Ein heißer Heumond 09 - Der Gipfel
von Helios53
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SAMSTAG
Der Samstag verläuft sehr ruhig und ohne Aufregungen. Kevin, Toby und Manu haben sich in der Zeit aus dem Staub gemacht, die Susi und Sabine brauchten, um ihren täglichen Besorgungsgang zur Mugglalm zu absolvieren. Inzwischen sind sie schon so fit, dass sie einen größeren Teil des Weges in lockerem Lauf bewältigen, ohne danach an Atemnot oder Muskelkater zu leiden. Die anstrengende Nacht macht sich aber bemerkbar, weshalb sie beim Rückweg eine Pause bei der Kapelle einlegen und in der Sonne sitzen.
„Hast du es sehr vermisst, dass du gestern nicht mit Harry vögeln konntest?“
„Also, zuerst war ich schon enttäuscht, aber dann hat Kevin alles gut gemacht. Der ist in den letzten vier Wochen so was von gereift! Kaum zu glauben!“
„Tatsächlich? Und woher kommt das?“
„Weiß nicht genau, vielleicht hängt das mit seiner Cousine Holly zusammen.“
„Wer ist das denn? Die ist aber nicht aus Ovenbuch? Oder?“
„Nein, und sie ist auch keine enge Cousine, sondern entfernt verwandt. Aber ganz offensichtlich ein ausgekochtes Früchtchen. Ein paar Jahre älter, so Anfang, Mitte zwanzig und hat unseren Kevin nach allen Regeln der Kunst verführt und gezähmt ...“
„Was gezähmt? Zahm hat das aber nicht geklungen, was ihr da aufgeführt habt! Und was ich dann gesehen habe, eigentlich auch nicht!“
„Und was du gespürt hast? Im Arsch zum Beispiel?“
Susi grinst. „Das auch nicht! Oh, Mann! Wenn das meine Nonna wüsste!“
„Wieso grad deine Oma?“
„Na, du weißt ja, meine Mutter war auch eine Art Schlampe zu ihrer Zeit, die hat Verständnis. Hoff’ ich halt. Und mein Vater war auch nicht unschuldig. Meine Tante Babs zum Beispiel, die beneidet mich eher um meine Abenteuer, jetzt, mit dem Baby ...“
„Und dein Opa?“
„Welchen meinst du? Meinen italienischen? Der hält besser die Klappe, wenn es um moralische Fragen geht, sonst fährt seine Frau mit ihm Schlitten. Schließlich war er zu seiner Jugendzeit ein berüchtigter Papagallo. Dann kam Maria! Sie setzte ihm den Kopf zurecht und erklärte ihm, dass er sie heiraten wollte. Gleich nach der Hochzeit gingen beide nach Deutschland arbeiten, und Nonno ist der bravste und treueste Ehemann von allen geworden!“ Susi kichert. „Aber er riskiert gern einen Blick auf hübsche Mädchen, vor allem, wenn sie blond und leicht bekleidet sind. Er meint zwar, dass das niemand merkt, aber seiner Frau entgeht nichts. Doch das gönnt sie ihm. Du weißt schon, Appetit holen und daheim essen!“
„Die würde ich gern mal kennenlernen. Kommen sie euch nie besuchen?“
„Nie kann man nicht sagen, aber eher selten. Vor gut zehn Jahren sind sie endgültig zurück in ihr Heimatdorf und leben da auf einem winzigen Bauernhof. Man könnte auch sagen in einem großen Schrebergarten, aber sie sind ja nicht auf die Ernte angewiesen. Seither waren sie nur dreimal bei uns. Dafür war ich seit meinem dritten Lebensjahr jeden Sommer mindestens vier Wochen bei ihnen. Sonst könnte ich wahrscheinlich auch kein Italienisch. Dieses Jahr ist das erste seither, dass ich andere Pläne habe.“
Susi überlegt. „Aber warte mal! Wenn wir die zwei Hexen in Griechenland bei den Eltern abgegeben haben und sich sonst nichts ergibt, was uns überzeugt, könnten wir ja, wenn wir mit der Fähre zurückkommen und noch Zeit haben, einen Abstecher mach Mataranea machen. Von dort aus hätten wir auch gute Chancen, mit ‚Il Marinaro‘ zurück nach Deutschland zu fahren.“
„Wer ist das nun wieder?“
„Il Marinaro, der ‚Seemann‘ ist der jüngste Sohn von unserem Nachbarn. Der ist Großgrundbesitzer und Vater von fünf Söhnen, der älteste hat Landwirtschaft studiert und leitet jetzt das Familienunternehmen, der zweite ist Advokat, der dritte Prälat im Vatikan und der vierte sitzt in Brüssel im Europarat. Nur Umberto, der jüngste der da Montis konnte sich nicht zu einer ‚seriösen‘ Karriere entschließen und hat alle möglichen Jobs gemacht, unter anderem auch Fernfahrer. Anfangs hat er immer größere Mengen süditalienischer Spezialitäten, Wein, Olivenöl, Käse, mitgenommen und unter der Hand in Deutschland, Dänemark oder Holland verkauft. Das Geschäft ist so gut gelaufen, dass er sich selbständig gemacht hat. Inzwischen hat er ein Dutzend Lastzüge, die für ihn Europa versorgen, aber er selber springt immer mal ein, wenn ein Fahrer zu viel erkrankt oder auf Urlaub geht. Oder, wenn er ‚frizzante’ ist, wie er sich ausdrückt, das bedeutet so viel wie ‚spritzig’.“
„Heißt das, wenn er scharf wird, oder was?“
„Hm, ja, das wird er wohl damit meinen.“
„Und dann fährt er mit seinem Laster selber nach was-weiß-ich-wohin, auf die Reeperbahn oder so?“
„Woher soll ich denn wissen, wo er seine Lüste auslebt? Jedenfalls könnte er uns mit nach Deutschland nehmen.“
„Und seine Lüste an uns ausleben?“
„Hm, hm, du wirst ihn mögen! Alle Frauen mögen ihn!“
„Den Wüstling!“
„Na, du hast es nötig! Aber wie! – Ich habe übrigens noch nie mit ihm rumgemacht.“
„Und jetzt wär’ dann die Gelegenheit günstig, oder wie?“
„Jetzt hör’ aber auf! Kannst du mal an was anderes denken?“ Susi schmollt gekonnt, schmunzelt aber innerlich. Und wenn sie an den feschen Umberto denkt, ...
„Wieso heißt der dann ‚Seemann’, wenn er mit dem Laster übers Land fährt?“
„Menno! Kannst du dir das nicht denken?“
Sabine überlegt, dann: „Aaah! Ein Seemann hat in jedem Hafen eine Braut und dein Umberto …“
„Er ist nicht ‚mein‘ Umberto! Hab ich nicht gesagt, dass ich …“
„Schon gut! Also nicht dein Umberto, aber er hat überall auf der Strecke eine heiße Braut, ja?“
„Ja. Zumindest gehabt. Seit er nicht mehr regelmäßig fährt, haben sich seine Bräute sicher reduziert. Die sind ja auch in die Jahre gekommen.“
„Wie schräg hört sich das denn an! ‚In die Jahre gekommen!‘ Geht’s noch? Er selber etwa nicht?“
„Hast ja recht, aber Umberto hatte immer nur sehr junge Freundinnen. Früher so ab vierzehn, inzwischen bevorzugte er ‚reifere Damen’ – seine Worte, seine Worte – ab achtzehn. Über fünfundzwanzig sind sie ihm schon zu alt. ‚Die kann ich später immer noch haben!’, soll er gesagt haben.“
„Und so einem Scheiß-Macho willst du uns ausliefern?“
„Was heißt da ‚ausliefern’? Umberto ist ein Charmeur, Schürzenjäger, unbeständiger Lebemann, alles richtig, aber noch nie, hörst du, niemals hat man je gehört, dass er sich einer Frau anders als respektvoll genähert hätte. Er kriegt sie alle, wenn er will, nur mit seinem Lächeln. Mich hat er noch nie zur Kenntnis genommen, sonst ...“
„Sonst was? Sonnst wärest du schon Signora Susanna da Monti? Mit Babybauch oder Kinderwagen?”
„Quatsch! Umberto hält genauso wenig vom Heiraten wie wir zwei, zumindest jetzt noch nicht. Aber er scheint ein wahrer Wundermann zu sein, denn es gibt niemand unter den vielen Verflossenen, die auch nur ein böses Wort über ihn verlieren. Allzu viele trifft man in Mataranea ja nicht, denn zu Hause wirkt er sehr distanziert, zurückhaltend, fast schüchtern.“
„Langsam interessiert er mich, dein geheimnisvoller Nachbarssohn!“
„Wir werden es ja sehen, vielleicht, und wenn er nicht mitspielt, fahren wir eben mit der Bahn. Zumindest bis Neapel oder Rom.“
„Und jetzt sollten wir uns wieder auf den Weg machen. Bruno wartet auf die Milch. Sonst gibt’s heute Mittag keinen Kaiserschmarrn und die Touristen rebellieren!“
Eilenden Schrittes streben sie der Brummerhütte zu und fantasieren dabei von dem geheimnisvollen ‚Seemann’:
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SONNTAG
Der restliche Samstag verläuft ohne Höhepunkte und Aufregungen. Dazu trägt wohl auch bei, dass Manu mit Kevin und Toby zu ihrer Glocknertour aufgebrochen sind. Überraschend ist noch bekannt geworden, dass sich ihnen auch noch Tina von den Volleyballerinnen angeschlossen hat, abzuholen in Walderbruck. Dass auch sonst niemand aus der frivolen Bekanntschaft auftaucht, ist ebenfalls förderlich.
Nach einem gemütlichen Abendessen packen sie schon mal den großen Rucksack, den sie wieder abwechselnd tragen wollen und gehen früh schlafen. Ohne Männer! Nur ein bisschen Kuscheln ist noch angesagt, danach schlüpfen sie in Pyjama und Nachthemd und verkriechen sich in ihre Betten. „In letzter Zeit häuft sich das!“, stellt Susi verwundert fest. "Sabine, ich sag’s dir, unsere attraktivsten Zeiten sind vorbei.“
„Ach, Quatsch!“, meint diese unbekümmert. „Schlaf gut und träum was Geiles!“ Und schon schlummert sie selig.
