Die alleinstehende Mutter (1)
von Jason King
„Mama? Arbeitest du bei der Polizei?“ fragte die sechsjährige Nadine plötzlich ihre Mutter.
„Nein, mein Schatz. Wie kommst du denn darauf?“ wollte Julia wissen.
„Weil ich Handschellen in deinem Schlafzimmer gefunden habe.“
Julia wurde puderrot. Verdammt! Hatte sie die Handschellen nach ihrer Selbstfesselung gestern Abend nicht weggelegt?
„Die sind von Opa Jörn. Der sammelt solche Dinger.“ log Julia.
Offenbar zufrieden mit der Antwort rannte die kleine Nadine wieder in ihr Kinderzimmer. Erleichtert atmete Julia auf. Noch einmal hatte sie die Situation gerettet. Aber sie musste in Zukunft vorsichtiger sein, wenn sie sich selbst fesselte. Sie schmunzelte in sich hinein. Früher musste sie sich dabei vor ihren Eltern verstecken, heute vor ihren Kindern. So änderten sich die Zeiten.
Immer wieder hatte sich Julia auf einschlägigen Seiten im Internet informiert, was man beim selbst fesseln beachten müsste. Was man für Materialien nimmt und wie man sich wieder selbst mühelos befreit. Und das mit den Handschellen erschien ihr am einfachsten.
Den Wunsch, gefesselt zu werden, oder sich wenigstens selbst zu fesseln, verspürte sie immer öfter. Dieses Verlangen wurde immer stärker. Julia sah es als eine Art Stressbewältigung. Die völlige Bewegungslosigkeit, nur die eigene Körperwärme spüren, die Verantwortung für diesen Moment abzugeben. Wenn nur nicht immer diese Angst wäre, dabei von ihren Kindern erwischt zu werden.
So brachte Julia am nächsten Wochenende ihre Töchter zu Oma Petra und Opa Jörn. Mal ein wenig Land- und Seeluft schnuppern. Zu gerne wäre auch Julia bei ihren Eltern an der Nordsee geblieben. Doch der Drang des Selbstfesselns war einfach zu groß. Und so fuhr sie wieder allein zurück in die Großstadt.
Zu Hause angekommen holte sie die weißen Baumwollseile, die sie noch im Sexshop erworben hatte, aus ihrer Handtasche und hielt sie mit einem Kribbeln im Bauch in den Händen. Wie müsste man sich eigentlich fühlen, wenn man jemanden anderem allein völlig hilflos ausgeliefert war?
Ob sie einfach mal ihren alten Schulkumpel Robert anruft? Er war zwar nicht ihr Liebhaber, aber immer ein sehr guter Freund. Jemand, dem man sich ruhig auch einmal anvertrauen kann. Sollte sie ihre sturmfreie Bude am Wochenende nutzen und sich von ihm mal fesseln lassen?
Schon hatte sie seine Nummer gewählt.
Doch wie sollte sie ihm ihren Wunsch beibringen? Konnte man mit ihm wirklich über eine solche Dinge reden?
Julia zweifelte und legte einfach wieder auf.
Nachdem sie sich die Nachttischleuchte angestellt hatte, holte sie die Handschellen aus dem Schubfach und legte sie mit den Baumwollseilen zusammen auf ihr Bett.
Endlich war sie allein. Keiner würde sie stören. Das Kribbeln im Bauch nahm zu. Vor dem Spiegel betrachtete sie Julia. Sie wusste, dass sie nicht besonders hübsch war. Das versuchte sie jedoch mit ihrer Garderobe zu kompensieren.
Stets trug sie enge Blusen, die ihre üppigen Brüste betonten. Dazu Miniröcke, die höchstens eine Handbreit über dem Knie endeten. Dazu fühlte sie sich in glänzenden Feinstrumpfhosen und hochhackigen Pumps wohl. Die anerkennenden Blicke ihrer männlichen Kollegen und der Fahrgäste in der U-Bahn gaben ihr Recht.
Ihre Pumps streifte sie ab und stellte sie ordnungsliebend neben das Bett. Sie musste schmunzeln. Als ob jetzt jemand kommen würde…
Nachdem sie sich auf das Bett gesetzt hatte, nahm sie die neuen Baumwollseile und wickelte sie ab. Es waren zwei Zweimeterenden und ein kurzes Seil von nicht einmal einem Meter.
