff des blauweiss gekleideten Heimteams. Thomas zog die Luft zwischen den Zähnen ein. Kees und seine Kollegen in der Verteidigung wurden von diesem furios vorgetragenen Konter überrascht und die ganze Bank stöhnte auf, als die Tormusik zu dudeln begann.


1:0 für die «Leopards».


Mahler lief hinter der Bank auf und ab und trieb die Spieler an, dann schickte er Milaim aufs Feld raus, dafür bekam Serge eine Pause.


Die Reaktion der Mannschaft war heftig und erfüllte Thomas mit Stolz, Teil von ihr sein zu dürfen. Wieder war es Milan, der zum Sturmlauf ansetzte. Nach einem Doppelpass mit Milaim liess er einen Verteidiger stehen und drosch den Ball in die Maschen.


Die gesamte «Fighters» -Bank sprang auf und brüllte vor Begeisterung, als Milan herankam, die entgegengestreckten Hände abklatschte und sich auswechseln liess. Nun war Özdemir auf dem Feld.


In der Folge wogte das Spiel hin und her. Es war absolut ausgeglichen. Leider waren es die Gastgeber, die wieder in Führung gingen. Es juckte Thomas in den Beinen, über die Bande zu springen und ins Geschehen einzugreifen. Stattdessen war er dazu verurteilt, hier zu sitzen und machtlos zuzusehen. Gereizt lehnte er sich zurück.


Immerhin gelangen Bourquin und Häberli nun der Ausgleich und die 3:2-Führung, ehe die «Leopards» wieder ausgleichen konnten.


Nun hielt es Thomas kaum mehr auf der Bank. Das dritte Drittel begann und er hing fast mehr an der Bande, als dass er gesittet sass. Der Flügelspieler der Zürcher, ein gewisser Severin Maihofer, spielte die «Fighters» -Verteidigung schwindlig und schloss zum 4:3 ab.


Unbarmherzig tickte die Matchuhr. Thomas sah unablässig zwischen ihr und dem Spielfeld hin und her.


Die Fans der Gastgeber jubelten und klatschten, trieben mit wehenden Wimpeln und Bannern ihre Mannschaft an, aber irgendwo gab es einen Bruch. Thomas spürte es, auch wenn er nicht sagen konnte, wo genau und woran es lag.


Mahler registrierte den Umschwung natürlich ebenfalls und brüllte Anweisungen. Die «Fighters» erwachten, aber nun rannten sie gegen eine massive blauweisse Wand an, die sich ihnen entschlossen entgegenstellte.


Thomas‘ Hände waren schweissnass, Sekunde um Sekunde verrann unerbittlich. Die achtzehnte Minute des Schlussdrittels brach an, verfloss, dann kam die neunzehnte.


Der Trainer hielt sich nun zurück, um die Mannschaft nicht durcheinanderzubringen, als sie zur Schlussoffensive ansetzte und sich durch die gegnerische Hälfte spielte, ihn durchbrach. Wie eine Welle sprang Thomas‘ Mannschaft auf – dann kannte ihr Jubel keine Grenzen mehr, denn Kees hatte zum 4:4 ausgeglichen, drei Sekunden, bevor die Sirene erklang.


Milan und Serge liefen nun auf. Die Zuschauer machten einigen Lärm, die heimischen, wie die Gästefans. Thomas wurde nun endgültig klar, warum die beiden Mannschaften echte Rivalen und ernsthafte Titel-Aspiranten waren. Blitzschnelle Pässe wurden knallhart abgewehrt, die «Fighters» und «Leopards» duellierten sich auf hohem Niveau und schenkten sich nichts, nicht den schwierigsten Ball, noch einen einzigen Zentimeter Raum.


Der Schreck durchfuhr Thomas, als der Zürcher Stürmer Bosshard auf Torhüter Rubin zuhielt. Kees stolperte im dümmsten Moment und schon lag der Ball im Netz.


Jubelschreie gellten durch die Halle. Die «Leopards» hatten schliesslich doch noch gewonnen. Thomas und seine Kollegen sanken auf der Bank in sich zusammen, bekamen Mahlers erste Worte kaum mit. Erst als die besten Spieler geehrt wurden, tauchten sie wieder ein wenig auf. Kees wurde für die «Fighters» ausgezeichnet, Bosshard für die Zürcher.


Geschlagen trottete die Mannschaft zum Gästesektor und liess sich von den «Cats» und den anderen Anhängern bejubeln, bevor die Spieler geknickt in die Garderobe schlichen.


„Lass den Kopf nicht hängen.“ Milan sah Thomas mitfühlend an. „Ich weiss, das tut weh, beim ersten Profimatch auf der Bank zu sitzen. Aber der Trainer weiss, was du kannst, also wird deine Chance bestimmt kommen.“


„Am liebsten würde ich jetzt richtig die Sau rauslassen“, brummte Thomas und setzte sich auf die harte Holzbank.


„Wir gehen ohnehin in den Ausgang“, meinte Milan. „Komm doch mit.“


„Okay, aber ich bin nicht allein, meine Freundin und ein Kollege sind mitgekommen.“


„Nimm sie einfach mit.“ Nico Bürger grinste.


„Ich komme nicht mit“, meldete sich Kees zu Wort. „Ich finde, dass man sich zusammennehmen muss, wenn man etwas erreichen will. Ich fahre nach Hause.“


Milan grinste zwar, aber als er Kees auf die Schulter klopfte, war nicht zu übersehen, welch grossen Respekt er vor seinem Sturmpartner hatte.


Serge war zwar deutlich besser gelaunt als Thomas, aber auch er hatte an der knappen Niederlage zu knabbern.


Mahler kam herein. „Jungs, wir haben verloren und beim ersten Spiel der Saison ist das besonders schmerzlich, aber die «Leopards » waren stark und – was das Wichtigste ist – wir haben gekämpft. Wir werden das Spiel im nächsten Training genau analysieren. Nun wünsche ich euch eine gute Heimreise.“


Thomas trat als erster auf den Gang hinaus. Dort wartete Lara. Wie üblich lächelte sie überheblich.


