Ella - Gefesselt
von EviAngel
Am nächsten Morgen kam Daniel tatsächlich Punkt sechs Uhr auf den Parkplatz gebrettert. Zum ersten Mal sah ich sein Auto, ein richtig alter Pick-up, gelb, alt, aber gepflegt. Sah gut aus, obwohl es als Neufahrzeug schon ein billiges Allerweltsauto gewesen war. Wie sorgfältig er mit seinen Sachen umging, fand ich bemerkenswert.
Wir rannten gleich los, er hinter mir her. Natürlich lässt sich die supercoole Bella nicht hetzen, natürlich nicht, ich rannte wie immer. Er lief mit, nach einiger Zeit jedoch kostete es ihn, gut hörbar, erhebliche Mühe, sich nicht abhängen zu lassen. Als der Weg endete, wir über das Geröll rennen und von einem der immer größer werdenden Steine zum nächsten springen mussten, verlor er endgültig den Anschluss. An der Abzweigung zum Gipfel wartete ich auf ihn, er würde sonst gegen die Felswand laufen, vor der ich beim ersten Berglauf gestrandet war. Er pustete ziemlich, als er in Sichtweite kam. Es reichte, wenn er wusste, wo es weiter ging. Als er aufsah, zeigte ich auf den Abzweig und rannte weiter.
Er kam oben auf dem Gipfel an, als mir fast schon wieder kalt wurde. Es war ziemlich frisch hier oben, jetzt im Herbst, so früh am Morgen.
„Du bist ja irre! Total irre!“ Er keuchte ziemlich, als er den Gipfel erreichte.
„Wie kannst du nur …“, meinte er, schaute sich um, sah die Stadt unter uns liegen, die Weite der Landschaft.
„Die Aussicht ist schon echt geil.“ Er schaute sich um, von hier aus hatte man in alle Richtungen freie Sicht.
„Ziemlich geil“, ergänzte er noch.
„Komm!“, drängte ich. „Ich muss rechtzeitig in der Schule sein.“
„Ich sag ja, du bist voll irre“, er lächelte bewundernd, als er das sagte.
Auf dem Parkplatz musste ich auf ihn warten, sein Anblick erschreckte mich, als er humpelnd näher kam. Er hatte sich das Kinn und die Knie aufgeschlagen.
„Was ist passiert?“
Das Blut vom Kinn tropfte auf das Shirt.
„Ah, bin abgerutscht und voll aufs Gesicht gestürzt. Mist, verdammter!“
Spontan bot ich an, ihn zum Arzt zu fahren, er wollte jedoch selbst fahren. Ich empfahl ihm, den Sportarzt im Center aufzusuchen. Dem konnte man vertrauen, er war bekannt dafür, ordentlich zu arbeiten. Die aufgeplatzte Stelle am Kinn musste garantiert genäht werden.
Zuhause angekommen, duschte ich rasch und war pünktlich zu Unterrichtsbeginn in der Schule. Daniel schickte mir ein Foto von seiner behandelten Verletzung.
„Mit Sekundenkleber geklebt“, beschrieb er die Behandlung. „Soll angeblich die Narbenbildung vermeiden. Würde dich eine Narbe bei mir stören?“
„Nein, die hast du dir redlich verdient, darauf kannst du stolz sein. Oder auch nicht, wenn man sich auf die Nase legt, dann gibt man damit nicht an.“
An dem Tag fand das Training erst nach dem Unterricht statt, das war mir, ehrlich gesagt, lieber. Obwohl die Protektion durch die Lehrer sehr bequem und auch verführerisch war. Sie gab mir die Möglichkeit, jederzeit dem Unterricht fern zu bleiben, ich brauchte nur zu sagen, dass ich zum Sport müsste, dann erschienen die guten Zensuren von allein, ohne mein Zutun. Nur, davon wusste ich immer noch nicht mehr über die Kohlenstoffketten oder Aminosäuren, obwohl mir dieses Wissen bescheinigt wurde. Dieses Basiswissen benötigte ich jedoch real für meinen zukünftigen Beruf, also musste ich darüber verfügen. Wissen nur auf dem Papier würde mich nicht weiter bringen. Der Unterricht erschien mir mega-wichtig, der Sport war ebenfalls sehr wichtig, stützte er doch mein standing in der Schule.
Der Presi hielt übrigens Wort, selbst wenn ich eine Arbeit ablieferte, die vom Gefühl her mit einem ‚B‘ oder gar schlechter richtig benotet wäre, es erschien trotzdem ein A+ auf der Liste. Meine Ma würde dazu ‚Potemkinsche Dörfer‘ sagen, mir war es einerseits recht, andererseits auch wieder nicht. Einerseits, wenn meine Arbeiten korrekt benotet würden, würde ich im schlimmsten Fall ein Jahr wiederholen müssen. Andererseits war mir der Sport jedoch wichtiger als die Gefahr, eventuell ein Jahr dafür opfern zu müssen. Ohne Sport und ohne die Mannschaft würde ich eingehen wie eine Primel. -
Nach einiger Gewöhnung wird man von selbst wach, wenn man immer zum gleichen Zeitpunkt aufsteht. Das intensive Training, morgens der Berglauf und mittags oder nachmittags Volleyballtraining, führten dazu, dass ich früh müde wurde und zeitig zu Bett ging. Morgens spätestens um halb sechs war ich ausgeschlafen und konnte mich den Herausforderungen des Tages stellen.
Die Hausmeisterin, Missis Harford, freute sich jeden Morgen darüber, mir Croissants und Baguettes zu bringen, mir Kaffee zu bereiten und den Frühstückstisch zu decken. Sie mochte es, mich zu versorgen, obwohl es so früh war. Ich glaube, sie trug morgens gemeinsam mit ihrem Mann Zeitungen aus, noch vor dem Frühstück.