Zum Sonntagsfrühstück sind sie dafür putzmunter und voll fit. Zu ihrer freudigen Überraschung erklärt ihnen Claudia bei ihrem täglichen Vormittagsbesuch, dass sie die Ranger gleich mitnehmen können und nicht warten müssen, bis sie ihnen nachmittags gebracht wird. Diesmal wählen sie sich aus Claudias umfangreicher Helmsammlung zwei unscheinbare Exemplare in schwarz und dunkelblau. Es stellt sich heraus, dass sie mit dem Moped wegen der längeren Strecke kaum schneller sind, als üblicherweise zu Fuß über den Lammsattel. Das spricht auch dafür, dass ihre Kondition wesentlich verbessert ist. Wenn sie da an ihre Beschwerden von vor vier Wochen denken!
Während der Vorbereitungen für den zu erwartenden Ansturm zur Mittagszeit, verdunkelt sich plötzlich der Himmel. Eine schwarze Wolkenwand schiebt sich über den Lammsattel. Kurz darauf beginnt es zu regnen. In aller Eile holen Sabine und Susi die Tischtücher und Sitzpolster aus dem Gastgarten. Marika, die gestern am Abend eingetroffen ist, kippt die Stühle und Bänke gegen die Tische, damit das Regenwasser schnell abfließt und das Holz sich nicht vollsaugt. Bruno flucht und drosselt die Küchenaktivitäten. Da wird es nichts mit Vollem Haus und großem Umsatz. Josie hingegen bleibt gelassen. „Keine Panik, das ist nur ein kleiner Spritzer! In zwei Stunden etwa scheint wieder die Sonne!“
„Als ob das was nützen würde!“, nörgelt Bruno. „Bis da sind alle Leute von Berg ins Tal geflüchtet und wer später noch wandern geht, der hat schon gegessen. Vielleicht geht was am Abend, aber das ist nur ein schwacher Trost.
Josie behält Recht. Zwar dauert es etwas länger, aber kurz vor drei Uhr strahlt die Gegend frisch gewaschen im Sonnenglanz, Regentropfen hängen noch an Tischen, Stühlen, Sträuchern und am frischen Gras. Nur ist kein Gast weit und breit, der diesen Anblick hätte würdigen können. Ein herrlicher Geruch nach Minze, Kiefern und – Tabakspfeife weht Bruno entgegen, der witternd vor der Tür steht, grimmigen Blickes, als hätte er die abziehenden Regenwolken eigenhändig in die Flucht geschlagen. Ein forschender Blick zu Josie auf dem Balkon, denn diese raucht gelegentlich mal eine Zigarre, doch diesmal ist sie ‚unschuldig’. Da erscheint hinter dem Lifthäuschen auch schon der Urheber des würzigen Geruchs, der alte Jogg, und setzt sich wohlig stöhnend auf die Bank vor dem Stubenfenster, die trocken geblieben ist.
„A schians Biar war iatzt recht!“, verkündet er gemütlich und legt den breitkrempigen Filzhut neben sich. Susi bringt es ihm sofort und er mustert sie aufmerksam. „Heit nix mi’m Dirndl? Ha?“ Tatsächlich hat Bruno ihr und Sabine früher frei gegeben, weil er nicht mehr mit viel Arbeit an diesem Tag rechnet. Daher ist sie schon für die Fahrt mit dem Moped angezogen. Sabine ist noch nicht ganz fertig und liegt bei Josie unterm Messer. Die schabt vorsichtig an den letzten Schamhaarstoppeln. Noch kurz mit einer duftenden Lotion eingerieben, was die nackte Blonde sehr genießt, dann ist auch Sabine ‚auf der Piste’. Schnell anziehen ist kein Thema, das hat sie in den letzten Gymnasienjahren fleißig geübt. Als notorischer Morgenmuffel, zumindest an Schultagen, musste sie lernen, jede mögliche Sekunde einzusparen und ist daher beim Anziehen flink wie ein Verwandlungskünstler.
Trotz allem bleibt ihr nur der Soziussitz, denn Susi hat den Vorsprung selbstverständlich genutzt und sich schon auf der Ranger fahrbereit gemacht. Nur gut, dass beide volles Vertrauen in die Fahrkünste der anderen haben. Da sie früh genug dran sind, lässt Susi den Zweitakter ruhig über die Landstraße schnurren. Manchmal muss sie sich zusammenreißen, nicht den von Claudia und ihrem ‚Cousin‘ hochfrisierten Pferdchen die Sporen zu geben und bleibt tempomäßig bei knapp fünfzig Sachen. Erst beim Anstieg zum Lungner Joch zieht sie kräftiger am Gasseil und sie meistern die steile Auffahrt mit doch verdächtiger Geschwindigkeit. Immerhin sind sie zu zweit und mit dem Rucksack bringen sie gut einhundertdreißig Kilo Nutzlast auf die Waage.
Oben auf dem Joch gönnen sie sich eine Pause, legen sich ins Gras und beobachten die Wolken, die nun unbedrohlich aussehend, unter einem strahlend blauen Sommerhimmel nach Osten ziehen. Der Boden ist trocken, offenbar hat es hier überhaupt nicht geregnet. Sabine kaut an einem Grashalm. „Schön!“ Und das ist merkwürdigerweise das einzige Wort, das in dieser landschaftlichen Pracht fällt, bis sich Susi aufrappelt und wortlos zum Weiterfahren auffordert.
Über eine schmale Verbindungsstraße gelangen sie in sanftem Gefälle hinunter und weit hinein ins Tal, wo sie kurz vor St. Korbinian, einem typischen Tiroler Dorf, sehr pittoresk, sehr ländlich, auf die Hauptstraße treffen. Bei der Tankstelle gleich hinter der Ortstafel fragen sie nach der Adresse, die ihnen Marita auf den Zettel geschrieben hat. Der Tankwart hat keine Ahnung. „Zu wem wöllts denn?“ Sabine verrät es ihm. „Aah! Zur Marita! Was soggsn des nit glei? Wühde Henn’, des Madl!“ Er beschreibt den Weg, es ist weder weit, noch schwierig zu finden und schon kurz nach fünf stellt Susi vor dem alten Bauernhaus den Motor ab. Fast eine Stunde zu früh.
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ST. KORBINIAN
Die Haustür ist verschlossen, keine Klinke an der Außenseite, Klingel gibt es auch keine und auf Klopfen und Rufen reagiert niemand. Aber es muss jemand in der Nähe sein, denn vor dem Haus steht ein Motorrad und der Motor ist noch warm. Wahrscheinlich gehört es Diego. Wo steckt er bloß? Und wo steckt Marita? „Wo stecken sie bloß?“, fragt Sabine laut. „Gehen wir mal rum, vielleicht sind sie hinter dem Haus.“
Das Gebäude ist längs einer abschüssigen Wiese errichtet. Auf der unteren Seite sind drei Garagen und Stallungen, darüber Wohnbereich und Heustadel, der rund zwei Drittel der Länge beansprucht, auf der Hinterseite Brennholzlager und Werkstattschuppen. Rund ums Haus führt ein geschotterter Fahrweg, unter anderem zur breiten Einfahrt ins Heulager. „Ob die Marita auch Traktor fahren kann?“, zweifelt Sabine.
„Ich denk’ schon, das können doch alle Kinder auf dem Land. Bei uns ja auch.“ Susi stockt, ihr fällt ein, was Sabine ‚eigentlich’ meint. „Aber nicht mit einem Dildo in der Muschi, das glaube ich nicht. Da ist die Claudia wohl einzigartig.“
„Hast ja recht. Die Marita ist im Grunde ein sauberes Mädel, nicht ganz so frühreif.“
„Aber sie holt gut auf! Hör mal!“ Susi ist ein paar Meter den Hang hinauf gestiegen und deutet jetzt auf eine Dachluke, die offen steht. Als Sabine zu ihr kommt, vernimmt auch sie deutliche Stöhnlaute, die kaum fehl zu deuten sind.
„Tja, der Diego ist eben auch schon da!“
„Jetzt weißt du jedenfalls wo er steckt. In Marita!“
Vorsichtig, um einigen frischen Kuhfladen auszuweichen, setzen sich die beiden Freundinnen auf die Wiese und erfreuen sich am anregenden Hörspiel. Gerade drangen noch zufrieden schnurrende Laute, unterbrochen durch anzügliches Kichern aus dem Fenster, nun aber klingt es plötzlich nach fauchendem Revierkampf rivalisierender Katzen. „Pimmele? Pimmele, sagsch du?“, hören sie Diegos aufgebrachte Stimme, „i gib da glei ‚Pimmele’, duuu!“
„Pimmele, Pimmele, ja, gib ma’s Pimmele! Mehr Pimmele, mehr Pimmele!“, provoziert Marita mit glockenhellem Alt, „oh ja, oh ja, des isch guat, jooouuuaah!“ Knurrendes Stöhnen und klatschende Geräusche deuten auf eine schnelle und harte Nummer hin, aber Marita ist ja ziemlich robust und genießt offensichtlich die Kraft und Härte von Diegos Attacke. Da oben werden ordentlich Kalorien verbrannt!
„Doggy!“, stellt Susi sachkundig fest.
„Richtig! Sonst würde es nicht so klatschen.“
Marita lacht hemmungslos, wer weiß, worüber. „Bockate Kåtz!“, knurrt Diego, „diar werd i‘s zoagn!“ Klatsch!
„Aaaaah!“ Klatsch!
„Du Viech!“ Klatsch! Klatsch!
„Aaaah! Ja, ja, ja, iiiiiiaaaah!“ Maritas Alt geht in lustvollen Sopran, Wimmern und Kreischen über. Diego äußert sich in Folge eher unartikuliert, Sabine und Susi lauschen hingerissen. Das Ende, unüberhörbar, ähnelt nicht mehr Wildkatzengeschrei oder Tigergebrüll, eher erinnert es an den Angriff von hungrigen Sauriern. Jurassic Park in St. Korbinian!
Sabine, im Begriff, Standing Ovations zu spenden, wird in letzter Sekunde von Susi daran gehindert. „Psst, ich glaube, das wäre ihr peinlich! Komm, wir setzen uns vor das Haus in die Sonne und tun so, als wären wir gerade erst gekommen.“
Marita hat wieder Atem gefunden. „Schaug her, wia du mi eing’saut håsch!“
Diego lacht. „Miar hätt‘n sowieso dusch’n miass’n. Kimm, i glab, dia zwoa kemmen glei amål!“
„Denkste!“, flüstert Sabine, „die zwo-ah sind schon do-ah!“ Verhalten kichernd laufen die beiden Lauscherinnen um die Hausecke und setzen sich auf eine grün gestrichene Holzbank, strecken die langen Beine aus und lassen sich die Abendsonne auf den Pelz brennen.
„Bei mir ist er nie so gekommen!“, stellt Susi bedauernd fest.
„Bei mir auch nicht.“ Ist zwar kein richtiger Trost, aber geteiltes Leid …
„Da haben sich halt die Richtigen gefunden. Die schenken sich nichts!“ Das klingt schon wieder gefasster.