„Tja, siehst du, die Loser sitzen eben auf der Bank.“


Thomas schenkte ihr nur ein aufgesetzt freundliches Grinsen und antwortete nicht. Alex und Martina kamen eben den Gang entlang. Alex nickte nur, während Martina ihm wortlos um den Hals fiel und ihn an sich drückte. Kurz barg sie den Kopf an seiner Brust, dann küsste sie ihn.


„Wir gehen noch in den Ausgang. Ihr seid doch dabei, oder?“


„Natürlich.“ Alex grinste. „Ist doch klar, dass du etwas Aufmunterung brauchen kannst.“

Milan empfahl ihnen das «Bloksa» . Die Bude war eher eine 0815-Kneipe, in der die aktuellen Hits liefen. Nico und seine Freundin drängten sich zur Bar, um die Bestellung für alle aufzugeben.


„Wir gehen oft hierher, das heisst oft bei Auswärtsspielen!“, rief Ivana zu Thomas hinüber und schwenkte bereits den Arsch zu den Rhythmen von «Dragostea din tei» , welche durch den Raum schallten.


Er hielt zur Antwort den Daumen hoch. Nico drückte ihm sein Bier in die Hand.


Thomas wechselte einen Blick mit Alex. „Das einzige Bier des Abends“, kommentierte er bedauernd.


Alex verzog vor Mitgefühl das Gesicht, aber ein Grinsen konnte er sich dennoch noch nicht verkneifen.


Thomas sah zu Ivana, die einen weissen Mini und ein hellblaues bauchfreies Oberteil trug. Sie dancte immer noch leicht. Milan, der inzwischen eine Zigarette im Mundwinkel trug, grinste, als er Thomas‘ Blick bemerkte, aber eine leise Warnung lag in seinem Blick. Thomas machte eine kurz beruhigende Geste und begegnete dann Martinas wissendem Grinsen. Er gab es zurück und zog seine Freundin an sich.


Er küsste sie fest und sie umschlang ihn.


Das Lied wechselte und nun erklang «Left outside alone» von «Anastacia». Die Clique bewegte sich auf die Tanzfläche zu. Thomas genoss sein Bier, aber leider war es bereits halb leer.


Furrer war auch dabei. Thomas vermutete, dass er ein Auge auf sie haben wollte, aber der Captain gab sich so ungezwungen, dass es schwer war, ihn sich als Spitzel vorzustellen. Thomas nahm den letzten Schluck Bier, dann wandte er sich ganz zu Martina um. „Lass uns tanzen!“, rief er ihr ins Ohr. Sie nickte und schmiegte sich an ihn. Umschlungen tanzten sie auf der Stelle, mehr Platz hatten sie nicht, denn die nicht allzugrosse Bar war schon ziemlich überfüllt.


„Noch ein Bier?“, rief Milan.


„Nein, muss noch fahren!“, gab Thomas zurück. „Ich habe meinen Führerschein erst seit kurzem, da will ich nichts riskieren. Ausserdem habe ich Martina und Alex mit im Wagen.“


„Alles klar“, nickte sein Sturmpartner. Er legte gerade eine Tanzpause ein und zündete sich eine weitere Zigarette an.


Aber die Pause währte nicht lang, und sobald das zweite Bier gekippt war, und «Leave» von «JoJo» aus den Boxen dröhnte legten sie wieder los.


Milan und Ivana standen ganz klar im Mittelpunkt, sie führten die Truppe an.


Während einer späteren Pause ging Thomas zur Bar. Zu spät erinnerte er sich, dass er nun kein Bier mehr bestellen konnte und so lehnte er sich nur an die Theke. Zu seiner Überraschung war ihm Ivana gefolgt. Er hob die Augenbrauen.


„Ey, Mann, du musst dich nicht hängenlassen, entspann dich“, meinte sie lächelnd. „Das war eben nicht dein Tag, so geht es jedem mal, aber wenn es ein Scheisstag war, dann grinse ihm ins Gesicht und tritt ihm in die Eier, ey, dann kommst du wieder hoch.“


Thomas grinste unwillkürlich. „Als ob das so einfach wäre.“


„Nächste Woche ist wieder Training, das ist deine Chance. Nutze sie und nächstes Wochenende stehst du auf dem Feld, nicht der Oberdammer, Mann.“


„Danke.“


Sie zeigte ihm den nach oben gereckten Daumen, dann kämpften sie sich zu den anderen zurück. Thomas drängte sich nun mit Martina, die unterdessen mit Alex getanzt hatte, in die Mitte und sie tanzten neben Milan und Ivana. Die anderen holten mehr Bier. Thomas schaute sehnsüchtig zu, aber dann verdrängte er den Gedanken und genoss es, Martina neben sich zu haben und sie zu spüren, für einmal ohne, dass sie fickten. Was nicht war, konnte noch werden, aber Thomas bezweifelte es, schliesslich hatten sie noch die Heimfahrt vor sich.


Obwohl er heute nicht gespielt hatte, fühlte sich Thomas kurz vor Mitternacht ziemlich wackelig auf den Beinen und er fragte sich, wie es den anderen gehen mochte. Vom Zigarettenqualm brannten ihm die Augen und er stank, wie eine ganze Fabrik: Die Bar war eine richtige Rauchhölle, das fiel ihm erst auf, als sie alle an die Kühle traten.


„Wir sehen uns am Montag und nimm’s nicht zu schwer“, meinte Furrer, bevor er sich verabschiedete. Auch Milan klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, bevor Ivana Thomas zum Abschied umarmte.


Zu müde, um gross zu reden, stiegen die drei in den Impreza. Wegen der Müdigkeit, wagte es Thomas nicht, zu schnell zu fahren, auch wenn sich dadurch der Heimweg verzögerte. Schliesslich konnten sie alle am nächsten Tag ausschlafen.