Für mich war es völlig neu, Personal zu haben, das mich wie eine Prinzessin verwöhnte. Ich saß allein am Tisch, Missis Harford lauerte in der Tür darauf, mich zu bedienen und mir alle Wünsche zu erfüllen.
War komisch, genießen konnte ich es trotzdem. So kam es, dass ich mich frisch, gut versorgt und ausgeruht auf die Bergtour begeben konnte. Mein Start dort fand von allein früher statt, denn ich wurde immer früher wach und wurde jeden Tag geiler darauf, den Berg hinauf zu rennen. Hört sich vielleicht komisch an, war aber so. Den Berg hinauf zu sprinten, von Stein zu Stein zu springen, die stetig wachsende Kraft und Ausdauer zu spüren, war einfach geil, echt jetzt, so richtig krass geil.
Am nächsten Morgen sah ich Daniels gelben Truck auf den Parkplatz biegen, als ich gerade loslaufen wollte. Klar, dass ich wartete, bis er heran und ausgestiegen war.
Er meinte, er würde das nicht auf sich sitzen lassen. Was jetzt genau, das Berglaufen oder langsamer zu sein als ich, ließ er offen. Seine Knie schmückten Pflaster, die Platzwunde am Kinn wurde von mehreren schmalen Klebestreifen zusammen gehalten.
„Möchtest du nicht lieber Knieschoner umschnallen und einen Eishockey-Helm aufsetzen?“, neckte ich ihn.
Da tat er so, als wenn er mich jagen wollte, das war das Startzeichen. Ob er eher oben ankommt, schneller läuft und springt als ich, war mir echt gleichgültig. Ich lief mein normales Tempo. Er überholte mich, von mir aus! Als der Weg zu Ende war und ins Geröll überging, holte ich ihn ein, überholte, ohne schneller zu werden, einfach das ganz normale Tempo durchgelaufen. Er kam keuchend am Gipfel an, als ich mich bereits auf den Rückweg machte.
„Du bist echt irre!“, meinte er zwischen zwei Atemzügen.
„Du bist nur schlecht in Form, das ist alles“, erwiderte ich grinsend und startete auf den Rückweg. Hinab ging es ebenfalls in dem normalen Tempo. Kann sein, dass sich mit der Zeit durch das Training die Geschwindigkeit gesteigert hat, weiß ich nicht, kann ich nicht sagen, weil ich die Zeit nie gemessen habe.
Als ich vom Parkplatz hinunter fuhr, um pünktlich in der Schule zu sein, sah ich ihn oben vom Geröll auf den Weg wechseln. Er sah noch gesund aus, so machte ich mich unbesorgt auf den Weg.
Ingeborg hat Isa und mich bei den offenen Stadtmeisterschaften in New Orleans angemeldet. Als zweite Mannschaft und auch als Ersatzleute waren die beiden Kolleginnen vorgesehen, die sich nun langsam den harten Teilen des Trainings näherten. Mittlerweile liefen sie täglich ihre zehn Kilometer, die nächste Steigerung würden die fünfzehn, danach dann die einundzwanzig Kilometer sein. So wurde es jedenfalls bei Isa und mir gehandhabt. Da sich diese Vorgehensweise bei uns bewährt hat, wird Ingeborg davon nicht abweichen wollen.
Isa befand sich wieder im Training mit den beiden, sie stellte fest, dass sich ihre Kondition schneller verbesserte, als sie zu hoffen gewagt hatte. Sie äußerte die Hoffnung, bald gemeinsam mit mir den Berg hinauf und hinunter rennen zu können. Sie freute sich darüber, dass ich Daniel jeden Morgen abhänge. Ich sag ja, Schadenfreude ist die reinste Freude. Das war für den Burschen und seinen Ehrgeiz nicht das Richtige, abgehängt zu werden, meine ich. Jeden Morgen kam er stur um sechs Uhr an, um sich die nächste Schlappe abzuholen. Er näherte sich so langsam meinem Trainingsstand, das war leicht zu sehen. Musste ich anfangs auf dem Gipfel etliche Minuten auf ihn warten, so blieb er mittlerweile stets in Sichtweite.
Ich kann nicht davon ausgehen, dass in meinem Leben mal irgend etwas planvoll und reibungslos abläuft. Also, an einem Montag war Daniel fast so weit, dass er gemeinsam mit mir hinauf laufen konnte, zeitgleich erreichten wir den Gipfel. Er war stolz darauf wie ein Hahn und benahm sich auch so. Er fühlte sich als König der Berge, alle lagen ihm zu Füßen.
Männer!
Auf dem Rückweg sprangen wir wie üblich von Stein zu Stein, manchmal musste man fast zwei Meter weit springen, von einem runden Felsen zum anderen. Daniel musste mich unbedingt überholen, er keuchte mir dauernd ins Genick. Sein Kinn war noch nicht ganz ausgeheilt, da riskierte der Trottel Kopf und Kragen, nur um mit mir mithalten zu können. Was für ein Depp!
Es kam, was kommen musste, er wollte unbedingt vorn laufen, drängelte sich an mir vorbei. Er gab mir dabei einen Schubs, nur einen leichten, aber der reichte aus, um mich vor einem Sprung zwischen zwei Felsen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Den Sprung, einmal begonnen, musste ich durchführen, ob ich wollte oder nicht. Wild mit den Armen rudernd landete ich an der Seite des nächsten Felsbrockens, rutschte ab. Was sich abzeichnete, das passierte, der Fuß rutschte in den Spalt zwischen zwei Felsbrocken, der Schwung, das Tempo, bedingte, dass sich mein Körper weiter bewegte, der Fuß, das Bein aber waren gefangen. Es brach etwas, das konnte ich hören und natürlich fühlen. Ein schriller Schmerzensschrei platzte aus mir heraus.