„Und dabei schenken sie sich alles“, ist Sabine überzeugt, „alles was glücklich macht!“
„Amen!“
„Jedenfalls ist der Diego für uns jetzt tabu, außer die Marita macht mit.“
„Schlampen-Ehrensache!“ Susi grinst und lauscht, denn nun hört man lautes Trampeln. Es klingt so, als renne jemand in aller Hast über eine Holztreppe und werde von einem anderen verfolgt.
Da fliegt auch schon die Haustür auf und Marita springt splitternackt und mit einem Satz über die fünf Stufen, die herunter zum asphaltierten Vorplatz führen. Sie wirbelt herum, dreht dem Verfolger die lange Nase. „Ätsch – pä...!“ Sie erstarrt, denn nun hat sie Susi und Sabine erspäht, glotzt und rennt zurück. Da schlägt ihr Diego vor der Nase die Tür zu. Einmal in Fahrt, lässt sich Marita so schnell nicht bremsen. Sie hämmert an die Tür und brüllt: „Måch die Tiar auf! Låss mi eini!“
„Wås kriag i dafiar?“, hört man Diego dumpf fragen.
„Du kriagsch oans auf die Nåsn, wennd‘ nit sofort autuasch!“, tobt Marita.
„He! Was ist denn los? Bist doch sonst so cool und was Neues zeigst du uns ja auch nicht. Komm runter und setz dich zu uns. Von mir aus, machen wir uns auch nackig, wenn dir das hilft“, versucht Sabine die Situation zu entspannen.
Tatsächlich lässt Marita die erhobenen Fäuste sinken, schaut unsicher herum, analysiert die Lage und fängt plötzlich an zu kichern. Immer lauter, bis sie sich vor Lachen krümmt. „Verfluchtes Temperament! Du hast ja Recht! Was stell ich mich so an? Ihr seid ja nicht der Dorfpfarrer oder meine Erbtante.“
„Oder deine Eltern?“
„Ach, die! Die sind einiges von mir gewohnt und hart im Nehmen. Die würden mich höchstens tratzen.“
„Tratzen?“
„Äh – wie … ? Ah! Necken, aufziehen, verhohnepipeln, …“
„Verhohnepipeln? Was du für Wörter kennst!“, spöttelt Susi. „Jetzt komm endlich her, der wird schon aufmachen, wenn ihm langweilig wird.“
Vorsichtig öffnet sich die Tür einen Spalt. Marita stellt sich in verführerischer Pose hin. „Komm schon raus, Arschloch!“, lockt sie und breitet ihre Arme aus. Da kommt er wirklich, bereit sie zu umarmen. Sie aber schlüpft an ihm vorbei, hinein ins Haus, rumms! Und jetzt steht Diego nackt vor der verschlossenen Tür.
„Iiiiih! Ein nackter Mann!“, kreischt Susi. „Was willst du Wüstling von uns?“
„Dein Schwanz tropft!“, stellt Sabine trocken fest.
Kaum zu glauben, aber Diego kriegt einen Tomatenkopf. „Äh – ich –äh …“, stammelt er.
Susi steht auf und geht in Kampfstelllung. „Mal wieder Lust auf ein bisschen Bodenturnen?“
Diego grinst ein wenig gequält. Um die Antwort kommt er herum, weil Marita die Tür öffnet, ihn am Arm packt und hinein zieht. „Kommst du jetzt endlich duschen? Wer hat dir erlaubt, andere Frauen anzumachen?“ Sie verschwinden und Susi grinst Sabine an.
„Die Wildkatze kann er mit allen Schwarzen Gürteln nicht bändigen, glaub‘ ich.“
„Und das ist gut so!“
„Amen.“
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AUFSTIEG
Marita und Diego beeilen sich und schon nach wenig mehr als einer Viertelstunde kommt Diego in voller Adjustierung heraus. „Marita kommt gleich! Sie fährt direkt aus der Garage“, vermeldet er und so macht auch Susi die Ranger wieder startklar, während Diego auf sein Motorrad steigt und wendet. Lautes Knattern kündigt Maritas Auftritt an und da reitet sie auch schon um die Ecke. Ihr Outfit ist mehr sexy als schützend. Bauchfreies Shirt und Sporthose, dazu Laufschuhe. Wenigstens einen Helm trägt sie. Immerhin ist das Vorschrift. Dafür hat sie sich einen ziemlich großen Rucksack umgeschnallt.
„So willst du mit dem Moped fahren? Das wäre mir zu gefährlich!“, ruft Susi.
Marita stoppt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, jetzt, wo sie mit gespreizten Beinen auf der Crossmaschine sitzt, erkennt man, dass sie über ziemlich lange Beine verfügt. Allerdings ist sie auch recht groß, größer als Sabine, und zwar deutlich. „Ich fahre ja nicht weit. Würde eine von euch dann meine Maschine übernehmen? Ich hoffe doch, dass ihr beide so etwas fahren könnt.“
„Und du?“, wundert sich Sabine, der wohl die Aufgabe zufallen soll, das Steuer zu übernehmen.
„Ich brauch noch ein wenig Konditionstraining. Darum werde ich laufen. Folgt mir unauffällig!“ Ihr Abgang mit Vollgas ist in keinerlei Weise ‚unauffällig‘ sondern eher spektakulär, wie sie wie eine Walküre mit ihren kräftigen, nackten Beinen und wehendem Blondhaar dahin braust und, schon fast außer Sicht, auf einen Forstweg einbiegt. Erst Diego, dann Susi und Sabine versuchen, ihr zu folgen.
Tatsächlich geht es recht steil ein gutes Stück schräg bergauf, ehe Marita auf einem kleinen Parkplatz an einer Wegkreuzung auf sie wartet. Am Rande des Platzes ist eine Holzhütte. Sabine erkennt sofort: „Aha, eine Materialseilbahn!“
„Richtig! Ich ruf jetzt die Gondel!“ Sie stellt die richtigen Zahlen an einem Vorhängeschloss ein, öffnet eine Tür und nimmt drinnen einen Telefonhörer ab und fordert denjenigen, der in der Hütte abnimmt auf: „Hi, i bins, d‘ Marita. Låss di Kischt’n åba!“
„So!“, erklärt sie den anderen.“Mit Materialseilbahnen kennt ihr euch ja aus, von der Brummerhütt’n her. Wenn die Kiste da ist, ladet eure Rucksäcke ein, ruft oben an – ihr hebt einfach ab, dann klingelt es oben automatisch – und wenn die Kiste abgefahren ist, macht ihr die Tür zu, hängt das Schloss wieder vor und fahrt den Weg da nach rechts hinauf. Es gibt zwar Abzweigungen, aber ihr haltet euch einfach immer bergseitig, also kann sich niemand verirren. Am Ende des befahrbaren Weges ist ein Schupfen, da stellt ihr die Mopeds unter. Es ist dann noch eine halbe Stunde zu Fuß. Ziemlich steil, also macht langsam. Oder ihr wartet auf mich.“ Sie schnürt sich die Laufschuhe fester. „Hasta la vista, Baby!“ Und damit rennt sie auch schon los, aber nicht nach rechts oder links, sondern ziemlich direkt den Hang hinauf, auf einem schmalen Pfad, und verschwindet im Wald.
„Wie lange wird sie wohl brauchen?“, grübelt Sabine.
„Wenn das Ding da nicht bald kommt, wartet sie auf uns, nicht umgekehrt!“, motzt Diego.
„Wenn es nicht wäre, wie es ist, hätten wir ja schnell einen Quickie einschieben können“, meint Susi und schaut Diego treuherzig an.
Der windet sich. „Du, nein, ehrlich, ich weiß das zu schätzen, aber ich bin jetzt mit der Marita … und außerdem …“
„… hat sie dich vorhin so richtig fertig gemacht. Stimmt’s?“ Jetzt schaut er verblüfft, was Susi da alles weiß! „Und jetzt geht sowieso grad nix, hm?“ Er nickt stumm. „Wissen wir ja, war auch nicht so ernst gemeint. Wie ihr euch vorhin angeguckt habt, da war mir schon klar, dass du für uns vom Markt bist. Und der Sabine sicher auch.“
Die wedelt zustimmend mit der Hand. Neben ihnen hält wippend die Kiste der Materialseilbahn und sie werfen die vier Rucksäcke hinein. Diego legt noch einen Karton dazu, den er auf dem Gepäckträger festgeschnallt hatte. „Lasst uns fahren!“
Alle starten ihre Maschinen und geben Gas. Bergauf ist Diego nicht zu schlagen. Als einziger hat er kein Moped, sondern ein richtiges Motorrad, zwar nur ein kleines, aber trotzdem deutlich überlegen. Da hilft es auch nicht, dass Claudia und ihr ‚Bruder‘ an der ‚Ranger‘ kreativ herumgeschraubt haben. Aber auch Maritas Gerät bringt deutlich mehr PS auf die Straße, als Suzuki einst im Prospekt anbot.
Die wilde Jagd führt sie ohne Kehre leicht bergauf dahin, dann flach oder eher bergab in ein Seitental hinein und wieder zurück. Dabei passieren sie weitere Materialseilbahnen. Eine Schranke umfahren sie kühn durch den Wald, ein Fahrverbotsschild ‚übersehen‘ sie einfach. Als sie wieder ‚ihre‘ Seilbahn kreuzen, sind sie schon über der Waldgrenze. Nun geht es in immer kürzer werdenden Serpentinen den Hang hinauf, Ziemlich plötzlich ist das Ende des befahrbaren Weges erreicht, der von Marita erwähnte Schuppen ist offen. Dahinter parkt ein verbeulter Transporter mit dem Firmenlogo der ‚Sauna-Heimat‘, Slogan ‚Daheim fühlst du dich SAUnaWOHL‘. Gleich daneben führt die Materialseilbahn vorbei, eine hölzerne Plattform dient vermutlich als Zwischenstation. Diego hat sein Motorrad schon drinnen aufgebockt, die Mädels machen dasselbe, schließen die Tür und legen einen Balken vor. Das würde einen Diebstahl zwar kaum verhindern, schützt aber vor zu neugierigen Blicken. Sollen sie jetzt auf Marita warten oder weiter aufsteigen? Die Frage ist hinfällig, denn Diego, der nach unten späht, ruft überraschend: „Da kommt sie schon!“
Und wirklich, nach wenigen Minuten trabt Marita an ihnen vorbei, schwitzend, aber anscheinend nicht wirklich erschöpft. „Kommt, kommt!“, ruft sie ihnen zu, „es ist nicht mehr weit!“ Sabine versucht, ihr zu folgen und auch Susi bewegt sich, aber kaum fünfzig Meter weiter hat Marita einen uneinholbaren Vorsprung und Sabine gibt keuchend auf. Die Höhe und die doch immer noch mangelhafte Kondition machen sich bemerkbar.