***

Am frühen Sonntagabend klingelte die Türglocke. Ich stand vom Bürostuhl auf und schaute zu Thomas ins Zimmer. „Erwartest du jemanden? Kommt Martina auf einen Fick vorbei – oder will Armina nochmal?“


Thomas schaute von seinem Buch auf. „Ich hoffe nicht. Der Freitag reicht vorerst.“


Ich hastete die Treppe runter und öffnete. Catherine stand draussen.


„Wollen wir zusammen kochen und einen gemütlichen Abend verbringen?“


Vorgestern hatte sie mich sitzengelassen, jetzt kam sie mit Engelsmiene. Muss nichts bedeuten. Am Freitag hatte sie einfach keine Lust. Das gibt‘s. Ich könnte sie ebenfalls abweisen, aber das wollte ich nicht. Wäre Kindergarten-Verhalten.


„Sehr gerne. Ich sag‘s Thomas, dann bin ich bei dir.“


Als ich es ihm mitteilte, nickte er kurz. Ich beeilte mich die Treppe hinunter. Es zog mich zu Catherine. Zuerst gab ich ihr einen leidenschaftlichen Kuss, der ausdrücken sollte, dass ich mir seit Freitag Sorgen gemacht hatte und wie froh ich war, sie zurückzuhaben.


„Ich freue mich, dass du kommst. Letztens war ich nicht gerade nett zu dir.“


„Das macht nichts. Sowas kommt vor. Musst du morgen arbeiten?“, fragte ich sie.


„Nur am Vormittag. Später habe ich Zeit für ein Mittagsschläfchen.“ Ich lächelte und legte einen Arm um ihre Schulter.


Sobald wir alleine in ihrer Wohnung waren, gab es eine kräftige Umarmung. Das hatten wir uns jetzt verdient. Es tat unglaublich gut, ihre Wärme zu spüren, ihren Duft zu riechen. Das Essen trat in den Hintergrund. Das Beisammensein zählte deutlich mehr.


Nachdem wir uns gedrückt hatten, machten wir uns ans Kochen. Ich schnitt Zucchini und Peperoni, meine Freundin kümmerte sich um die Sauce und das Poulet.


„Dieses Menü ist einfach zuzubereiten. Könnt ihr auch einmal versuchen.“


Ich versuchte, es mir zu merken, aber mit den Gedanken war ich woanders. Endlich war alles bereit. Auch jetzt, mit dem Essen vor mir, hatte ich bloss Augen für Catherine. Reduziere ich sie aufs Äussere? Das hat sie nicht verdient. Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Essen zu. Es schmeckte hervorragend. Nicht erst jetzt bemerkte ich das, wollte es nur noch einmal festhalten.


Plötzlich war der Teller weitgehend leer. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich schon soweit war. Zwei Gabeln kriegte ich noch voll, ehe endgültig Ende war. Wir blieben noch etwas sitzen, streichelten uns die Hände und genossen einfach das Beisammensein. Nach einer Weile machten wir uns an den Abwasch und ich öffnete die Balkontür, um frische Luft einzulassen.


Catherine zog mich auf das Sofa. „Vor einem Jahr sind wir uns näher gekommen“, sagte sie.


„Du hast mich nach dem Spitalaufenthalt bei dir aufgenommen.“


Es wurde still. Catherine begann als erste wieder zu sprechen. „Damals war ich noch mit Roger zusammen. Es kommt mir so lange vor.“


„Es ist viel passiert.“


Sie lächelte und küsste mich. „Wir haben einander gefunden. Das ist alles, was zählt. Eine neue Stelle habe ich auch.“


„Willst du erzählen?“


„Ich bin einfach nur glücklich. Im Internat hat es mir schon gut gefallen, aber dort ist zuviel geschehen. Es macht mich unheimlich glücklich, wenn ich zu den Leuten nach Hause gehe und sie mich freudig empfangen oder mir nach dem Einsatz danken.“


„Betreut ihr auch jüngere Leute?“


“Weniger. Die Jüngsten sind um die dreissig rum. Klar, ich hätte gerne ein paar junge Klienten, wie es bei uns heisst. Das Wichtigste ist aber, dass ich den Leuten helfen kann, egal ob jung oder alt.“


Ich umarmte sie und sog ihre Anwesenheit, ihre Ausstrahlung, ihr Wesen in mich, damit ich vielleicht selber ein besserer Mensch würde. Von ihr konnte jeder auf der Welt etwas lernen. Ich kam mir richtig unwürdig neben ihr vor.


Sie legte ihre Hände an mein Gesicht und küsste mich. „Das tut so gut. Wenn morgen nicht Montag wäre, würde ich gar nicht schlafen wollen, nur um dich die ganze Nacht zu geniessen.“


„Mich stört es nicht“, sagte ich und strich über ihren Rücken. „Wir haben schon lange nicht mehr richtig viel Zeit miteinander verbracht.“


Sie presste sich an mich, als fürchte sie, dass ich entführt würde. Eine Entführung konnte auch das Klingeln des Handys sein. Nichts soll uns stören. Unsere Finger verschränkten sich und ein Schauer lief mir den Rücken runter. Auf eine ganz spezielle Weise fühlte es sich an, als täten wir das zum ersten Mal.


„Ich liebe dich“, flüsterte ich ihr ins Ohr.


Sie küsste meinen Hals, mit der einen Hand fuhr sie mir unters Shirt. Ihre Finger auf der nackten Haut riefen Gänsehaut hervor. Plötzlich war ich überall kitzlig und konnte mich nicht mehr ruhig halten. Ich musste Catherine einfach haben. Das bedeutete nicht unbedingt, dass es zu Sex kommen musste – aber es war denkbar.


Catherine trug das Ihrige dazu bei, dass es vielleicht soweit kommen würde. Sie schob mein Oberteil hoch und küsste mich auf die entblösste Brust.


Danach berührten sich wieder unsere Lippen und sie liessen die Zungen ans Werk. Die ganze Welt begann sich zu drehen. Für alle ausser mir war es unvorstellbar, was ich erlebte. Ein Traum ging in Erfüllung. Wir machten ihn uns real. Seit ich das Internat verlassen hatte, arbeiteten wir daran. Was einst ein Luftschloss gewesen war, erlebten wir nun in Wirklichkeit.