Mit dem ersten langen Baumwollseil band sie sich nun ihre Beine zusammen. Sie bildete eine Schlaufe und umwickelte damit dreimal ihre Fußgelenke. Dann führte die beiden Enden durch die Beine hindurch und um das Gewickelte und zog den Knoten vorn, unterhalb ihrer Schienenbeine zweimal fest. So kam sie mit ihren Händen später nicht an den Knoten.
Julia war sich ihrer Sache aber nicht sicher genug und beschloss, sich auch die Knie zusammenzubinden. Wieder nahm sie eins der langen Seile und fesselte ihre Knie ganz fest aneinander.
Das kurze Seil zog sie nun zwischen ihre Fußfesseln hindurch und knotete es zusammen. Nun nahm sie die Handschellen. Schon umschloss der erste kalte Bügel ihr Handgelenk. Klick.
Dann rollte sich Julia auf den Bauch. Hinter ihrem Rücken fummelte sie das kurze Seil um die Kette der Handschellen. Mit einiger Mühe gelang es ihr auch den zweiten Bügel der Handschellen zu schließen. Klick!
Nun war sie gefesselt. Im klassischen Hogtie. Bewusst hatte sie das Seil so kurz gezogen, dass sie mit ihren Fingerspitzen ihre Fersen berühren konnte. Es war zwar auf Dauer unbequem, aber es hatte für sie ihren Reiz. Diese völlige Bewegungslosigkeit, nur die eigene Körperwärme zu spüren, die Verantwortung jetzt abzugeben. Ein eigenartiges Gefühl. Auf einmal wirkte Julia völlig entspannt…
Eine ganze Weile lag Julia noch wach. Dann übermannte sie die Träume. Wie sie während einer Schiffsreise in einem Fjord von Wikingern entführt wird uns als Geisel tagelang in einem Langhaus von ihnen festgehalten wird. Den ganzen Tag lag sie gefesselt auf einem braunen Bärenfell am Steinofen und wurde von allen begafft. Die Glieder schmerzten bei jeder noch so kleinen Bewegung.
Da auf einmal hörte sie durch das geöffnete Fenster das Geräusch eines herannahenden Autos. Und es blieb in unmittelbarer Umgebung stehen. Sie hörte in die Stille der Sommernacht. Grillengezirpe. Doch dann ließ sie das Klingeln an der Haustür erschrecken.
Besuch? Wer konnte das so spät noch sein? Brachte Opa Jörn ihre Tochter zurück, weil sie ohne ihre Mama nicht einschlafen konnte?
Oder war es jene schwarze Kapuze, über die man fast jeden Monat was in der Zeitung lesen konnte? Diese Artikel hatten die Nerven der Frauen in letzter Zeit dünn geschlissen.
“Einbruch in eine Villa. Die attraktive Gräfin wurde gefesselt und beraubt!“
“Überfall auf eine hübsche Hausfrau – schon wieder die schwarze Kapuze“
“Junge Frau sprang in panischer Angst aus dem Fenster“
Verdammt! Wo war nur der Schlüssel zu ihren Handschellen? Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie den beim Zurechtlegen ihrer Utensilien gar nicht dort liegen sehen hatte, wo er hingehörte.
Noch einmal klingelte es.
Julia war verzweifelt, zerrte an ihren Fesseln. Vergeblich. Die Handschellen gruben sich nur tiefer in ihre zarte Haut. Sie musste irgendwie zu dem Schlüssel der Handschellen gelangen. Bestimmt lag er irgendwo in Nadines Kinderzimmer.
Doch wie kam sie nur dahin, wenn man sich selbst als Hogtie verschnürt hatte?
Hoffentlich gab der vermutliche Besucher auf und stieg wieder in sein Auto. Doch da schwere Schritte auf der Terrasse.? Verdammt, die Terrassentür! Hatte sie die denn vorher verschlossen? Ihr Herz begann zu rasen.
Kommentare
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Der Anfang ist gut, weiter so.
Die nächsten 10 Seiten werde ich gerne lesen.
El Rosso«
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wer kommt denn da noch an?
wer ist es, der die Alleinerziehende in Panik versetzt?
Fragen ueber Fragen....
Die paar Zeilen mehr, und meine Neugierde waere erst einmal gestillt.;-)
mfg waeschesteif «
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Guter Cliffhanger, weiter so.«
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