„Teufelsweib!“, stöhnt Sabine. „Die macht uns fertig, sowas von fertig!“
„Ja“, sinniert Susi, „so eine Kondition hätte ich auch gern!“
„Was die aber auch trainiert!“, plaudert Diego aus dem Nähkästchen. „Vorhin, als ich zu ihr kam, hatte sie schon vier Trainingseinheiten hinter sich, darunter einhundert Liegestütz am Stück. Ich muss ja beim Barras öfter mal ein paar strafweise einschieben ...“ Susi und Sabine lachen, wenn auch keuchend, wenn sie an ihre erste Begegnung denken (Ein heißer Juli 06 – Jungmänner und Jungbrunnen) „..., aber mehr als siebzig krieg’ ich nicht hin.“
Das beeindruckt aber wirklich. An ihre eher bescheidenen Leistungen auf diesem Gebiet will Susi lieber nicht denken, schon gar nicht, weil das auch wieder ein Bereich ist, in dem Sabine besser abschneidet. Aber hundert? Du meine Güte!
„Und was die für Kraft in den Beinen hat!“, fährt Diego begeistert weiter in den Lobpreisungen fort.
„Willst du uns deprimieren, oder was?“, fährt ihm da Sabine hantig in die Parade. „Da krieg’ ich ja ’n Miko!“
„’n was?“ Diego schaut entgeistert.
„Einen Minderwertigkeitskomplex“, übersetzt Susi. „Und jetzt sparen wir uns die Puste für den Aufstieg!“
„Ach so, ja, ihr seid die Höhenlage nicht gewohnt. Selten, aber doch, kann es schon über zweitausendfünfhundert zu einer Art Höhenkrankheit kommen, aber das ist nicht wahrscheinlich bei euch, weil ihr ja schon eine ganze Weile auf über fünfzehnhundert Metern lebt, also höher als das höchste Dorf in Deutschland. Aber morgen kommt ihr noch viel höher, ungefähr auf dreitausendfünfhundert Meter und da könnten eventuell Probleme auftreten. Wenn ihr Kopfweh kriegt oder sonstige Beschwerden, meldet euch sofort. Dagegen hilft nur ein rascher Abstieg. Hingegen wäre ein Orgasmus eher kontraproduktiv.“
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KARGLHÜTTE
Als sie endlich – die angebliche halbe Stunde war wohl an Gemsen oder Maritas gemessen worden – bei der Hütte eintreffen, hat die Sportskanone schon ihre Dehnübungen abgeschlossen und sitzt auf einer Bank vor dem Schutzhaus in der Sonne und plaudert mit einem älteren Mann. Der hat ihr vermutlich auch eine Decke gebracht, in die sie sich eingehüllt hat. Erfreut springt sie auf. Müdigkeit ist ihr keine anzusehen. „Da seid ihr ja endlich, eure Rucksäcke sind schon lange da. Der Simon hat sie schon hinauf gebracht. Gehen wir uns frisch machen, danach gibt’s Abendessen.“ Simon, der Hüttenpächter ist schon verschwunden, so muss die Begrüßung noch etwas warten.
Gleich hinter der Hüttentür müssen sie die Schuhe ausziehen und dürfen sich dafür aus einem reichhaltigen Vorrat ‚Hüttenpatschen‘ aussuchen. Die gibt es in allen Größen und Farben, aus Filz oder gehäkelt mit Ledersohle, aus alten Wollsocken mit aufgenähter Filzsohle oder sogar aus Leder.
Marita führt sie zwei steile Treppen hinauf. Das Matratzenlager ist erstaunlicherweise viel kleiner als das in der Brummerhüte. „Es gibt noch ein zweites, größeres auf der anderen Seite“, erklärt Marita, „und außerdem habe ich nachgefragt. Hier liegen wir auf dreitausend und drei Meter über dem Meeresspiegel. Wollt ihr eure Mission noch vor dem Essen erfüllen?“
„Nein! Erstens bin ich hungrig, zweitens fehlen uns ja noch die beiden Glücksknaben. Wo stecken die eigentlich? Kommen die wenigstens zum Abendessen? Übrigens, Diego, danke für deine Ausführungen beim Aufstieg. Hungergefühl ist wohl kein Symptom für Höhenkrankheit, oder? Andere Beschwerden habe ich nämlich nicht. Du, Susi?
„Nee und hör jetzt auf zu quatschen, ich habe auch Kohldampf! Nur würde ich gern vorher duschen. Geht das? Ich bin total verschwitzt.“
„Klar geht das, aber nicht hier oben. Dazu müssen wir in den ersten Stock.“ Die sanitären Anlagen dort sind eher winzig. Zwei mickrige Duschkabinen, drei Waschbecken und zwei Toiletten. „Ich geh mit Diego zu den Männern, dann sind wir alle gleichzeitig fertig.“ Und weg ist sie. Sabine und Susi argwöhnen, dass die beiden dann doch nicht so schnell fertig sein werden, aber als sie wieder auf den Gang treten, stehen die beiden schon da. Die Sonne geht gerade glutrot hinter der Abendspitze am Taleingang unter, als sie gemeinsam in die Gaststube kommen. An einem großen runden Tisch in der Ecke geht es hoch her. Ein alter Recke wird von drei nicht mehr ganz jungen Frauen ‚umzingelt‘, aber auch Jolly und Matze sind dort am Feiern. Neben Matze liegt eine schon etwas heruntergekommene Gitarre, am Tisch stehen etliche Flaschen Rotwein, die meisten schon leer, aber die Gläser sind gut gefüllt. Jolly winkt eifrig, also steuern sie diesen Tisch an. Aber Simon, der Hüttenwirt, schneidet ihnen den Weg ab.
Also wird zuerst dieser ordnungsgemäß begrüßt, was bei den Mädels natürlich bedeutet, dass er nach der Vorstellung durch Marita von allen Seiten abgeknutscht wird, was ihm sichtlich nicht unangenehm ist. Genau genommen aber nur, bis die Stimme seiner lieben Gattin aus der Küche zu hören ist: „Siiiimoooon! Was machst du da? Lass die Gäste in Ruhe, die haben Hunger!“ Letzteres ist zwar wahr, aber ein Küsschen in Ehren sollte schon drin sein! Doch da kommt die wohlgerundete ‚Bessere Hälfte‘ auch schon grinsend aus ihrem Reich getrabt und begrüßt Marita mit herzhaften Schmatzern. Danach stürzt sie sich auch noch auf Susi und Sabine. „I bin die Lotte, sei Frau. Tuat’s ma den Simon nit so verwöhnen, sinscht will er des ålle Tåg!“, droht sie mit wackelndem Zeigefinger. Erst danach mustert sie Diego kritisch. „Und wear isch des?“
Aber Marita lässt keinen Raum für eventuelle Mäkeleien: „Des isch mei Freind und guat isch’s! Diego hoaßta und i håb’n gern, baschta!“ Die Lotte schnappt nach Luft, verzieht sich aber in ihre Küche, leise brummelnd, dann hört man nur noch Topfdeckelklappern.
„Megt’s es zu dene Wåhnsinnigen zubi hockn, oder do liaba anan åndan Tisch?“, fragt Simon vorsichtshalber, aber Marita ist schon unterwegs. „He, Hartl!“, ruft sie dem alten Bergfex zu. „Mia derf’n eh zu eich, oda?“
Alle Augen wenden sich der forschen ‚Zukunftsaktie des ÖSV’ zu, die im eng geschnittenen roten Trainingsanzug des Tiroler Schiverbandes eine ziemlich beeindruckende Figur macht. Kein Wunder bei gut ein Meter achtzig Athletenkörper und wallenden blonden Haaren. Sabine und Susi latschen hinterdrein, als wären sie Bodyguards eines Filmstars. Aber auch sie bleiben nicht unbeachtet. Matze und Jolly kommen ihnen entgegen, um sie herzhaft zu begrüßen.
Eine Weile herrscht das Chaos, während alle einander vorgestellt werden. Da Marita alle kennt, übernimmt sie es, die vier älteren Personen mit den jungen Neuankömmlingen bekannt zu machen, während Jolly diese Aufgabe in der anderen Richtung zu erfüllen sucht.
„Der Hartl“, erklärt Marita, „ist mit uns verwandt, wie ungefähr das halbe Dorf. Früher hat er eine Tischlerei betrieben, aber jetzt lebt er schon seit mehr als zwei Jahren auf Dauer hier oben und ist so eine Art Hüttenfaktotum. Die drei Damen, die Elfi, die Marion und die Annelies sind seine Lebensretterinnen, sozusagen die drei Engel für Hartl, weil der alte Knochen vor drei Jahr ungefähr gewettet hat, dass er die drei Berge da, die Waldfee, den Richter und den Henker alle an einem Tag besteigen kann. Dabei war er da schon bald sechzig und beim letzten Anstieg, hinauf zum Henker, hat’s ihn derwischt. Umg’fallen und liegen blieben. Er war schon am Abnippeln, da sind die drei ‚Engel’ erschienen und haben ihn über Stock und Stein, über Felsen und Schotterreisen da her auf die Hütt’n g’schleppt. Zufällig war grad ein Arzt da, der ihn versorgt hat, bis der Hubschrauber kemmen is.
Das war im Herbst und im Winter hat er sich gut erholt. Die drei Retterinnen haben ihn auch sehr aufgepäppelt, jedenfalls sehr motiviert. Und kaum war es aper, ist er auf die Hütte, hat am nächsten Tag den Henker g’macht und seither nur noch alle heiligen Zeiten sich im Tal unten sehen lassen, gell, Hartl?“
„So ungefähr, so ungefähr! Madl, kimm zu miar, i muass di an mein Busen druck’n!“
„Ah, geh!!“, protestiert die grauhaarige Elfi, „vakehrt herum passt’s bessa! Du megsch an ihr’m Busen ummadruck’n!“
„Genau! So schaugt’s aus!“, assistiert die hagere Annelies.
„A was!“, wirft sich die üppige Marion ins Getümmel, „es zwoa seid’s ja lei neidisch, weil’s es mit eichern Busen lei no sein Bauch massiern kenntats!“
„A so a Frechheit! I hann koan Hängebus’n nit!“, gackert Elfi lachend.