„Bist du froh, dass wir nichts Verbotenes mehr tun?“, fragte ich.


Catherine schaute mich aus fragenden Augen an. „Auf jeden Fall. Du etwa nicht?“


„Unser Geheimnis war spannend. Ich vermisse es allerdings auch nicht mehr. Es ist doch viel schöner, wenn man seine Freundin nicht verstecken muss.“ Ich schob ihr Top hoch. „Besonders eine solche Freundin.“ Ich küsste sie zwischen die Brüste, dann auf den Bauch. Ich glaubte, dass ihr Atem mit einem Mal schneller ging.


Sie setzte sich rittlings über meine Oberschenkel und zog sich das Top aus. Es landete auf der Lehne des Sofas. Catherine legte ihre Hände in meinen Nacken und zog mich näher. Mit dem Ohr an ihrem Oberkörper hörte ich ihren Herzschlag.


Wir hielten uns einfach, versanken in der Vertrautheit, die sich im letzten Jahr zwischen uns aufgebaut hatte. Es handelte sich um eine Nähe, die man nur mit ganz wenigen Menschen erlebte. Schon einige Zeit vor unseren Ferien im letzten Winter hatte ich gespürt, dass sie eine solche Person war. Von ihr ging Magie aus. Beschreiben konnte ich sie nicht, sie war einfach da.


Einhändig öffnete ich den BH. Catherine hielt ihn noch etwas oben und ich hatte es ebenfalls nicht eilig. Es tat schon gut, ihre Haut auf meiner zu spüren. Auch mein Oberteil war bald weg. Wir waren uns so nahe, wie wir wollten. Wir brauchten es.


Erneut gab es einen intensiven Kuss. Er wollte nicht enden. Ich streichelte meine Cat, schob die BH-Träger von den Schultern und endlich spürte ich alles von ihr. Sie drängte mich nach hinten, ich lag halbwegs auf dem Sofa. Meine Freundin küsste mich, auf den Mund, am Hals, die Schulter. Dieses Gefühl, das ich nur mit Catherine hatte, war wieder da. Ich kam mir vor, als läge ich auf Federn oder Rosenblüten. Meine Freundin erfüllte all meine Träume.


Langsam schob ich ihre Hose hinunter. Catherine sagte nichts. Sie wollte es auch. Ich vergass manchmal, dass Sex ihr nicht egal war, obwohl sie ihn weniger häufig als andere Leute brauchte. Sie hauchte mir ihre Gefühle entgegen und ich liess es mir nicht nehmen, sie auf den Mund zu küssen.


„Das habe ich genauso vermisst wie alles andere“, flüsterte sie und sah einfach nur glücklich aus. Sie streichelte meine Wange und unsere Münder fanden sich zum nächsten Kuss.


Ich liess meine Hände streifen. Catherines Hose brachte ich in dieser Stellung nicht weiter runter, was auch nicht schlimm war. Nackte Haut hatte ich genug. Mit den Fingerspitzen erforschte ich den Körper. Obwohl wir uns einander schon etliche Male hingegeben hatten, fühlte es sich noch immer frisch und unverbraucht an. Vielleicht lag es daran, dass wir nicht so häufig Sex hatten. Ich spürte gar eine gewisse Nervosität aufsteigen. Was hatte denn das zu bedeuten?


Ich sorgte dafür, dass es überhaupt nichts bedeutete. Es gab nichts, weswegen ich verunsichert hätte sein müssen. Ich konnte mich fallenlassen und musste über nichts nachdenken. Catherine sorgte dafür, dass es mir gutging und umgekehrt bewirkte ich hoffentlich das Gleiche.


Ich spürte, dass sie sich an meiner Hose zu schaffen machte. Wohin das führte, war nicht mehr schwierig zu erraten. Heute wollten wir es beide. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass es sich um Versöhnungssex handelte? Es gab nichts zu versöhnen. Letzten Freitag war ich etwas enttäuscht gewesen, aber das kam manchmal vor. Verstimmt war ich deswegen nicht.


Sie legte ihre Hand um die Männlichkeit und streichelte sie. Meine Erregung stieg innert kürzester Zeit auf Höchststand. Mit Catherine bedeutete das immer etwas anderes als sonst. Es ging nicht um wildes Rammeln, um Härte und lautes Stöhnen. Die Gefühle standen über allem. Ich wollte sie einfach so nahe wie möglich spüren.


Unsere Körper rieben aneinander. Es war ein einziger Genuss. Meine Fingerspitzen strichen liebevoll über die Haut und wir küssten uns oder lagen einfach nur da, den anderen spürend. Es war wirklich wie beim ersten Mal.


Catherine entfernte geschickt ihre Hose und lag nun endgültig nackt auf mir. Ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen. Von mir aus hätte es gar noch dunkler sein können. Die Augen mochten einen täuschen. Jedes Sinnesorgan, wenn es für sich alleine stand, mochte einen täuschen. Nur alle zusammen sorgten für wirklich tiefe Gefühle und in eben diesen versank ich. Ich war ein Fisch, der ins Wasser zurückgeworfen wurde. Endlich ging es mir wieder gut.


Catherine befreite auch mich vom Stoff. Entkleidet lagen wir beieinander und streichelten uns. Ich wusste nicht, weshalb ich vorhin beunruhigt gewesen war. Es gab kein Weiter oder Schneller. Jeder konnte so sein, wie er war. Geheimnisse kannten wir nicht.


Meine Freundin hob das Becken und führte mich ein. Zuerst war es nur die Eichel, die den heissen Eingang passierte. Alles passierte wie ihn Zeitlupe. Unsere Lippen trafen sich, die Zungen umschlangen einander, alles war perfekt. Stück um Stück drang ich tiefer ein. Catherine umschloss mich und gewährte mir die unglaublichen Gefühle, auf die ich gewartet hatte. Ich hatte gewusst, dass sie kommen würden, aber jetzt, da ich sie wirklich erlebte, konnte ich nicht anders als zu keuchen. Die Lust wollte aus mir heraus und noch tiefer drang ich ein.