Der Fuß war eingeklemmt, total verdreht. Durch die unglückliche Lage belastete ich die Verletzung mit dem gesamten Gewicht zusätzlich. Der Schmerz war gigantisch und ließ nicht nach. Die Tränen rannen mir aus den Augen, ich musste echt fest auf die Zähne beißen, um nicht pausenlos zu schreien. Alter! Solche Schmerzen kann kein Mensch ertragen!
Der bekloppte Daniel kam hektisch an und sagte:
„Was machst du denn für nen Scheiß?“
„Du Depp! Was stößt du mich an?“
„Ich?“, fragte er, als wenn es hier noch jemanden gäbe. Egal, ich musste aus der misslichen Lage heraus.
Er half mir, den Fuß aus dem Spalt heraus zu ziehen, der Schmerz war echt vollst mega krassest. Daran zu denken, weiter zu laufen, war von vornherein auszuschließen, der Fuß baumelte verdreht unnütz herum. Es müsste ein Hubschrauber her und mich in ein Krankenhaus bringen.
„Quatsch!“, meinte der Held, der Bezwinger des Berges. „Ich trage dich das Stückchen.“
Wie schon einmal erwähnt, ich bin kein leichtes Mädchen, naughty ja, leicht nein. Die durchtrainierten dreiundsechzig Kilo Knochen und Muskeln können selbst einem starken Mann Probleme bereiten. Daniel ließ sich nichts anmerken. Unter Jammern und Wehklagen hopste ich auf einem Bein und mit seiner Unterstützung auf eine kleine Anhöhe, von da aus nahm er mich auf. Er trug mich tatsächlich Huckepack den Berg hinunter. Die Schmerzen waren echt der Hammer, nur mit Mühe unterdrückte ich den Drang, mich erbrechen zu müssen, so schlecht war mir von dem gebrochenen Knochen.
Am Auto angekommen, setzte er mich erst einmal auf der Ladefläche seines Trucks ab. Er richtete die Bank in der Fahrerkabine her, um mich auf den Beifahrersitz zu zwängen, ich lehnte ab. Bevor er mich noch einmal bewegen würde, wollte ich lieber flach auf der Ladefläche liegen bleiben. Der Schmerz war echt irre. Daniel deckte mich gegen den Fahrtwind mit einer Plane zu und fuhr los.
Er fuhr echt typisch amerikanisch, dieses Mal begrüßte ich die lahmarschige Fahrweise, denn irgendwelche hektischen Fahrmanöver hätten mir zusätzliche Schmerzen verursacht. Im Krankenhaus angekommen, rief er gleich nach einem Arzt. Ein Pfleger kam an, sah den verdrehten Fuß, besorgte sehr eilig zwei Kollegen und eine fahrbare Trage. Sie fassten mich zu dritt, der Pfleger sagte:
„Zähne zusammenbeißen!“ und sie hoben mich darauf. Alter, es war nicht auszuhalten. Die Tränen rannen, der Schweiß trat aus allen Poren. Solche Schmerzen hatte ich echt noch nie.
Ein Arzt kam, schaute erst auf den Fuß, dann mir ins Gesicht. Er staunte mich an.
„Bella? Bella Fitzpatrick?“
Was war das jetzt?
Er nahm meine Hand in seine Hände.
„Du bist es wirklich, oder?“
„Ja“, bestätigte ich. „Kennen wir uns?“
„John, John Enston. Nein, du kennst mich nicht, ich bin Fan, Fan von dir und Isa, von eurem Beachvolleyball. Was ist passiert?“
Als er hörte, was passiert war, ließ er mich an den wartenden Menschen vorbei fahren.
„Sofort ins Röntgen und MRT!“, ordnete er im Befehlston an.
Die Pfleger guckten komisch, aber fuhren mich an einer ganzen Schlange Wartender vorbei.
„Einen Augenblick!“, meinte John Enston, er zückte sein Handy. Was mir geschah, konnte ich nicht so recht einordnen. Mir fiel nur ein, dass mein Auto noch auf dem Parkplatz stand. Ein offenes Cabrio auf einem einsamen Parkplatz würde wohl nicht lange stehen bleiben, vor allem da der Schlüssel im Handschuhfach lag. Wer hilft mir jederzeit in der Not? Ich rief Mama an. Sie war erstaunlich gefasst, begann gleich zu managen. Sie versprach, sich ums Auto zu kümmern, fragte mich, in welchem Krankenhaus ich gelandet wäre. Als ich ihr sagte, in der Uni-Klinik, erwiderte sie sehr zufrieden:
„Gut! Das ist unsere. Mach dir keine Gedanken, werd schnell wieder gesund, hörst du?“
Es ist extrem tröstlich, diese Worte von der Mama zu hören.
John Enston kam mit einem zweiten Weißkittel an. Der war genauso begeistert, mich zu sehen.
„Das ist Jack Mulligan, er ist der leitende Chirurg hier. Wir spielen beide als Team Beachvolleyball. Du bist hier in den besten Händen und bei Freunden, die dir ergeben sind. Mal sehen, ob wir dich für New Orleans wieder fit kriegen.“
Röntgen und MRT musste ich über mich ergehen lassen, erst nach der Untersuchung bekam ich etwas gegen die Schmerzen. Die Erleichterung, als der Schmerz mich endlich aus seinen Klauen entließ, war gigantisch. Es war ein ganz wunderbares Gefühl, kann ich nicht beschreiben, aber es war echt mega erleichternd.