„Stimmt a wieda! Weil du hasch eh nix, was hängen kunnt!“
Susi und Sabine verfolgen mit großen Augen und Ohren diesen Schlagabtausch, bei dem jeder Spruch von schallendem Gelächter begleitet wird. Beleidigt wirkt dabei keine. „Das ist der weltberühmte Tiroler Rustikalcharme“, flüstert Jolly. „Schätz die drei nicht falsch ein, die sind in zivil ganz anders. Was ich vorhin mitgekriegt habe, ist die Annelies Hauptschuldirektorin, die Marion leitet eine Bankfiliale und die Elfi ist Psychotherapeutin für Kinder. Aber hier lassen sie halt die Sau aussa.“
„Und jetzt machen sie hier Urlaub oder was?“
„Nein, nein, sie feiern dem Hartl seinen Geburtstag, seinen zweiundsechzigsten. Nach dem Essen schnallen sie ihre Stirnlampen um und steigen ab. Da unten im Schuppen haben sie ihre Mountainbikes stehen und in St. Korbinian steht ihr Auto. Aber es holt sie jemand ab, weil selber fahren darf keine mehr. Man kann nur hoffen, dass sie die Abfahrt mit den Bikes langsam angehen, sonst müssen wir eine Sonderschicht einlegen. Dabei sind wir nicht einmal in Bereitschaft und das ist auch nicht unser Revier. Aber ein Bergretter muss eben immer parat sein, wenn er gebraucht wird.“
„Teufel auch!“, mischt sich Sabine ein, „wäre es nicht gescheiter, wenn sie ihren Rausch hier ausschlafen und erst morgen heimfahren?“
„Wahrscheinlich schon. Ich frag einmal den Simon.“ Er wandert zur Küche und kehrt nach kurzer Zeit breit grinsend zurück. „Die Sache ist die, dass alle drei morgen arbeiten müssen. Sie könnten zwar in aller Früh aufstehen und kämen in weniger als zwei Stunden an ihren Arbeitsplatz, inklusive Umziehen zu Hause, aber das haben sie schon einmal probiert. Der Hartl war aber total gamsig und hat sie die ganze Nacht – äh – bedrängt. Am nächsten Tag waren alle drei zwar befriedigt, aber vollkommen übermüdet und für den Hartl haben sie wieder einen Arzt einfliegen müssen. Seither kommt zu allen Feiertagen - also ihre drei Geburtstage, sein Geburtstag wie heute, sein Namenstag, ihre Namenstage und natürlich sein zweiter Geburtstag, der Jahrestag der Rettung – immer nur eine am Vortag und mit der darf er sich vergnügen. Es sind ja alle drei unbemannt, die Elfi ledig, die Marion geschieden und die Annelies verwitwet. Also mit einer darf er sich austoben, die anderen beiden kommen erst am Tag danach, und dann fahren alle drei noch in der Nacht hinunter, im Winter mit den Rodeln, im Sommer mit den Bikes.“
„Je oller, desto doller!“, kommentiert das Sabine. „Und alles nur aus gesundheitlichen Gründen, nicht wahr?“
„Ganz genau!“, stimmt Marita zu, die endlich ihre Brüste aus Hartls ‚herzlicher Umarmung’ befreien konnte. „Der Hartl war seinerzeit der wildeste Hund von St. Korbinian. Da gibt’s Geschichten, ich sag euch! Aber er meint halt irgendwie, dass er unverwüstlich wäre. Drei Gipfel an einem Tag oder drei Frauen in einer Nacht, das traut er sich auch in seinem Alter zu. Theoretisch jedenfalls. Das mit den drei Gipfeln ist ja voll in die Hose gegangen, dafür hat er drei Frauen bekommen. Mit allen dreien in einer Nacht zu schlafen, das hat er zwar noch hingekriegt, aber danach ist er zusammengeklappt. Nach seiner Definition muss es am Essen gelegen haben. Nur war er halt der einzige, der Beschwerden gehabt hat. Inzwischen hat er sogar die drei Gipfel nachgeholt, nur eben von der Karglhütte aus, was ihm zweitausend Höhenmeter erspart hat. Der Simon hat ihn nachher arg ausg’schimpft und sein grenzenloses Selbstvertrauen in Liebesangelegenheiten bremsen seine Gespielinnen jetzt selber ein. Freiwillige Selbstkontrolle sozusagen.“
„Woher kennst du dich denn so gut aus mit seinen Privatangelegenheiten?“
„Wir sind verwandt, schon vergessen?“
„Na, um ein paar Ecken, dachte ich. So, wie mit dem halben Dorf. Hast du ja gesagt.“
Marita wird ein wenig rot, fühlt sich ertappt. „Es sind nur wenige Ecken. Er ist der Onkel von meinem Vater, also mein Großonkel.“
‚Seine Großnichte schlägt dann ja nicht aus der Art!’, denkt Susi.
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ABENDESSEN
Inzwischen hat der Hartl verstohlen mit Elfi und Marion gefummelt und durch seine ungeschickten Täuschungsmanöver für jede Menge Gelächter am Tisch gesorgt. Nun kehrt aber Ruhe ein, denn Simon kommt mit einem Stapel Teller und dem Besteck, gefolgt von Lotte, die einen riesigen Suppentopf schleppt. „Kaspressknödel, selber gemacht!“, verkündet sie stolz und beginnt gleich zu schöpfen.
Sabine betrachtet argwöhnisch, was da vor ihr auf dem Teller liegt. Susi schnuppert: „Das riecht irgendwie … ich weiß nicht … seltsam.“
„A bissl stinken muaß es! Sinscht isch dr Kas nit recht!“, verkündet der Hartl.
Und die Annelies gibt auch noch einen Spruch zum Besten: „Je schtinkat, desto schmeck!“, was wieder mal mit lauten Gelächter unterstrichen wird.
Simon streut noch großzügig Schnittlauch in die Teller, dann wünschen alle „Guten Appetit!“ Große Ruhe kehrt ein. Die einen löffeln andächtig und mit sichtlichem Genuss, die beiden Heide-Girls beäugen misstrauisch die kulinarischen Absonderlichkeiten.
„Der Schnittlauch ist ein Bergschnittlauch, der wächst hier über zweitausendfünfhundert Meter und ist doppelt und dreifach würziger, als alles, was ihr sonst gewohnt seid. Und die Kaspressknödel sind ein Gedicht. Die Lotte ist da Weltmeisterin“, erklärt Marita. „Nur Mut, ich wette, dass es euch schmeckt!“
„Die Annelies macht sie genauso guat. Wann sie will, åba sie will halt nua selt’n. Koch’n, moan i.“
„Jå. jå, miar wiss’n genau, was du moansch, Marion“, wirft Hartl ein, „åba, wenn i will, will sie a imma! Und iatz tua ma ess’n und nit bled red’n!“ Ein Machtwort, denn nun wird wirklich geschwiegen und gegessen. Auch Susi und Sabine kosten erst vorsichtig, dann schlingen sie geradezu. Köstlich! Sabine holt sich sogar Nachschlag.
Eigentlich sind sie satt, aber Simon räumt den Tisch ab, Lotte bringt neue, flache Teller, frisches Besteck, Zuckerstreuer und einen riesigen Pfannenuntersetzer aus Holz. Dann schleppt Simon auch schon ein tiefes Backblech an und setzt es darauf. Es duftet himmlisch nach Äpfeln und Zimt. Als er Susis verwunderten Blick bemerkt, erklärt er: „Scheiterhaufen, nennt sich das.“ Die acht Tiroler langen kräftig zu, da müssen Sabine und Susi darauf schauen, dass sie auch etwas abbekommen, also schaufeln sie sich auch ‚Haufen‘ auf die Teller.
Hartl streut sich noch kräftig Zucker drüber – „I bin hålt a Siaßa!“ - aber Jolly warnt: „Erst kosten, es ist schon so ziemlich süß. Lotte stellt noch einen großen Krug mit Saft auf den Tisch, dann geht die Schlemmerei wieder los. Und es schmeckt wieder paradiesisch. Trotzdem kriegen alle genug und hängen jetzt so richtig vollgefressen auf der Sitzbank.
Gleich danach drängt Marion zum Aufbruch, aber Elfi meint, ein ‚Fluchtachterl‘ müsse noch sein. Eher wird es ein ‚Fluchtvierterl‘ aber dann sind die drei Wilden Weiber, wie Jolly sie respektlos tituliert, nach herzhaften Knutschereien mit Hartl, bei der Tür draußen. Auch Hartl verabschiedet sich. „I muaß ins Bett, die Marion håt mi letzschte Nåcht do ziemlich lång wåch g’hålt’n. Måcht’s es guat, åba nit z’oft! Pfiat enk!“
Susi schaut Jolly verwundert an. „Die Marion hat ihn letzte Nach lange wachgehalten“, erklärt er. „Also war sie diesmal die Glückliche. Und wir sollen es gut, aber nicht zu oft machen.“ Jolly grinst hintertrieben, und Susi steigt auch sofort darauf ein.
„Woher weiß der, was wir vorhaben? Habt ihr …?“
„Natürlich nicht! Aber erstens ist das ein ziemlich gängiger Spruch, der keinen konkreten Anlass braucht und zweitens muss man nicht sehr viel Phantasie haben, wenn man euch so anschaut. Der Hartl ‚weiß‘ zwar nichts, aber er ist sich trotzdem sicher. Und liegt nicht falsch, oder?“
„Da haste wohl Recht, Jolly. Na denn, dann machen wir es halt! Wenigstens einmal, dafür aber gut!“ Sabine ist schon unterwegs zur Treppe, Susi folgt mit den auserwählten Männern. An der Tür dreht sich Sabine um: „Marita, Diego, kommt ihr auch mit hoch?“
„Äh – also, ich bleib‘ lieber hier unten, bis ihr fertig seid. So freizügig bin ich nicht – oder noch nicht, dass ich Sex mit Publikum machen möchte. Da habe ich es lieber ein bissel intim, oookaaiy?“
„Versteh‘ ich voll und ganz, Marita. Es wird nicht gar lang dauern, denke ich. Soll ich euch holen, wenn die Luft wieder rein ist?“
Diego grinst. „Nach meinen Erfahrungen mit euch werden wir das sogar hier unten mitkriegen, außer Jolly knebelt euch.“ Sabine schnappt nach Luft und verschwindet wortlos.
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PFLICHT
„Es sind genau fünfunddreißig Stufen!“ Susi hat mitgezählt.
„Und?“ Sabine gibt sich ‚blond’
„Was und? Hast du unten im Vorraum nicht die Tafel gesehen auf der die Markierung mit der Seehöhe angebracht war? 2.998,24 Meter über N.N.? Etwa ein Meter über dem Fußboden“
„Enn-enn?“, fragt Jolly, als wüsste er damit nichts anzufangen. Susi lässt sich foppen.