Catherines Zunge spielte mit meiner und manchmal biss sie hinein. All das war ein gewaltiger Strudel, ein Tornado oder ein heftiges Gewitter. Vielleicht auch nur ein Sommerregen, der die Hitze wegspülte und die Felder bewässerte.


Als ich vollständig von ihr umschlossen war, stöhnte sie leise, bewegte dazu das Becken. Sie war ein wunderschöner Anblick. ‚Der einer Freundin.’ Für so etwas wie eine Affäre war sie viel zu schade. Entweder liebte man sie oder liess die Hände von ihr.


„Spürst du das?“, flüsterte sie. „Das ist richtige Liebe. Dafür haben wir gekämpft und es geschafft. Das gehört ganz alleine uns.“


Ich versuchte, das Becken zu kreisen. Da Catherine auf mir lag, gelang es nicht richtig, aber das, was ich konnte, fühlte sich gut an. Meine Freundin stieg auf die Bewegungen ein und wir fanden einen Rhythmus, der uns beiden gefiel. Gemeinsam sanken wir noch tiefer in die Lust ein. Es war, als würden sich nicht nur unsere Körper vereinen.


Vorerst war es ein durch und durch körperlicher Schauer, den ich spürte. Er überkam mich und es fühlte sich fast wie Schüttelfrost an, nur dass er unheimlich angenehm war. An Sprechen war nicht mehr zu denken. Mit den Fingern strich ich über Catherines Körper, genoss jedes Fleckchen an ihr. Man sagte, sie habe einen Traumbody. Darauf kam es nicht mehr an, seit wir uns so nahe waren.


Sie richtete sich auf und ritt auf meinem Unterleib. Unsere Finger verschränkten sich und ich warf nur einen kurzen Blick auf ihren Körper. Mit geschlossenen Augen nahm ich die anderen Empfindungen viel deutlicher wahr.


Catherine nahm meine rechte Hand und führte sie an ihr Schatzdöschen. Der Kitzler schaute hervor und vorsichtig kümmerte ich mich um ihn. Meine Freundin ging noch mehr in der Lust auf. Sie legte den Kopf nach hinten und stöhnte leise. Ich konzentrierte mich auf die kleinen Bewegungen unserer Hüften. Jede einzelne fühlte sich wunderbar an und wir flogen gemeinsam dem Höhepunkt entgegen.


Sie kam wieder zu mir herunter und küsste mich. Das bedeutete mir einiges mehr, als ihren nackten Körper auf mir zu sehen. Ihre Küsse waren wie Engelsberührungen, fehlten nur noch die Flügel aus weissen Federn.


Meine Cat löste sich von mir, aber nur, um sich anders hinzulegen. Das Sofa war breit genug, dass wir hintereinander Platz hatten. Unsere Lieblingsstellung. Catherine winkelte das rechte Bein an und forderte mich auf, erneut einzudringen. Es gelang nicht mehr so tief wie vorhin, dafür waren unsere Körper näher beieinander und ich konnte ihren besser streicheln.


Von den Schamhaaren bis hinauf zum Hals liebkoste ich sie, küsste ihren Nacken, zog ihren Duft in mich. So musste es zwischen uns sein. Catherine schob sich mir entgegen, ich spürte, dass ich noch ein wenig tiefer eindrang.


Stossen oder Ähnliches kam nicht in Frage. Das gehörte nicht zu unserer Beziehung und jetzt wäre es völlig fehl am Platz gewesen. Wir waren vereint, unsere Körper, unsere Seelen. Es war so: Wir gehörten zusammen, soviel stand fest.


Meine Hand tauchte wieder zwischen Catherines Beine. Es war seltsam, Haare dort zu spüren. Zu ihr passte es. Sicher würde sie sich auf meinen Wunsch hin rasieren, aber das wollte ich gar nicht. Natürlichkeit passte zu ihr, so kannte ich sie, so war ihr Wesen.


Wir bewegten unsere Unterkörper. Die Vorhaut wurde vor- und zurückgeschoben, die Intensität stieg. So verhielt es sich mit uns. Es brauchte nicht viel Körperlichkeit. Was wir füreinander fühlten, war deutlich wichtiger und so stieg auch die Erregung immer weiter. Ein Ende war nicht abzusehen. Ich drückte mich an meine Freundin und sie sich an mich. Was für ein Gefühl. Was für ein Erlebnis. So tief war ich schon lange nicht mehr in der Lust versunken. Das erlebte man eben nur mit jemandem, der einem viel bedeutet und neben Eri bedeutete Catherine mir alles.


Der Höhepunkt kam näher und näher. Die kleinen Bewegungen reichten aus, um uns das zu geben, was wir wollten. Ich atmete schwer, streichelte Catherine etwas intensiver zwischen den Beinen. Auch ihr Atem flog. Gemeinsam flogen wir dem Horizont entgegen.


Es war einer dieser Orgasmen, die ich nur mit Catherine erlebte. Körperlich war nur wenig zu spüren, kein Ziehen im Unterleib, kein grosses Abspritzen. Ich sah eine Farbexplosion vor meinem inneren Auge. Sie blendete mich und ich presste die Augen fester zusammen. Engelshände hoben mich hoch.


„Oh, Alexander. Das habe ich mir gewünscht.“ Catherine drehte sich zu mir um und küsste mich. Der Orgasmus hielt an. Wir verlängerten ihn, ohne miteinander zu schlafen. Küssen bedeutete uns fast genauso viel.


Wir blieben liegen und schliefen ein. In der Nacht wurde ich von Catherine geweckt, die sich vom Sofa erhob. Arm in Arm gingen wir in ihr Schlafzimmer und legten uns dort hin, eingekuschelt in die Bettdecke.

An diesem Montag freute ich mich ganz besonders auf die beiden Tango-Stunden. Nach dem vergangenen Abend würde es bestimmt etwas Spezielles werden. Ich packte Lappen, Duschmittel, Deo und Ersatzkleider ein. Nach dem Training zog ich mich in der Toilette um und erfrischt begab ich mich zum Tanzstudio.