Sie schoben mich vom MRT aus gleich in den OP. Eine Schwester half mir dabei, mich auszuziehen, die Shorts schnitt sie entzwei, sie wollte sie mir nicht über den verletzten Fuß ziehen.
In ein OP-Hemd gekleidet, die Haare abgedeckt, wartete ich auf das, was geschehen würde. John und Jack kamen herein, beide in OP-Kleidung.
„Also“, begann John. „Wir müssen den Fuß und den Unterschenkel operieren, Jack operiert, ich mache die Anästhesie. Wir werden nach der OP deinen Fuß, das ganze Bein still legen, das darf sich mindestens eine Woche nicht bewegen, überhaupt nicht, verstanden? Dann sehen wir weiter. Ich will dir keine Narkose geben, davon wirst du richtig matschig, du kriegst stattdessen eine Spinalanästhesie, dabei bleibst du die ganze Zeit klar. Kapiert?“
Was er mit ‚spinal anesthesia‘ meinte, war mir nicht klar.
„Du bekommst eine Betäubung in die Rückenmarkshülle, da spürst du untenrum nichts, aber bleibst klar dabei. OK?“
Klar, ich vertraute ihm.
John gab mir die Spritze in den Rücken, sie legten ein grünes Tuch über mich, der Fuß und der Kopf blieben frei. Das Tuch wurde aufgestellt, sodass ich den Operateur und sein Team nicht sehen konnte. John saß neben meinem Kopf, beobachtete einige Instrumente und plauderte ganz locker mit mir, als säßen wir in irgendeiner Kneipe und würden uns übers Wetter unterhalten.
„Weißte, wir haben euren Weg bei der Stadtmeisterschaft verfolgt. Du und Isa, ihr habt uns so großen Spaß gemacht, ihr habt die gesamte Veranstaltung gerockt, wirklich wahr, ihr wart echt der absolute Wahnsinn. Vom ersten Aufschlag an wart ihr so begeistert bei der Sache, ihr habt eine solche Spielfreude an den Tag gelegt, wir und das gesamte Publikum waren echt hingerissen, stimmts, Jack?“
Vom Fußende kam unsichtbar ein Kommentar, in ebenso lockerem Plauderton:
„Wie sehr ihr euch über jeden Punkt gefreut habt, dann immer wieder die vier Fäuste zusammen geboxt, ihr habt echt mitreißende Spiele abgeliefert, wirklich wahr. Wie ihr zusammen gehalten habt, wie ihr auch bei Rückstand bei der Sache wart, wir waren wirklich begeistert und sind es immer noch.“
„Jack, was sagst du, wird sie in New Orleans antreten können?“
„Bis dahin sind es acht Wochen, oder? Davon gehe ich aus, du hast schließlich das gesamte Krankenhaus zur Unterstützung hier, Bella. Du bist die VIP-Patientin, die gesamte Klinik liegt dir zu Füßen. Wir werden ein wenig tricksen müssen und darauf hoffen, dass es keine Doping-Kontrolle zwischendurch gibt, denn wir werden dir Wachstumshormone spritzen müssen und auch Testosteron. Dann heilt es schneller und wird schneller belastbar.
Das müsste aber in New-Orleans schon wieder weg und nicht mehr nachzuweisen sein. Wir kriegen es hin, du musst allerdings zusehen, dass du die Kondition behältst. Du wirst mindestens drei Wochen nicht gehen, das bedeutet, den Fuß in keiner Weise belasten dürfen, also, Ausdauertraining im Bett.“
Wie man sich während der OP fühlt, kann ich nicht beschreiben. In Johns Spritze war wahrscheinlich irgendein Glücklichmacher, denn ich spürte nichts, keine Schmerzen, ich fühlte mich, als würde ich über dem Tisch schweben. Wieso wussten die von New-Orleans? John erzählte:
„Wir werden anderthalb oder zwei Wochen Urlaub in New Orleans machen und euch unterstützen. Die Frauen und Kinder nehmen wir mit, wird eine Riesensause. Darauf freuen wir uns alle. Bin mal gespannt, wie ihr in so einem großen Feld auftretet, glaube, etwas von über vierzig Mannschaften gelesen zu haben. Unsere Wette lautet ja, dass ihr mindestens unter die ersten Drei kommt. Eure Finalgegnerinnen von hier gehören mit zu den Favoriten. Wie ihr zwei mit Favoriten umgeht, haben wir gesehen, auf eine Wiederholung freuen wir uns wie verrückt.“
Während der OP bin ich eingeschlafen; wie ich später hörte, dauerte sie fast vier Stunden. Ich wurde wach, als sie mich aus dem OP heraus rollten und auf ein Zimmer brachten. Aus dem verletzten Fuß stachen etliche Metallstangen, er war dick bandagiert, total fest auf eine Art Rampe gebunden, Schmerzen spürte ich keine. Der Fuß lag hoch und saß unverrückbar fest.
John kam angewuselt, er war begeistert.