„Normalnull, du Kanaille, also Seehöhe! Die See ist gemeint, also das Meer. Wobei möglicherweise hier ein anderer Wasserstand als Basis gilt als bei uns zu Hause. Null Meter am Mittelmeer ist nämlich nicht gleich null Meter an der Nordsee. Ist aber egal, weil der Unterschied ist gering, und mit fünfunddreißig Stufen kommen wir hier locker auf mehr als dreitausend Meter.
„Wissen wir doch, Susilein! Wir sind nämlich nicht die kleinen Doofchen, für die du uns manchmal hältst.“
„Die 3003 von Marita werden dann wohl stimmen.“
„Was bist du auch misstrauisch! Ich habe ihr einfach vertraut. Also los, let’s begin!“
“Ach, Menno! Jetzt bin ich nicht in Stimmung. Ihr habt mich geärgert und ich ... ich brauche jetzt Trost und Zuspruch!“, fordert Susi schmollend.
Matze und Jolly erkennen das als Aufforderung, sie fest in die Arme zu schließen. Bald wird sie weich und anschmiegsam und als auch noch Sabine ihr die Lippen zum Kuss reicht, wehrt sie sich gar nicht gegen die Attacken Jollys auf ihre Beinkleider. Nach einiger Zeit sind zwar alle vier so gut wie nackt, aber dennoch herrscht irgendwie Lustlosigkeit. Matze bringt zum Ausdruck, was alle fühlen: „Ummaschmus’n isch a feine Sach, wåmma will, åba a Schaaß, wåmma muaß!“
Wahr gesprochen, Matze! Entsprechend schleppend entwickelt sich der Erstversuch zur Erfüllung des Projekts Orgasmus 3000. Dann bricht Susi ab. „Das wird heute nichts! Kommt einfach her und wir kuscheln unter den Decken. So wird mir langsam zu kalt.“ Der Vorschlag findet uneingeschränkte Zustimmung. Sabine kuschelt mit Susi, Jolly und Matze schmiegen sich von hinten an die beiden. Das ist schön und die Mädchen schnurren wie Kätzchen. Langsam greift auch die Müdigkeit nach ihnen.
„Uuuuuuuuh!“ Leise, aber wegen der herrschenden Stille gut zu vernehmen.
Sabine ist mit einem Schlag hellwach. „Was war das denn?“
„Uuuuuuuuuh – aaaaaah!“ Susi braucht etwas länger, aber nun lauscht sie auch.
„Ja, ja, ja, oooooh, uuuuh, ja, ja, aaaah, uuuuuh, mehr Pimmele, mehr!“
„Die Marita!“ Susi und Sabine kichern, befreien sich aus den Umarmungen und schleichen an die Rückwand des kleinen Matratzenlagers, legen ihre Ohren an das duftende Kiefernholz. So hören sie zwar genauer, aber auch nicht mehr als Maritas leidenschaftliches Gestöhne, unterbrochen von ‚motivierenden’ Provokationen und gelegentlichen Knurren oder Grunzen, das wohl von Diego kommt. Offenbar hat er wieder genug Saft und Kraft gesammelt, um seine Freundin ins Himmelreich zu nageln.
Der Anblick, der sich den Männern bietet, macht wohl den müdesten Schlappschwanz munter. Nackt und streifenfrei braungebrannt, mit wallend schwarzer Mähne die eine, nackt und streifenfrei blassbraun, mit hellblondem Strubbelhaar die andere, beide mit breit gespreizten Beinen und lusterregend gerecktem Po über glatten Schenkeln, bieten sie ein Bild, wie es kein Maler erotischer hätte gestalten können. Fast vermeint man ein deutliches „Blopp“ zu hören, als zwei prächtige Penisse in die Höhe schießen und stramm wippend anzeigen, dass die Zeit der Unlust Vergangenheit ist.
Marita und Diego liefern den Lauscherinnen an der Wand ein höchst erregendes Hörspiel. Susi streichelt ihre Brüste, Sabine zwirbelt ihre Nippel, Susi reibt ihr Lustknöppchen, Sabine taucht einen Finger in ihre Spalte, als Jolly und Matze forsch von hinten herantreten. Wie abgefeuerte Marschflugkörper nähern sich zwei hammerharte Phalli den feuchtschimmernden Zielgebieten, dringen ein und verursachen eine Wollustexplosion.
Nur leise ächzen die Mädchen gegen die Wand, denn sie wollen dem anderen Paar nebenan nicht verraten, wie nahe sie ihnen sind, wollen sich weiter durch die Kopulationsgeräuschkulisse aufgeilen lassen. Doch ihre Beine zittern und geben nach. Langsam sinken sie auf die Knie, so langsam, wie Matze und Jolly, die ihre Hüften fest im Griff haben, es zulassen. Und das geht ebenso langsam, wie sie ihre harten Glieder im weichen Fleisch hinein- und hinausschieben.
„Oh, mein Gott!“, flüstert Jolly, „das ist sooo geil!“
„Des woar da earschte!“, erwidert Matze erregt, „da earschte üba dreitaus’nd! Gratuliere!“
Nun erst wird es ihnen so richtig bewusst, dass das Projekt Orgasmus 3000 erfolgreich abgeschlossen ist.
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KÜR
„Ja!“, jubelt Susi, „mein erster Orgasmus über dreitausend Meter Seehöhe! Juhuu! Und es war wunderschön! Aber das war erst die Pflicht, nun kommt die Kür, die Draufgabe, die ... Wie nennt ihr das in Österreich? Za... Zu...?“
„Zuawååg!“, vermutet Matze.
„Ganz recht! Also bitte, wenn ihr noch könnt, und es fühlt sich so an, als könntet ihr noch länger …!“
Matze knurrt nur und fickt Susi ein bisschen härter, er und Jolly erhöhen das Tempo, die Mädels den Stöhnpegel, der nun auch alle Lustgeräusche von Nebenan übertönt. Sowieso ist das Lauschen jetzt nicht mehr interessant und auch nicht mehr möglich, denn sie müssen sich mit beiden Armen gegen die Holzwand stützen und die heftigen Stöße abfedern, damit sie nicht mit dem Kopf dagegen krachen. Nun, da sie sicher auf den Matratzen knien, wandern Matzes und Jollys Hände aufwärts, streicheln die flachen Bäuche, die sportgestählten Oberkörper und landen dort, wo Männerhände besonders gern verweilen.
„Oh, ja! Das ist guuut! Halt mich fest! Drück mich! Fick mich!“, jubelt Sabine halblaut, denn noch immer beherrscht sie ihr Anliegen, das Paar hinter der Trennwand nicht zu sehr auf ihr Treiben aufmerksam zu machen.
„Hach! Oh, mein Gott! Du hast tolle Hände, pack meine Titties, stoß zu, stoß zu, stoß zuuu!“, fordert Susi, aber schon lauter, dann dröhnt auch schon das bekannte Sauriergebrüll durch das dünne Holz. Nun besteht kein Grund für Heimlichkeiten mehr, sie und Sabine lassen sich gehen und kreischen, wimmern, stöhnen, bis sie nacheinander keuchend auf den Bauch fallen, Jolly und Matze gleich darüber, denn diese sind auch fix und fertig. Schließlich ist die Luft auf dreitausend Metern Seehöhe doch ziemlich dünn, und sie liegen ja noch einmal drei Meter höher. Das macht zwar noch keinen Unterschied, aber morgen, wenn sie auf über dreitausendfünfhundert Meter klettern werden, wird das sicher merkbar sein.
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Am nächsten Morgen weckt Marita, putzmunter und strahlend wie die Frühlingssonne, alle schon um fünf zum Frühstück und noch vor sechs Uhr sind sie unterwegs. Alle werden mit tellerlosen Schistöcken und Schutzhelmen ausgestattet. Letztere bleiben zunächst in den Rucksäcken. Sie haben sich nach kurzer Diskussion für die Waldfee entschieden, weil dieser Berg keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und außerdem der höchste im Umkreis ist.
Marita führt die Gruppe in gemäßigtem Tempo auf einem leicht ansteigenden Pfad unter den steil abfallenden Felsflanken des ‚Richters’ hinauf zum ‚Richtertörl’, wo auch die unbewirtschaftete Richterhütte, eher ein Notunterstand ohne Komfort, steht. Von dort wird der Weg steiler, aber es sind dann nur noch gut vierhundert Meter an Höhe zu bewältigen. Außer Marita, die mit knappen Worten die Landschaft kommentiert und gelegentlich Hinweise gibt, die Unfälle vermeiden sollen, zum Beispiel, wie gelegentliche Schneefelder zu queren sind, spricht niemand viel. Besonders Sabine und Susi sind ausnehmend wortkarg, denn sie brauchen alle Luft zum Atmen. Glücklicherweise vertragen sie die Höhe grundsätzlich gut, es stellen sich keinerlei verdächtige Symptome ein. Gerade, als sich in Susi ein leiser Fluch manifestieren will, verkündet Marita laut: „Iatzt seima då!“ Und wirklich baut sich vor der Gruppe ein flacher Kegel auf, gekrönt von einem eindrucksvollen Gipfelkreuz. Nur wenige Schritte, dann stehen sie alle unter dessen ausladenden Armen und schauen ergriffen auf zahllose Gipfel und Bergrücken, Täler, Wälder, Almen – es ist einfach wunderbar.
„Wahnsinn!“, sagt Susi, als sie wieder genug Atemluft hat.
„Waldfee, dreitausendfünfhundertneunundzwanzig Meter“, liest Sabine von einer Tafel am Sockel ab.
„Hollareiieeiieeidüjühoooo!“, jodelt Marita zur Bekräftigung und schaut die anderen fragend an.
„Was ist mit du?“, fragt Sabine in Anspielung auf eine morgendliche Comedy-Pointe auf Radio Ö3 ihre Busenfreundin spöttisch, „noch vor zwei Wochen hast du nahezu perfekt jodeln können!“
„Was???!“
„Oder brauchst du dazu gewisse Hilfsmittel in deiner ...?“
„Halt einfach die Klappe, Blödmann!“ Susi und Sabine grinsen sich an, die anderen verstehen nicht, worum es geht (aber sie könnten es nachlesen in Ein heißer Juli 17 – Der Ritt der nackten Hexen) Kurz tritt Ruhe ein am Gipfel, dann fordert Marita ihre Schützlinge auf, mit ihr ein paar Schritte weiter zu einer Spalte zu gehen, wo sie windgeschützt in der Sonne sitzen können.
Dort nimmt sie ihren Rucksack ab. „Zieht euch trockene Sachen an, der Wind da heroben ist betrogen!“, und wechselt selber auch gleich ihr Shirt.
Aber Matze meint, es sei so schön warm in der Sonne, da bleibe er lieber oben ohne, lasse derweil sein Hemd von der Sonne trocknen. „Und ihr?“, fragt er Susi und Sabine provozierend.