Catherine trug schon wieder ein Kleid, das ich noch nie gesehen hatte. Es war weinrot und reichte ihr bis zu den Knien. Der dickere, blickdichte Stoff allerdings kam ihr nur bis Mitte Oberschenkel. Schmale Träger führten über die Schulter, einen BH trug sie nicht.


Wir umarmten uns und auch ein Kuss durfte nicht fehlen. Ich streichelte ihren Rücken und der gestrige Abend liess mich ihren Duft nur noch lieber riechen.


„Bist du bereit für die zwei kommenden Stunden?“, fragte ich.


„Sicher doch. Heute Nachmittag hatte ich frei und ging dieses Kleid kaufen.“


„Du siehst wie immer unglaublich schön aus.“ Ich kam mir so oberflächlich vor. Immer sagte ich nur, wie schön sie war, das wirklich Wichtige sieht man jedoch nicht. „Du bist eine so liebe Person. Danke, dass es dich gibt.“


„Das Gleiche könnte ich dir sagen.“


Ich bezweifelte, dass wir gleich gut abschneiden würden. Sie war die Hilfsbereitschaft in Person, treu und lieb. Was konnte ich bieten? Ich schlief mit anderen Frauen und hatte Catherine einige Male ungerecht behandelt.


Nach einem weiteren Kuss gingen wir hinein. Die Discokugel schickte ihre Strahlen aus und das Parkett knirschte unter unseren Füssen. Wir waren beinahe die ersten, nur zwei andere Pärchen hatten sich hingesetzt.


Damit es anschliessend gleich losgehen konnte, übten wir einige Schritte und Catherine versuchte eine Drehung. Der leichte Stoff des Kleides flog. Meine Freundin schien es nicht zu stören, dass man bis weit hinaufsah.


Nach und nach trudelten auch die anderen ein, nur nicht Fridolin und seine bessere Hälfte. Ich schaute gespannt zur Tür. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, ganz und gar nicht. Heute war für Catherine und mich reserviert.


Die Tür zu einem Nebenzimmer ging auf und Javier und Letizia kamen herein. Ich klatschte und die anderen fielen mit ein. Unsere Lehrer hatten es verdient, ich konnte mir keine besseren vorstellen.


„Danke, danke!“ Er verneigte sich und seine Partnerin tat es ihm gleich. „Danke.“


Langsam verklang das Klatschen und der Unterricht konnte beginnen. Letizia trat vor. „Sechs Mal haben wir uns bis jetzt gesehen. Erinnert ihr euch noch an die ersten Stunden? Javier und ich haben einige Aussagen über den Tango gemacht.“


„Manche nennen ihn das Herausbrechen des Verlangens“, sagte ich.


Letizia nickte. „Genau. Wir wollen jetzt von euch wissen, was ihr über den Tango Argentino sagt. Was sind eure Sprüche?“


Jemand hinter uns kicherte. Ich schenkte dem keine Beachtung, weil ich nach einer griffigen Aussage suchte. Da hatte ich sie auch schon: „Nur wenn zwei Menschen das Eine wollen, können sie so gemeinsam in den Tango eintauchen.“


Wieder Kichern. Wahrscheinlich, weil ich „das Eine“ gesagt hatte. Tango und das Verlangen standen sich ja durchaus nahe. Billig war der Tanz jedoch mit Sicherheit nicht. Er drückte, wenn alles stimmte, nur knisternde Erotik aus.


Jemand anderes brachte den nächsten Spruch. „Schnell, langsam, fröhlich, traurig, für jede Stimmung ist der Tango das Richtige.“


Letizia und Javier lächelten. Von solchen Leuten betreut zu werden, war ein Erlebnis. Ich nahm Catherines Hand und streichelte sie. Obwohl um uns herum Menschen sassen, fühlte ich eine seltsame Zweisamkeit. Wir passten einfach zusammen.


„Tango ist, wenn man alles andere vergisst.“


„Sehr gut, sehr gut! Ich glaube, ihr habt die Seele des Tangos erkannt und gespürt. Jetzt wollen wir nicht mehr reden. Es gibt noch viel zu üben.“


„Das Wichtigste haben wir euch beigebracht“, sagte Javier. „Ihr könnt die Schritte, kennt die Bewegungen, auch mit Drehungen habt ihr bereits ein wenig Erfahrung. Mit diesem Wissen könnt ihr richtig tanzen. Mehr kann man immer lernen, aber vorerst wollen wir, dass ihr das Grundwissen beherrscht.“


„Darum heisst es jetzt üben, üben, üben“, ergänzte Letizia.


Er führte sie davon und sie begannen zu tanzen. Es waren einfache Schritte, nichts, was ich nicht auch konnte, stellte ich fest. Mit einem Mal beschleunigten sie und wirbelten herum. Letizia löste sich von ihm, streckte ihre Arme aus und wurde aus dem Schwung heraus zurückgezogen. Sogleich ging es weiter. Ihre Bewegungen sahen nun einiges komplizierter aus.


Nach ein paar Minuten wurden sie langsamer und ich konnte die Schritte wieder nachvollziehen. Ich wusste nicht, woran es lag, mir fiel nur auf, dass ich das alles schon gesehen hatte.


Die kurze Vorführung war zu Ende. Javier hob den Zeigefinger. „Was ist euch aufgefallen?“


Es vergingen ein paar Sekunden. „Ihr habt immer das Gleiche getanzt, geändert hat sich nur das Tempo.“


Die Argentinier schauten uns an. Ich dachte über die Aussage nach, konnte aber nicht bestätigen, dass sie richtig war. Im Nachhinein schaffte ich es einfach nicht, mir die Bewegungen noch einmal vorzustellen.


Javier und Letizia tanzten ein weiteres Mal, nun langsam. Es stimmte, die Schritte kannten wir. Sie nahmen an Fahrt auf, aber nur gerade so viel, dass wir sahen, was sie taten.


„Wir haben nichts anderes als das getan“, verkündete Letizia. Daraufhin beschleunigten sie und es sah wirklich toll aus. Das wirklich Geniale daran war, dass ich jetzt nachvollziehen konnte, was vor meinen Augen geschah. Es war tatsächlich nicht mehr, als wir gelernt hatten.