„Jack ist der beste Chirurg, den man sich vorstellen kann. Der Bruch war viel komplizierter, als es selbst auf dem MRT zu sehen war. Jack hat echt gezaubert. Die gute Nachricht ist, dass du komplett wieder hergestellt werden wirst, du kannst wieder so laufen wie vorher. Wir freuen uns wie verrückt, dass wir etwas für dich tun können. Was hast du mit den Meyer’s-Werken zu tun?“
„Meine Ma vertritt den Mehrheitsaktionär, sie hat das Sagen. Warum?“
„Ach, daher! Nee, das Meyer’s hat das Krankenhaus gebaut und sorgt dafür, dass wir die gut bezahlten Jobs haben. Aus dem Grund bist du hier der Ober-VIP, ist von ganz oben so angeordnet. Egal, jetzt brauchst du Ruhe, die Verletzung muss heilen, dazu braucht der Körper seine gesamte Kraft. Hast du alles, wünschst du dir etwas?“
Auf meinen Wunsch hin brachte er mir ein Tablet, damit konnte ich zumindest erst einmal mit der Außenwelt in Verbindung treten. –
Eine Woche später, die Langeweile war echt irre. Zweimal am Tag kam eine Physiotherapeutin, die mit mir Übungen unternahm. Den Fuß durfte ich nicht bewegen, musste aber trotzdem trainieren. Sie brachte eine Art Hand-Fahrrad am Bett an, mit dem ich die Armmuskeln und die Ausdauer trainierte. Darüber hinaus zeigte sie mir Übungen, mit denen ich die Körperspannung und alle anderen Muskeln in Bewegung halten konnte, um möglichst wenig Kondition einzubüßen.
Es war schrecklich, untätig herumliegen zu müssen.
Klar, dass Isa kam, auch klar, dass Daniel mich öfter besuchte. Er meinte ganz zerknirscht, dass er sich tatsächlich an den Schubser erinnerte, der Anlass zu dem Unglück gewesen war, er machte sich die größten Vorwürfe. Geschah ihm recht. Er brachte Blumen und Pralinen und fragte dauernd, ob er noch etwas für mich tun könnte. Er kam manchmal sogar zweimal täglich, war echt süß von ihm.
Ingeborg kam auch, sie befragte die Ärzte, die waren guter Hoffnung, dass ich für New-Orleans wieder fit sein würde. Sie betrachtete kritisch den stillgelegten Fuß mit den antennenartig heraus ragenden Stahlstiften, sah aber wirklich aus wie ein Alien-Flugzeug. Man merkte ihr die Zweifel an, die sie zu verbergen versuchte, sie zweifelte ganz offensichtlich daran, dass ich bis dahin wieder fit sein könnte. Wir sprachen nicht über mich, das Thema vermied sie, sie fragte:
„Isa ist wieder fast so fit wie vor der verrückten OP. Warum sie das gemacht hat, ist mir ein Rätsel. Sie hat keinen Freund, oder?“
„Vielleicht versucht sie auf dem Weg, attraktiver zu erscheinen?“, schlug ich vor. Verraten würde ich sie auf keinen Fall, klar.
„Blödsinn!“, knurrte Ingeborg dazu. Sie berichtete:
„Deine beiden Mitstreiterinnen sind so weit, dass ich sie einen Halbmarathon laufen lasse. Mal sehen, wie sie sich schlagen. Beide haben nicht den Spielwitz wie Isa und du, und auch nicht die Durchschlagskraft, die du so an den Tag legst, aber besser als du mit dem defekten Fuß sind sie allemal. Ich hoffe ja, dass du wieder auf dem Damm bist, bis dahin. Also, streng dich an!“
Naja, aufbauend ist so eine sachliche Analyse gewiss nicht.
Margret kam am zweiten Tag an.
„Was machst du denn für Sachen?“, war ihre Frage. Sie hatte keine Zeit, war nur kurz während der Mittagspause herein geschneit. Es war klar zu erkennen, dass sie unter der Krankenhausatmosphäre litt, sie fühlte sich extrem unwohl, schaute sich dauernd um, war nervös wie nur was.
In der Zeit, in der sie hier war, rannten dauernd Schwestern und Pfleger im Zimmer herum, deswegen waren wir keinen Moment allein. Dass sie, trotz der Abneigung gegen das Krankenhaus, etwas mit mir anfangen wollte, war offensichtlich. Bisher war das Verlangen nach Sex allerdings sehr weit weg, denn ich war damit beschäftigt, zu realisieren, was mit mir geschehen war und wie sich das auf die Zukunft auswirken würde. Ich wollte sehen, ob ich irgendwie online am Unterricht teilnehmen kann. Der Gedanke daran, in der Schule mit den Zensuren abzusacken, vielleicht auch noch den Anschluss zu verlieren, war eine echte Horrorvorstellung.
Der Wunsch nach Sex beschäftigte mich anschließend, als Margret weg war. Klar kann ich es mir immer selbst machen, logisch. Werde ich auch, wenn ich denn mal allein bin. Es schien so, als würde mich das gesamte Krankenhauspersonal mal in Augenschein nehmen wollen, so viel Betrieb herrschte in meinem Zimmer. Die Tür zum Flur stand immer offen, alle naselang kam jemand herein, grüßte, betrachtete mich, inspizierte die Geräte, an die ich angeschlossen war, verabschiedete sich und ging wieder. Vor allem sehr junge Ärzte kamen zu Besuch, es wirkte auf mich, als würden sie alle die dämliche Kuh sehen wollen, die sich den Fuß gebrochen hatte und nun absolut bewegungslos und somit wehrlos im Bett lag.
An dem Tag war die Frequenz der Besuche ganz erheblich, ich lag dort und betrachtete das ungewöhnliche Treiben. Einer kam öfter, der fiel mir auf, ein großer Blonder. Er wirkte etwas untersetzt, trotzdem insgesamt ein sportlicher Typ, Dreitagebart, blaue Augen, nettes Gesicht, weißer Kittel. Die Besucher mussten an dem Bett vorbei gehen, um zu den Geräten zu gelangen, der große Blonde schielte aus den Augenwinkeln zu mir rüber, aber nur auf dem Hinweg. An den Geräten angekommen, las er etwas ab. Natürlich bemerkte er, dass ich ihn ansah.