„Pff!“, spuckt Sabine Eiswürfel, „Uns macht das nichts aus, wir sind schon mit dem alten Jogg nackt am Gipfel gesessen und das war echt geil.“
„Na dann!“, ruft Jolly und legt gleich seinen Arm um Susi, die eben ihr Shirt ausgezogen hat, verhindert damit, dass sie sich was überziehen kann und drückt sie auf den flachen Steinsims, auf dem schon Sabine und Matze sitzen und erwartungsvoll schauen, was nun Diego und Marita machen. Diego scheint belustigt, Marita irritiert, aber nur kurz. Sie schnaubt verächtlich und zieht schnell ihr Shirt wieder aus, öffnet den Gürtel und schiebt ihre weit geschnittene Knickerbocker-Hose bis zu den Knöcheln. Etwas mühsam ist es, mit den Bergschuhen durch die Hosenbeine zu schlüpfen, doch sie schafft es. Mit dem Slip ist es leichter, der kommt gleich auch weg. Jetzt ist sie es, die auf die anderen fordernd herabblickt.
„Ich geh mal schauen, ob wer kommt“, meldet sie dann und steigt splitternackt – bis auf die Schuhe und Stutzen – hinauf zum Gipfelkreuz. Montag ist zwar kein Tag, an dem mit erhöhtem Bergsteigerverkehr gerechnet werden muss, andererseits ist Ferienzeit und ein paar Touristen sind auch in St. Korbinian abgestiegen. Sie bewegt sich besonders vorsichtig, vor allem dann, wenn sie über harten Schnee stapft, denn ein Ausrutscher wäre in ihrem Zustand natürlich besonders unangenehm. Auf welcher Seite sie auch hinunterschaut, es ist niemand zu sehen. Nur weit drüben, in der Henker Ostwand sind zwei Seilschaften unterwegs. Die sind viel zu weit weg, um etwas mitzubekommen. Beruhigt geht Marita zurück, trifft auf fünf nackte Personen und grinst.
Dann aber bemerkt sie, dass Jolly und Matze nicht nur nackt sind, sondern auch ‚erregt’, dass Susi und Sabine eifrig dabei sind, diesen Zustand zu verfestigen und dass Diego auch einen Ständer vorweisen kann. Dabei schaut er sie in einer Art und Weise an, dass es keine Zweifel zulässt, was er nun besonders beglückend finden würde. Das sich ihr bietende Bild rauscht von den Pupillen direkt über das Zwischenhirn in ihre Muschi und fegt die noch immer vorhandenen Hemmungen, so gering sie auch gewesen sein mögen, hinweg. Ohne sich lange aufzuhalten setzt sie sich auf Diegos Schoß, legt ihre Arme um seinen Hals, zwingt ihn nahezu zu einem atemberaubenden – im wahrsten Sinn des Wortes! – Kuss und rutscht so lange hin und her, bis er in sie hineinflutscht. Fast ungläubig haben Sabine und Susi dies verfolgt, nun hindert sie natürlich nichts daran es der großgewachsenen Blondine gleichzutun.
In dieser herrlichen Bergwelt mit Blick über tausend Gipfel, schneebedeckte Grate, grüne Wälder und ein paar schwarz funkelnde Bergseen, werden diese Akte zu unvergesslichen.
Die dünne Luft wirkt allerdings leistungshemmend, Susi beginnt als Erste, heftig zu keuchen und nach Atem zu ringen. Sabine ist noch etwas besser dran und kann es sich nicht verkneifen, ihre Freundin zu stressen: „Kurz vor dem Ersticken sollen die Orgasmen ungeheuer geil sein!“
Susi wirft ihr einen mörderischen Blick zu, schweigt aber, wohl aus Luftmangel, wird dann auch gleich von Jolly entlastet, indem er sie nach vorne drängt, wo sie sich an einem Felsbrocken abstützen kann, und nun selbst den kraftraubenden Part übernimmt. Sabine verzichtet gleich darauf auch auf ‚ungeheuer geile Orgasmen‘ und platziert sich direkt daneben. Matze muss notgedrungen mit und ebenfalls nun selber seine Kraft einsetzen. Nur Marita pumpt unverdrossen mit ihren gestählten Oberschenkeln, betrachtet diesen Fick anscheinend als willkommenes Kraft- und Höhentraining.
In das Keuchen und Stöhnen mischen sich schon vereinzelte spitze Schreie, die Matze und Jolly zu höherem Tempo animieren. Die beiden sind zwar besser auf die Höhenlage eingestellt, aber dennoch geht ihr Atem schwer. Doch Aufgeben kommt natürlich gar nicht in Frage, nicht angesichts dieser herrlichen Körper, die sie aufgespießt vor sich haben und die nun in rhythmische Zuckungen verfallen. Endlich ist es soweit. Erst Susi und nur Sekunden später Sabine röhren sie ihr Glücksempfinden in die Bergwelt. Da können es auch Diego und Marita nicht mehr länger zurückhalten und ein dritter Schrei, der aber hell und fast wie ein Jodler klingt, durchschneidet die klare, aber dünne Alpenluft. So ein Orgasmus setzt Reserven frei! Sogar genug Atemluft war plötzlich da!
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OH, WIE PEINLICH!
Dafür hängen die sechs - ja sogar Marita! – schwer atmend wie nasse Säcke aufeinander. Immerhin erholt sich die junge Athletin am schnellsten und fördert aus ihrem Rucksack – gute Vorbereitung ist das halbe Leben – zwei Packungen Papiertaschentücher zutage, die sie großzügig verteilt. Da hören sie plötzlich Stimmen von oben.
„Schau ma amål, wer då so g’schrien håt!“ – „I siach då koan!“ – „Es muaß åba aus dera Richtung kemmen sein.“ – Åba då isch ja koana.“ – Vielleicht vo da ent’n, in da Wand!“ – "Geh, leich ma amål dei Schpecktiv. Håsch es woll mit?“ So geht es ein Weilchen hin und her und während der eine, es sind den Stimmen nach zwei ältere Männer, in seinem Rucksack offenbar nach dem ‚Spektiv‘, dem Fernglas, kramt, ziehen sich die sechs hochalpinen Orgasmiker blitzschnell an. Marita bedeutet ihnen hektisch mit auf die Lippen gelegtem Zeigefinger, sich leise zu verhalten und mit entsprechenden Handbewegungen, die Helme aufzusetzen, ihr schnell, aber vorsichtig, zu folgen. Sie führt die Gruppe auf kaum erkennbaren Gemsenpfaden geradewegs nach unten. Nach einigen steilen Metern erreichen sie einen winzigen Standplatz unter einer überhängenden Felswand.
„Was sollte das denn? Warum müssen wir da auf der falschen Seite runter?“, wundert sich Sabine.
„Genau! Die können doch denken, was sie wollen, wir müssen ja nicht mit ihnen reden“, führt Susi den Gedankengang weiter, aber Marita wischt die Einwände unwirsch zur Seite.
„Ihr habt’s doch keine Ahnung, wer da oben war!“
„Und wer?“
„Mei Opa und sei Freind, da Burgamoasta, der Bürgermeister. Und dem sein Sohn wieder ist der Herausgeber und Redakteur von unserem Talblatt. Immer auf der Suche nach einem Skandälchen, das er ausschlachten könnte. Den hab’ ich sowieso schon g’fress’n, weil der wollt’ mir an die Wäsche, der alte Sack!“
„Wie alt ist er denn?“, fragt Susi in Erwartung eines schmuddeligen Pensionsanwärters – obwohl, dann wäre der Bürgermeister wohl schon um die achtzig und am ehesten noch Ex-Bürgermeister.
„Keine Ahnung! Mindestens dreißig, denk’ ich.“
„Aber hallo!“, protestiert Matze, „mit dreißig ist man noch jung!“
„’tschuldigung, Anwesende wie üblich natürlich ausgenommen!“ Marita grinst vielsagend. „Die Susi hat ja schon eine Lanze für euch gebrochen und was ich gestern gehört und heute auch gesehen habe, seid ihr ja echt gut in Schuss. Da krieg’ ich ja fast Lust, es einmal mit euch ...“
„Untersteh dich!“, unterbricht Diego, „sonst bereue ich noch, das Angebot von Susi gestern ausgeschlagen zu haben. Und überhaupt sollten wir schauen, dass wir hier weg kommen. So gemütlich ist es ja auch wieder nicht.“
„Je gleimer, desto feiner!“, murmelt Sabine, „aber nicht überall.“
Marita wirft ihr einen verwunderten Blick zu. „Also, wir sind hier zwar auf der anderen Seite, aber das ist nicht unbedingt auch die falsche. Wir gehen schräg hinunter zum Richtertörl und wechseln dort wieder auf die ‚richtige’. Kommt und geht vorsichtig. Achtet auf lose Steine und Moose. Dass mir da ja keine runter fällt!“
Langsam und bedächtig führt sie die anderen über ein schmales Felsband quer über den Steilabfall, bis sie zu einem Felssturz kommen. Vor tausenden oder hunderttausenden von Jahren scheint hier ein Gipfel eingestürzt zu sein, die Reste liegen kreuz und quer wie ausgeschüttete Bauklötzchen eines Riesenkindes. Es scheint kein Weg hindurch zu führen, aber eben nur scheinbar, denn Marita kennt sich aus. Zwar bedeutet das eine anstrengende Kletterei, hinauf auf einen Felsbrocken, mit großem Schritt auf einen anderen, dann wieder hinunter und gleich wieder hinauf. Jolly und Matze üben sich als Kavaliere und helfen Susi und Sabine gern. Hauptsächlich wohl deshalb, weil sie dabei ihre Pranken ganz unverdächtig an verschiedene runde Körperteile legen dürfen. Das scheint sogar den ‚Hilfsbedürftigen’ ausnehmend viel Spaß zu machen, denn je länger die Kletterei dauert, desto unbeholfener stellen sich die Mädchen an.
Nur Diego kommt nicht an die begehrten Rundungen heran. Die von Sabine und Susi haben Jolly und Matze fest im Griff – im wahrsten Sinn des Wortes – und Marita braucht ganz offensichtlich keine Hilfe und bewegt sich sowieso immer außerhalb seiner Reichweite. Endlich ist das Trümmerfeld überwunden. Da muss er seinen Gefühlen Freilauf gewähren und umarmt Marita wie ein Krake, drückt und knetet, schmust und streichelt, bis sie ihn irritiert fragt: „Was soll das werden? Willst du mich hier vor versammelter Mannschaft vergenusswurzeln?“ Nein, das wollte er eigentlich nicht, darum zuckt er auch mit rotem Kopf zurück und tut so, als spähe er hinauf zum Gipfel. Maritas „Oh Gott, womöglich hätte ich ihn sogar gelassen!“, das leise gemurmelt nur die hellwachen Ohren von Susi erreicht, hat er nicht mitbekommen.