„Das könnt ihr auch, wenn ihr bis zum Schluss bleibt.“


„Eine Frage“, rief jemand dazwischen. „Lernen wir keine weiteren Schritte?“


Javier lächelte. Hatte er diese Frage erwartet? „Einige Techniken kommen noch dazu. Tango ist einfach zu lernen, aber mit wenigen Dingen kann man viel machen.“


Letizia ergänzte: „Es ist eine Frage von Variation und von Ideen.“


„Verschiedene Takte in einen Tanz unterzubringen will geübt sein, der Effekt wird aber nicht ausbleiben. Später, wenn ihr die Regeln kennt, dürft ihr sie sogar brechen.“


Nun war es an uns. Catherine und ich nahmen die Anfangsstellung ein. Es war ein intensiver Augenblick. Unsere Hände verschränkten sich, ich legte ihr die rechte Hand ins Kreuz und ich spürte ihre Linke auf meinem Rücken. Wir schauten uns in die Augen. Ja, eine gewisse Intimität liess sich nicht absprechen.


Musik wurde aufgelegt, es war ein langsamer Rhythmus, kein Problem zum Tanzen. Catherine und ich fanden uns schnell. Es war wie abgesprochen. ‚Blindes Verständnis sagt man dem wohl.’ Ich führte, sie vertraute mir und gab ihre Impulse. Jeder wusste im Voraus, was als Nächstes kam.


Die Musik wurde leiser. „Der schwierige Teil steht jetzt an“, verkündete Javier. „Versucht, euch nicht ablenken zu lassen. Tanz weiter, ändert nichts, ausser euch schneller zu bewegen. Ihr könnt das.“


Catherine und schauten uns an. ‚Natürlich können wir das.’ Mit ihr an der Seite fühlte ich mich stark. Sie gab mir Vertrauen, akzeptierte mich auch mit meinen Fehlern.


Die Musik sprang wieder an und der Tanz ging weiter. Eng umschlungen gaben wir uns der Musik hin. Ein Taktwechsel folgte. Wir machten einen Zwischenschritt, fanden wieder den Rhythmus, ich gab Catherine einen Impuls, eine „sacada“ und sie vollführte eine Drehung. Noch besser wäre es nur gewesen, wenn wir den Taktwechsel unmittelbar ausgenutzt hätten. Das sparten wir uns für später auf, wenn wir deutlich mehr Erfahrung hatten.


„Gut, gut! Ihr habt eine Pause verdient.“


Catherine und ich waren einer Meinung: Wir könnten ohne Probleme weitertanzen. Fast widerwillig kehrten wir zu unseren Plätzen zurück. Catherine küsste mich und holte mir ein Glas Wasser.


„Es macht Spass, euch zuzusehen“, sagte Letizia an uns alle gewandt. „Solch begeisterte Teilnehmer haben wir schon lange nicht mehr gehabt.“


Fridolin und seine Freundin waren nicht hier. Wusste Catherine, was mit ihnen war? Ich würde sie nicht fragen. Wenn wir schon einmal unter uns waren, wollte ich keinen Gedanken an ihn verschwenden.


Zum Glück dauerte die Pause nicht lange. Wir waren die ersten, die für den zweiten Teil bereit waren. Javier kam zu uns und beobachtete die Schritte sorgfältig. Zuerst achtete ich zu stark auf ihn und kam aus dem Tritt. Catherine zog sich etwas näher an mich heran und nun konzentrierte ich mich auf den Tanz. Nur so konnten wir zeigen, was wir drauf hatten.


„Das sieht gut aus. Alexander, darf ich dir einen Tipp geben?“


„Sehr gerne.“


„Um Catherine besser anzukündigen, was du willst, hältst du mit deinen Füssen öfter Kontakt zu ihren. Ich zeige es dir vor.“


Ich machte Platz und er nahm mit Catherine die klassische Stellung ein. „So meine ich.“ Mit dem Fuss schob er Catherine quasi vor sich her. „Auf diese Weise weiss sie jederzeit, was du tun willst.“


Ich verstand, denn diese Methode wandte ich selber an. Oder nicht?


Javier merkte, dass ich ein Fragezeichen hatt e. „Du hast das System begriffen und wendest es auch an, nur musst du noch deutlicher zeigen, wohin du willst. Versucht es noch einmal.“


Es war nichts Neues, doch ich versuchte, auf ihn zu hören und Catherine besser zu führen. Der Rhythmus war kein Problem. Wir tanzten, mal waren unsere Schritte schneller, dann langsamer, immer passend.


„Muy bien, muy bien.” Er klopfte mir auf die Schulter und suchte das nächste Pärchen auf.


Meine Freundin küsste mich. „Ich weiss doch immer, was du tust.“


Die Lektion war noch im Gange, trotzdem setzten wir uns hin. Wir nutzten die Zeit, um die anderen zu beobachten und uns das eine oder andere abzuschauen.


„Mir kommt eine Idee für zu Hause. Wir nehmen uns auf und sehen den Tanz am Fernseher an. Sicher finden wir einige Dinge, um uns zu verbessern.“


Catherine schaute mich kritisch an. „Willst du das? Ich befürchte, dass unser Tanz ein Wettbewerb wird. Es soll doch nur Spass machen.“


Ich dachte darüber nach. Sie hatte Recht. Eine Art Training, um keine Fehler zu machen, war es bestimmt. Musste das falsch sein? ‚Egal. Wir müssen nicht die Besten sein. Spass muss es machen, das hat sie richtig gesagt.’


Leider war es da für diesen Montag auch schon dir vorbei. Weshalb verging die Zeit, während man angenehme Dinge tut, immer so schnell? ‚Sicher gibt es Studien darüber, aber was interessieren die mich?’