„Wie gehts uns denn heute?“, fragte er nach einigem Zaudern.
Aus meinem Blick schloss er messerscharf, dass mich allein schon die Fragestellung nervte. Nun straffte er sich, zeigte mir, dass er ein Mann war, er erklärte:
„Du bist echt eine Sensation hier im Krankenhaus, jeder will dich sehen. Du sollst die kommende Weltmeisterin im Beachvolleyball sein. Muss ein geiles Gefühl sein.“
John und Jack gingen mit ihrer Schwärmerei ganz schön weit, wie ich fand. Da der Typ echt süß war, bequemte ich mich zu einer etwas ausführlicheren Antwort, obwohl ich eigentlich nur genervt war.
„Ich? Weltmeisterin? Unsinn. Kommt mich deswegen das gesamte Krankenhaus besuchen?“
Er grinste verschmitzt, war sympathisch.
„Hast du viel Besuch? Bist einfach ein Star, den wollen alle sehen. Außerdem heißt es, dass du die Eigentümerin von Meyer’s bist, stimmt das?“
„Meine Ma vertritt den Hauptaktionär, das stimmt.“
„Na, egal, auf jeden Fall bist du für uns alle die wichtigste Person im Moment.“
Der Arzt war echt süß, er versprach, wieder zu kommen. Er fand mich anscheinend auch nicht so hässlich, jedenfalls hielt er auf dem Weg zum Ausgang den Augenkontakt aufrecht, er wäre beinahe gegen die offen stehende Tür gerannt.
Daniel kam überraschend während des Ausdauertrainings. Das Gestell auf dem Bett wurde von mir jeden Tag mindestens zwei Stunden lang benutzt. Mir rann der Schweiß aus allen Poren, in der Endphase der Übungsstunde stellte ich die Schwierigkeiten immer höher, so lange, bis ich nicht mehr konnte. Daniels Anwesenheit störte mich so ein wenig, war aber nicht so wichtig. Jetzt noch vier Minuten den höchsten Schwierigkeitsgrad bei dem Tempo, ich biss die Zähne zusammen dass sie knirschten. Noch drei Minuten, noch zwei, noch eine, ich stöhnte vor Anstrengung, Endspurt!
Heftig atmend ließ ich die Handkurbel los, mit der dieses Folterinstrument bedient werden musste.
„Ich sag doch, dass du bekloppt bist!“, kommentierte er grinsend. „Tag Süße. Wie oft und wie lange machst du das?“
Er schaute immer wieder auf die Stelle des OP-Hemdes, unter der die Mumu lag. Das Hemd war eh ein kurzes Hemd, durch das Training rutschte es hinauf, die Mumu wurde nur noch sehr knapp bedeckt. Durch den dünnen Stoff des Hemdes sah man das Geschirr, mit dem das Becken fixiert wurde. Es verhinderte, dass ich das Becken drehe und damit das Bein und letztendlich den Unterschenkel und den Fuß bewege. Ob er jetzt das Geschirr anschaute oder die Mumu, konnte ich nicht genau sagen. Um ihn zu testen und weil mich das kleine rote Teufelchen ritt, hob ich das Hemd an und zeigte ihm beides, Mumu und Geschirr.
„Es verhindert, dass ich das Bein unbewusst bewege“, erklärte ich ihm mit unschuldigem Augenaufschlag.
„Alter!“, sagte er ächzend. Er schaute da hin, wohin er schauen sollte, begegnete meinem Blick. In seinem lag dieses irre, brennende Flackern, das ich schon kannte. Es bedeutete, das es ab jetzt kein Zurück mehr gab. Sein Blick raste zur offenstehenden Tür. Er sprang auf, nahm den Stuhl, auf dem er gerade saß, knallte die Tür zu. Die verfügte über eine Unterarm-Klinke, besonders lang, damit man die Türe mit dem Ellenbogen öffnen konnte. Er kippte den Stuhl, bis er mit der Lehne die Klinke blockierte, damit versperrte er die Tür sehr wirkungsvoll.
Was sich abzeichnete, machte mich echt krass geil. Ich grinste ihn an, es würde jetzt gleich so richtig abgehen, das war klar. Er warf sich aus den Kleidern, zupfte mir das OP-Hemd vom Leib, staunte kurz meinen nackten Körper an, mit dem Geschirr ums Becken, stieg gaaanz vorsichtig zu mir aufs Bett, kauerte sich zwischen meine Beine. Er wusste nicht genau, ob er das tun durfte, was er tun wollte und wie er das anstellen sollte.
Unsicher lächelte er mich an, sein Penis ragte hart und dominant hervor. Den wollte ich jetzt unbedingt bekommen, in dem Moment konnte ich es nicht mehr abwarten. Ich streckte die Arme nach ihm aus, er überwand seine Unsicherheit und kam zu mir, endlich. Ich lenkte ihn hinein und schluchzte im gleichen Moment voller Lust und überwältigender Gefühle. Sein wundervolles Glied drang ein, brachte einen Hitzeflash mit, der all mein Empfinden explodieren ließ. Das Becken war fest geschnallt, das konnte ich nicht bewegen, ich lag da absolut passiv, umklammerte ihn mit aller Kraft, hielt ihn fest, nicht dass er davon fliegt.