Diese Chance ist vorbei, aber es besteht kein Zweifel, dass sich Marita von ihm noch oft ‚Gewalt antun’ lassen wird. Jedenfalls setzt sich die Gruppe wieder in Bewegung und auch, wenn es jetzt wieder leicht bergauf geht, ist das Schlimmste überstanden, denn es gibt tatsächlich so eine Art Trampelpfad, dem sie bis zum Richtertörl folgen.
Dort sitzt vor der Richterhütte der alte Hartl in der Sonne und döst. Gerade wollen sie sich grußlos an ihm vorbeischleichen, da erwacht er zum Leben. „Ang’ruaf’n hamms!“, ruft er ihnen entgegen. Gespannt warten alle, was jetzt kommt. Wer hat wen angerufen? Und warum? „Mi!“, setzt er seine Information fort und schwenkt sein urtümliches Handy. Und weil immer noch niemand darauf mit einer Frage reagiert, serviert er ein weiteres Scheibchen: „Ob i was woaß!“
Endlich lässt sich Marita zu einer Gegenfrage herab: „Wer fragt, ob du wås woasch?“
„Vo unt’n, die Leitschtell, åba dia von Pargnalt!“
„Die Bergrettung? Um was geht’s denn?“
„Jå, des wollt i a wiss’n. Hab i g’sagt ‚I woaß viel, wås megsch’n wiss’n?’ Da håt er g’sagt, dass wer Hilferufe von der Waldfee g’kheart hab’n soll. Angeblich Klettara aus da Oschtwand vom Henka.“ Pause. Marita schweigt. Jedes Wort könnte jetzt ein falsches sein. „I hab g’sagt, dass i nix woaß, åba i geah schaug’n. Also bin i gångan. Derweil håt a no da Burgamoaschta ång’ruaf’n, er håt a wen schreien g’kheart, deismål åba irgendwia von der Oschtwand her! So eppa soll’s klungen habm.“ Seine Imitation trifft die Lustschreie von insbesondere Marita ziemlich genau. Er schaut die drei Mädchen belustigt an. Jetzt fliegt sogar Susi und Sabine die Röte ins Gesicht, von Marita gar nicht erst zu reden.
„Da hab i g’sagt ‚Des isch nix B’sundrig’s, de Schroa hån i scho in da Nåcht g’kheart. Vom Dachbod’n åba, wenn du vaschteasch’. I glaab, er hat’s vaschtandn, weil sie håmm koan Hubschrauba g’schickt!“
„Nåchand isch’s jå guat!“, presst sie mühsam hervor und eilt grußlos weiter.
Aber der Hartl hat noch nicht alle Pfeile abgeschossen. „I moan“, ruft er ihnen nach, „i muaß mein Gruaß åbwåndln. Nimma ‚ Måcht’s es guat, åba nit z’oft!’, sundan ‚Måcht’s es guat, åba nit z’laut’!“ Sein Gelächter verfolgt sie noch eine Weile, dann brechen alle Dämme und die sechs liegen sich schreiend vor Lachen in den Armen. Marita, keuchend: „Des isch so peinlich!“
Immer noch kichernd erreichen sie die Karglhütte im Eilmarschtempo, erledigen die notwendigen Formalitäten rasch und zügig. Simon und Lotte sagen nichts, schauen aber dennoch anzüglich, haben sich offensichtlich auch schon ihren Reim auf das merkwürdige Telefonat gemacht, wenn nicht Hartl sowieso alles ausgeplaudert hat. Marita will jedenfalls so schnell wie möglich abhauen, da kommt es ihr gelegen, dass sie zu einem freiwilligen Trainingskurs einrücken darf. Sabine und Susi hält auch nichts länger auf dieser Hütte, nachdem ihnen Matze und Jolly verraten haben, dass sie mit ihrer Arbeit noch lange nicht fertig sind und daher keine Minute Zeit haben, eventuelle Gelüste zu befriedigen.
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NACKTER AUSKLANG
In kurzer Zeit gelangen Marita, Diego, Susi und Sabine zur Mopedgarage und starten die Motoren. Die blonde Wilde rast in mörderischem Tempo den Weg hinunter, schlittert durch die erste Kehre, diesmal aber nicht nur mit Helm, sondern auch mit Knie- und Ellbogenschützern, festen Handschuhen und Rückenprotektor. „Die Wahnsinnige fährt nicht nur Schi und Motocross, sondern auch Snowboard und Downhill Bikes, alles, was schnell und riskant ist. Bungee Jumpen will sie auch!“ Das klingt ein wenig kläglich, aber wenn er sie wirklich liebt, ist es nur zu verständlich. Er stößt sich ab und folgt seiner Freundin in vernünftigem Tempo, Sabine, die nun fahren darf, und Susi lassen es gleich gemütlich angehen, denn erstens sind sie weder auf der Flucht, noch in einem Rennen und zweitens hätten sie mit der Ranger sowieso keine Chance.
„Meine Muschi brummelt!“, flüstert Susi ihrer Freundin ins Ohr. Überrascht bleibt Sabine stehen.
„Und was bedeutet das konkret?“
„Kann ich nicht so genau erklären, aber sie dürstet nach Aufmerksamkeit.“
„Du willst schon wieder ficken?“
„Nicht unbedingt, nein, eher nicht, aber wenn sich was ergibt ... Ein unbestimmtes Gefühl, dass ich jetzt nicht nur zurück zu Bruno und der Brummerhütte will. Irgendwas noch als Abschluss.“
„Das spürst du in deiner Muschi? Die brabbelt?“
„Brummelt, aber frag mich nicht, was das genau heißt. Unruhig irgendwie.“
„Brummelt, aber du weißt nicht, was es bedeutet. Ich glaube, du hast einen Knall! Heute wäre Fußballtraining. Würde das deine Muschi beruhigen?“
„Hör bloß auf! Das wär’ mir echt zu anstrengend, außerdem haben wir gar nichts mit dabei.“
„Oder Beach Volleyball mit den Mädels. Da brauchen wir nichts, außer bloßer Haut und die haben wir immer mit uns.“
„Das ist es! Jetzt nicht Beach Volleyball, aber nackt rumlaufen, Muschi auslüften! Fahren wir nach Hawaii, Handtücher haben wir dabei, mehr brauchen wir nicht. Vielleicht treffen wir sogar alte Bekannte!“
„Hm! Die Hawaii-Indianer Lukas und Andrea sicher, die hausen ja dort. Aber ja, die Idee gefällt mir. Und jetzt los, sonst schickt uns Marita noch die Bergrettung!“ Bei diesem Wort fängt sie schon wieder an, zu glucksen, zu unwiderstehlich ist die Vorstellung, die Bergrettung wäre mit einem Hubschrauber den ‚Hilferufen’ nachgegangen und hätte die drei Pärchen im Orgasmus entdeckt.
Tatsächlich sind Marita und Diego schon in Unruhe, fürchten einen schlimmen Unfall. Die Verabschiedung erfolgt rasch und unkompliziert, man wird sich ja wohl gelegentlich auf der Brummerhütte sehen. Diesmal nehmen Sabine und Susi den Weg talauswärts, denn nach Hawaii wäre die Straße über das Lungner Joch sogar ein Umweg gewesen, nicht nur langsamer wegen der vielen Kurven. Mit ein paar Schlenkern findet Sabine den kleinen Parkplatz oberhalb der Liegewiese instinktiv. Sie parkt die Ranger neben ein paar anderen Mopeds. „Schau mal da! Sind das nicht die Mopeds von Seb, Niko und Rue?“
„Sieht so aus! Dann wird es sicher nicht langweilig.“ Mühsam quetschen sie den Rucksack in den Stauraum, überqueren die Landstraße und schicken sich an, zur Liegewiese hinab zu schlendern. Doch auf halbem Weg begegnen sie schon der ausgelassenen Truppe. Nicht nur Rue, Niko und Seb, sondern auch Rory. Alle vier sind splitternackt. Großes Hallo!
„Na, Rue, geht ihr euch wieder Äpfel holen?“, fragt Sabine in Anspielung an Rues ersten Nacktausflug an dieser Stelle.
„Nein!“, erwidert diese, bibbernd vor Aufregung. „Wir wollen ein Stück weiter die Straße entlang fahren. Dort gibt es auch eine nette Badebucht.“
Sabine ist etwas irritiert. „Wie? Was? Soll das heißen, dass ihr nackt auf den Mopeds dorthin fahren wollt? Und dann wieder zurück?“
„Ja, ja, jajajajaja!“, schnattert die Kleine mit glänzenden Augen. „Das ist sooo geil!“
Susi schüttelt ungläubig den Kopf. „Und ihr wollt das alle mitmachen?“
„Ich find’s auch total geil!“, antwortet Rory, „und wir sind keine Angsthasen, dass wir nicht mittun!“ Dabei schaut sie Niko auffordernd an, der und Sebastian nicken wortlos. Alles klar! Die zwei Früchtchen haben das ausgeheckt und die Jungs machen mit, weil sie fürchten, sonst von ihren Freundinnen ausgelacht zu werden.
„Und was, wenn euch die Polizei schnappt?“
„Es ist doch nur ein Kilometer oder so. Da wird schon nichts passieren. Und wenn, was soll’s? Wir tun ja niemand was, oder?“ Das ist auch wieder irgendwie richtig.
Plötzlich hat ausgerechnet Niko einen Einfall. „Was ist mit euch? Macht doch mit bei dem Spaß! Liegt das nicht ganz auf eurer Linie?“
„Liegt das auf unserer Linie, Sabine? Nein, ich glaube, das liegt ganz und gar nicht auf unserer Linie, oder?“
Sabine wiegt den Kopf nachdenklich hin und her. „Nein, kann man so nicht sagen, obwohl man manchmal fast den Eindruck gewinnen könnte.“
Die unbekümmerte Rory sagt das Killerwort: „Ihr traut euch bloß nicht!“
Diesmal funktioniert das aber nicht gleich, doch eine Kerbe ist geschlagen. Rue sägt weiter am Widerstand: „Das ist doch ein Riesenspaß! Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, macht mit. Das ist geil, sooo geil!“ Ihre lustigen Augen flehen. Susi ist schon fast überzeugt.
Sabine bemerkt das und versetzt ihr den Todesstoß. „Das beruhigt dann sicher auch deine Muschi!“
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Nächste Folge: Ein heißer Heumond 10 - Kreuzfahrerschicksale
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