Letizia und Javier stellten sich vor uns und sie ergriff das Wort. „Wir müssen euch ein riesiges Kompliment machen. Zuerst haben wir gedacht, dass die Gruppe zu gross ist, aber ihr seid mit solcher Leidenschaft dabei, dass es einfach nur eine Freude ist.“


„Dazu gibt es nichts mehr zu sagen“, ergänzte Javier. „Ich hoffe, nächsten Montag sehen wir uns wieder.“


‚Sicher doch. O Mann, gibt es keine Zeitmaschine?’ Ich legte mir Catherines Arm um die Schulter und küsste meine Cat auf die Stirn. „Auf was hast du jetzt Lust?“


Sie lächelte. „Komm doch zu mir. Der Abend ist noch nicht vorbei.“


Nein, das war er nicht.

***

„Hey, Herzog, ziemlich ausgebremst, was?“ Thomas musste sich nicht umsehen, um herauszufinden, wer gesprochen hatte. Serge sass in der anderen Ecke der Garderobe und zog sich gerade um.


„War eben nicht mein Tag“, meinte Thomas gespielt gleichmütig, ballte innerlich jedoch die Faust. Wie er diesen Ton hasste!


„Lass Thomas in Ruhe“, liess sich Michael Furrer vernehmen. „Wir werden alle in der Saison mindestens einen schlechten Tag einfahren.


Oberdammer grinste nur, sagte aber nichts mehr, wenn auch die Blicke, mit denen er Thomas mass, mehr als deutlich verrieten, was er von ihm hielt.


„Tja, die Besseren spielen eben“, hörte ihn Thomas nach einer Weile doch noch murmeln.


„Ruhe, Serge“, knurrte der Captain. Nun war Serge endgültig still.


Wenig später ging die Mannschaft in die Halle. Mahler wartete bereits. „Zuerst werden wir das Spiel vom Samstag analysieren“, meinte er nur. „Setzt euch hin.“ Er liess eine grosse Leinwand von der Decke herunter. Ein Beamer war auch schon installiert.


Mahler legte die DVD ein und startete den Film.


„Seht ihr, wie leicht sich die Abwehr hat aushebeln lassen? Das müssen wir abstellen, geht konsequenter zum Mann. Natürlich können wir das teilweise durch unsere Torgefährlichkeit ausgleichen, aber auch unsere Stürmer treffen nicht immer. Gerade im Falle der «Leopards » ist die Verteidigung sehr stark. Da können wir einfach nicht sicher sein, oft genug durchzukommen und dann auch zu treffen, um das Spiel zu gewinnen.“


Jetzt zu den Spielzügen, Kees, ich weiss, dass du eigentlich Stürmer bist, versuche dich auf deine neue Aufgabe zu konzentrieren, orientiere dich nach hinten und bleibe näher beim Tor… Milaim, Milan, Özdemir, ihr müsst noch mehr passen, zieht ein sauberes Dreiecksspiel auf, dreht euch, um die Gegner zu verwirren …“


So sprach Mahler jede Position an, gab den einzelnen Spielern auch noch präzisere Anweisungen.


„Also los, versuchen wir das umzusetzen“, meinte er schliesslich. Schon war die Mannschaft auf den Beinen und begann mit den Aufwärmübungen. Brav trabten sie Runde um Runde, machten Liegestützen und Rumpfbeugen, dann folgten die Pässe, zuerst Vor- dann Rückhandpässe.


Bemüht, sich zu beweisen, stürzte sich Thomas in die Übungen, auch als Mahler Hütchen aufstellte und sie im Slalom drumsprinten mussten, gab er nicht auf. Ballkontrolle war überaus wichtig, das wusste er, damit stand und fiel das ganze Spiel.


Thomas fiel auf, dass Mahler ihn beobachtete. War er unzufrieden – oder wollte er nur herausfinden, wie Thomas reagierte, nachdem er auf die Bank gesetzt worden war? Es war schwer zu sagen, denn Mahlers Miene blieb unbewegt und so konzentrierte sich Thomas wieder auf die Übungen.


Beim folgenden Spiel bildeten Thomas und Özdemir die erste Sturmspitze und es gelang Thomas sogar ein Treffer, wenn er auch selber zugeben musste, dass Rubin nicht gerade geschickt agiert hatte.


Aber immerhin.


Thomas zuckte zusammen, als Mahler Serge und ihn in eine Sturmreihe steckte. Angestachelt griff Thomas an und schoss diesmal zwei Tore, aber Serge, der, seiner Meinung nach, viel zu egoistisch spielte, versenkte vier Bälle.


Dann war das Training zu Ende. „Die Banden müssen heute raus, da die Halle anderweitig gebraucht wird“, meinte Mahler zum Schluss. „Christian und Milaim, ihr macht das. Thomas, mit dir würde ich nachher gerne noch kurz in meinem Büro sprechen.“


„Ja, Trainer.“


„Ich freue mich für dich, dass du heute die richtige Antwort geben konntest“, meinte Milan, als sie unter der Dusche standen. „Genauso muss es sein, dann wird es auch in den Matches anders laufen.“


„Serge war immer noch besser“, gab Thomas zu bedenken.


„Jaha, aber Serge ist ja auch ein halber Profi, er hat viel mehr Erfahrung, die musst du zuerst aufholen.“


Thomas nickte seufzend. Rasch trocknete er sich ab und schlüpfte in seine Kleider.


„Na, wenn du am Mittwoch wieder so spielst, wie heute, wird das nichts im Auswärtsspiel gegen die «Foxes» !“, höhnte Serge.


„Serge! Ein letztes Mal: Halt den Mund!“, fuhr Michael auf und Oberdammer verstummte.


Thomas verabschiedete sich von seinen Mannschaftskameraden und machte sich auf zu Mahlers Büro. Er klopfte.


„Herein.“


„Sie

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Kommentare


pyromane1
dabei seit: Dez '04
Kommentare: 21
schrieb am 23.03.2013:
»Noch nicht gelesen aber schön, dass es endlich eine Fortsetzung gibt. Bin sicher das Warten hat sich gelohnt.«

Excel-F
dabei seit: Jan '04
Kommentare: 9
schrieb am 25.03.2013:
»Wieder ein gelungener Teil, hoffe auf rasche Fortsetzung«



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