Er rührte sich nicht, hielt dieses wundervolle Teil tief in mir versenkt, ganz drin, ganz meins, mega geil. Ganz nah, ganz heiß, ganz bei mir, Haut an Haut, Penis in Scheide. Der Gefühleflash, der mein Innerstes erleuchtete, der mich fliegen, der mich glücklich sein ließ, den wartete er ab. Er fühlte sich so hinein, wie es bisher nur Tommy konnte. Hier, der, der konnte es ebenfalls. Es war, als wüsste er, wann es mir das größte Vergnügen bereiten, den stärksten Reiz ausüben würde, wenn er vom Stillstand in die Bewegung übergeht. Nur ganz, ganz zart bewegte er sich millimeterweise. Bei jedem Mü erlebte ich dieses extreme Glücksgefühl, das aus Sex, Erotik, körperlichem Ausdruck von Liebe, Nähe und erfülltem Verlangen bestand.
Es war so geil, so erfüllend, es machte so glücklich, ich weinte bei all der Lust, die ich empfand. Die Bewegungen nahmen zu, wie es von ihm und von mir gleichermaßen gewünscht war. Daniel spürte das, spürte, was jetzt das Schönste für mich war. Er wurde heftiger, legte Kraft in seine Bewegungen, nur kurz, wurde wieder zärtlich und verlangsamte, um schneller zu werden, zu variieren. Es war einfach wundervoll, dieses Nümmerchen mit Daniel. Bei der Hitze, die von uns beiden ausging, sich ergänzte, sich addierte, konnten wir dieses höchste Glück nicht lange genießen. Nach viel zu kurzer Zeit stellte sich der Kulminationspunkt in den Weg aller Zärtlichkeiten. Es begann eine wilde Raserei, meine und seine gleichermaßen. Ich umklammerte ihn mit dem gesunden Bein und den Armen, krallte mich in seinem Rücken fest, gab ihm alles Gefühl und nahm von ihm alles Gefühl. Das bewusstseinraubende Glück stellte sich ein, wir verloren uns ineinander, verströmten uns miteinander, gaben uns vollständig ein, mit Haut und Haar und allem Gefühl.
Schwer atmend blieben wir ineinander. Er sah mich an, es fehlten ihm und mir die Worte, wir küssten uns, waren beieinander und füreinander da.
Es war mir in dem Moment unvorstellbar, dass ich ein solches Glück schon einmal empfunden hätte. Ich musste ihn küssen und küssen, über und über.
Es klopfte an der Tür. Daniel erschreckte, blieb aber gelassen. Er stand auf, legte das OP-Hemd über mich, zog mir die Decke bis zum Bauchnabel hinauf, schlüpfte in Bermuda und T-Shirt und öffnete die Tür.
„Ist es möglich, etwas Privatsphäre zu haben?“, fragte er die Schwester, die mit anklagendem Gesichtsausdruck den Raum von der Tür aus scannte.
Die vorwurfsvoll vorgetragene Frage verunsicherte sie ein wenig.
„Das ist ein Krankenhaus, kein Privatclub!“, erwiderte sie, befand sich jedoch innerlich bereits auf dem Rückzug, so kam es mir vor. Daniels U-Hose lag auf dem Boden, die hatte er offenbar in der Eile nicht übergestreift. Sie deutete anklagend darauf und verlangte mit einem Blick auf Daniel dafür eine Erklärung.
„Und?“, fragte Daniel aggressiv.
Tatsache, die Schwester kuschte und verschwand, sie schloss sogar die Tür hinter sich. Daniel steckte sich die U-Hose in die Tasche, war kaum damit fertig, da raste John ins Zimmer.
„So!“, sagte er, er nahm Daniel nur im Vorübergehen wahr. „Jetzt kommt der Moment der Wahrheit.“
Mir schwante Furchtbares, ob die Schwester gepetzt hatte? So schnell?
„Jetzt werden wir sehen, welches Heilfleisch unsere VIP-Sportlerin hat. Im MRT schauen wir uns jetzt an, was wir erreicht haben.“
Ein Pfleger und die Schwester mit dem vorwurfsvollen Blick schoben mein Bett aus dem Zimmer hinaus, in den Flur, in den Fahrstuhl, hinauf in den achten Stock. Ich befand mich noch nicht ganz wieder aus dem Glücksrausch zurück auf der Erde, da prasselten diese neuen Eindrücke auf mich ein. Die Tränen der Lust und des Glücks waren noch nicht ganz getrocknet, da überschwemmten mich diese unerwarteten Ereignisse. Das schaffte mich, echt. Ich ließ völlig passiv alles geschehen, nahm nicht teil, sondern lag nur da.
Sie hoben mich zu dritt mitsamt der Fixierung und dieser Fußrampe auf die MRT-Liege. Der Fleck im Bett, der aus Daniels und meinem Saft bestand, war deutlich zu sehen. Seltsamerweise beachtete den niemand. Sie entfernten die Fixierungen, zum ersten Mal nach anderthalb Wochen war das Bein und das Becken frei beweglich. Es war ein Gefühl, ähnlich wie schweben.
Das Gerät, diese Röhre, machte den üblichen Krach, sie gaben mir auf Wunsch Country-Musik auf den Kopfhörer. Dabei kam ich so langsam zur Besinnung.
Was war jetzt mit mir und Daniel? Vorhin, das war das vollkommene Glück. Absolut, vollkommen, mehr war nicht denkbar. War es das? War er das? Waren Daniel und ich füreinander bestimmt?
Im Laufe der Untersuchung kam ich zur Besinnung. Bella war Bella, ich komme immer zurecht. Was ich vorhin erlebt hatte, war gigantisch, mega, geil bis obergeil, krass schön. Das wollte ich wieder erleben, ohja, wieder und wieder. Aber nichts war endgültig, kann es nicht sein. Wer weiß, was noch alles kommt. Unter Umständen erzählte Daniel das Nümmerchen im Krankenbett mit der festgeschnallten Bella auch wieder seinen Buddys in dem Diner. Sie würden es sich vorstellen und mich bei nächster Gelegenheit wieder so dämlich angaffen.
John strahlte, als ich aus der Röhre kam. Er brauchte gar nichts zu sagen, es war alles gut. Weil er so sehr strahlte, war es mir bereits im ersten Augenblick klar, so sah nur einer aus, der gute Nachrichten überbringen durfte.
„Wunderbar, einfach wunderbar. Jack kommt auch gleich, das MRT ist der Hammer, wirklich wahr.“
Sie legten mich zurück ins Bett, es war frisch bezogen! Den Fleck erwähnte niemand.
Im Zimmer kamen Jack und John zu mir, zeigten mir auf einem etwas größeren Tablet ein Foto, auf dem ich Hell und Dunkel und den Umriss eines Fußknochens erkannte.
„Ist das nicht wunderbar? Sag mal ehrlich, ist das nicht ganz wunderbar?“, fragte John.
Was jetzt daran so wunderbar war, enthüllte sich mir nicht.
„Die Wachstumshormone haben natürlich geholfen, das Testosteron ebenfalls, aber das Wichtigste ist, wie schnell sich der Körper regeneriert und das ist bei dir ex-ze-llent! Wunderbar, wir haben alles richtig gemacht und du hast daraus das Optimum heraus geholt. Es macht sich eben bemerkbar, wenn man seinen Körper trainiert, da wird die Regeneration gleich mit stimuliert. Wundervoll. Wir sehen dich in New Orleans auf dem Treppchen. Bella Superstar!“
Mit beiden Händen beschrieb er einen Bogen um mich, als wolle er meinen Heiligenschein streicheln.
„Kann es sein, dass ihr so ein wenig spinnt?“, fragte ich, vor Glück und Freude grinsend.
Es war so, dass ich extrem erleichtert war. Es war mir während dieser anderthalb Wochen so klar geworden, dass ich im Moment nur ein Krüppel war. Jetzt bekam ich nicht nur innerhalb kürzester Zeit dieses berauschende Glück mit Daniel, sondern auch noch dieses wundervolle Untersuchungsergebnis.
„Na klar spinnen wir!“, meinte Jack. „Wir spinnen uns zurecht, dass wir hier die zukünftige Weltmeisterin zur Behandlung haben. Miss Worldchampion, bekomme ich wohl ein Autogramm von dir?“
Er lachte und feixte und freute sich so für mich. Ich konnte nicht anders, ich umarmte ihn und umarmte John und umarmte Jack und umarmte John.
„Danke, Leute. Wie geht es denn jetzt weiter?“
Ich bekam eine Apparatur unterhalb des Knies angeschnallt. Der Fuß durfte bewegt werden, aber nur unter Aufsicht der Physiotherapeutin. Belastet erst in einer weiteren Woche, nach und nach, immer unter Aufsicht. Das Gestell ersetzte den Fuß, damit konnte ich mich bewegen, konnte gehen, am besten auf Krücken, wegen des Gleichgewichts. Mit dem Ding, das den Fuß ersetzte, konnte ich mich endlich duschen und auch wieder vernünftig kleiden, war auf einen Schlag frei und beweglich.
Obergeil, mega-mega.
Vier Stunden am Tag trainierte ich, kein Witz. Sie machten mit mir Wassergymnastik, mitsamt Gestell. Die war extrem herausfordernd, hätte ich nie gedacht. Nach dieser einen Woche konnte ich sogar wieder laufen, allerdings nur auf dem Unterwasser-Laufband und mit dem Gestell anstatt des Fußes. Wie anstrengend so etwas ist, konnte ich mir bisher nicht vorstellen. Es war irre, aber auch sehr-sehr befriedigend. Daniel kam beinahe jeden Tag, wir vögelten nicht jedes Mal, aber bei etlichen Gelegenheiten, immer dann, wenn er mich mal allein im Zimmer antraf. Es war klar zu erkennen, dass ich sehr bald wieder zu alter Form zurück finden würde, jetzt nicht auf das Vögeln bezogen, da befanden wir beide uns auf höchstem Level, kein Zweifel.
Als ich ohne das Gestell, aber immer noch mit Krücken laufen durfte, ließ ich mich von Daniel zum Training der Mannschaft fahren.
Es gab ein Riesenhallo als Empfang, sie freuten sich echt darüber, dass ich wieder fit war oder werden würde. Ich sah beim Training zu, neben Ingeborg.
„Du wirst echt wieder fit? Wir können in New Orleans mit dir rechnen?“
„Ja, könnt ihr.“
„Und konditionsmäßig?“
Daraufhin erzählte ich ihr das mit dem Unterwasserlaufband und dass ich relativ mühelos vier Stunden laufen konnte. Sie schielte mich von der Seite an.
„Vier Stunden? Ist leichter unter Wasser zu laufen oder?“
„Von wegen! Komm mit, du kannst es ausprobieren.“
Sie zweifelte, das sah ich ihr an. Nach dem Training fuhr sie mit mir zur Klinik. Ich ließ sie auf dem Laufband laufen, nach zehn Minuten war sie überzeugt.
„Und hier darfst du laufen?“, fragte sie.
„Unter Wasser ist man leichter, logisch, da belastet man die Gelenke nicht so. Das wird allerdings durch den Wasserwiderstand mehr als kompensiert. Der Kalorienverbrauch ist sogar etwas höher als an der Luft. Meine Kondition ist echt Sahne.“
Da glaubte sie es, sie strahlte, als sie ausrief:
„New Orleans, mach dich auf was gefasst, wir kommen!“
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