19 Miriam - Amphitrite
von Faith
Es wurde Sommer auf der Nordhalbkugel des Planeten Erde. V’nyx der IV. lag reglos auf dem Grund des Pazifiks. Seine Tentakel waren von losem Meeresboden bedeckt. Die ehemals so strahlend orangenfarbenen Blüten hatten eine granitgraue Farbe angenommen, als wären sie tot und in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium. Selbst bei genauer Suche war er in diesem Zustand nicht vom Meeresgrund zu unterscheiden. Aber V’nyx der IV. wollte auch nicht gesehen werden, er wollte seine Ruhe haben, um zuhören zu können.
Hier, an der Ostküste von Oahu, einer zur Hawaiigruppe gehörenden Insel, war einer der datentechnischen Knotenpunkte des Planeten. An dieser Insel kreuzten sich Glasfaserkabel, aus Japan, China und Australien sowie Nord- und Südamerika. Er musste einfach nur ruhig liegen bleiben und den Signalströmen lauschen, die seine weitverzweigten Tentakel aufsogen. Es war mühsam gewesen, die mehrlagigen Schutzschichten der Seekabel zu durchdringen, aber tief im Inneren dieser Kabel zuckten jede Sekunde Milliarden von Lichtblitzen. Wenn man diese Lichtblitze in der richtigen Reihenfolge las, waren darin Unmengen an Informationen enthalten. Dieser Informationen schossen durch ein Kilometerlanges Netzwerk aus Tentakeln, wurden unterwegs vorsortiert, aufbereitet und in seinem Wurzelstock verarbeitet.
Für V’nyx den IV. waren Tag und Nacht nur noch abstrakte Bezeichnungen, die in seinem Lebensraum, der ewig dunkel war, keine Rolle mehr spielten. Er schaute mehrere Fernsehsendungen parallel, durchsuchte in jeder Sekunde Tausende Mails nach interessanten Inhalten und spielte wie ein geübter Jongleur mit verschiedenen Verschlüsselungsalgorithmen, um auch die codierten Nachrichten sichten zu können.
Zur Freude der Königin hatten sich die Finanzmärkte auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Nachdem sich Miriam in ihrer Videobotschaft der Weltöffentlichkeit offenbart hatte, waren die Börsenkurse steil abgefallen. Es reichten ein paar Gerüchte vom nahenden Weltuntergang, um milliardenschwere Konzerne auf dem Papier zu vernichten. Kurz nach Weihnachten, als die Menschen erkannten, dass die Welt wohl doch nicht so bald untergehen würde, obwohl sie diesen Planeten mit einer weiteren Intelligenten Spezies teilen mussten, stoppte die Talfahrt der Börsenkurse.
Da sich für den überwältigenden Teil der Menschheit nichts geändert hatte, fragten sich die einfachen Leute, was die ganze Aufregung sollte. Nach dem Jahreswechsel war wieder ein leichter Aufwärtstrend an den Finanzmärkten zu erkennen. Nun war es Frühsommer und die Gewinne zogen langsam aber beständig an, obwohl die Experten mit einem viel schlimmeren Verlauf gerechnet hatten.
V’nyx der IV. und die anderen Cerebrate seiner Stammlinie erkannten, dass Währungen wie ein virtueller Lebenssaft waren, den die Menschen haben wollten - je mehr desto besser. Und dieser substanzlose Saft floss in gigantischen Mengen durch die Glasfasernetze dieses Planeten. Mit dem Wissen, das die V’nyx-Stammlinie täglich sammelte, war es eine Leichtigkeit, die Logik des virtuellen Saftes zu durchschauen, Vorhersagen zu machen, diese zu beeinflussen und bei dem Spiel mitzuspielen. Wenn die Königin stabile Finanzmärkte wollte, sollte sie die bekommen.
*
V’nyx der IV. entdeckte eine Nachricht, die er einer zweiten, intensiveren Kontrolle unterzog. Sein Anfangsverdacht bestätigte sich. Er erstellte eine Kopie dieser Nachricht, verpackte sie in einen Algorithmus, den die Menschen mit ihren Möglichkeiten niemals knacken könnten, und sendete diese Kopie an einen Server in Neuguinea.
Die Serversoftware ermittelte das Datenpaket als fehlerhaft oder unvollständig und forderte die Daten erneut an. Da diese Rückfrage nie beantwortet wurde, löschte eine Systemroutine den scheinbaren Datenmüll nach einer gewissen Zeit. Auf dem Weg, den das Datenpaket genommen hatte, war es jedoch an V’nyx dem VII. vorbeigekommen, der sich in der Nähe von Guam in den Meeresgrund vergraben hatte und sehr wohl etwas mit den Informationen anfangen konnte. Er schüttelte den losen Meeresboden von seiner Blüte, richtete sie nach Südosten aus und informierte T’rion den II. über den Inhalt der Botschaft.
Von der V’nyx-Stammlinie gab es mittlerweile schon mehrere Ableger, die sich an den Glasfasernetzen in der Tiefsee durch das Chinesische Meer nach Australien und bis in den Indischen Ozean vorgearbeitet hatten. In naher Zukunft würden die Datenautobahnen im Roten Meer erschlossen sein. Bis Ende des Jahres sollten die großen Kabel zwischen Europa und der amerikanischen Ostküste angezapft werden. Dann würden weit über 90 Prozent der weltweiten Kommunikation von der V’nyx-Stammlinie überwacht werden.
V’nyx der IV. erhielt eine indirekte Antwort von V’nyx dem VII. Die Königin war begeistert, dass er den Aufenthaltsort von Greg ausfindig gemacht hatte, und forderte einige Detailinformationen an, um eine Rettungsaktion starten zu können.
***
Greg las eine Zeitung, die schon ein paar Tage alt war und vermutlich schon von Hunderten verschwitzten Händen durchgeblättert worden war. Aber sie war in Englisch geschrieben. Bei den thailändischen Zeitungen, die sonst von Zelle zu Zelle gereicht wurden, konnte er sich nicht vorstellen, dass irgendjemand in der Lage war, diese Symbole zu lesen oder zu verstehen. Bei dem, was gerade in den Medien vorging, war es eine Schande, in einem thailändischen Knast zu sitzen. Wobei er sich nicht beschweren wollte. Er steckte in einem schnuckeligen Vierbettzimmer mit drei kleinen Thailändern, die ihm allesamt kaum bis zu Brust reichten und ihn geflissentlich in Ruhe ließen, in der Hoffnung, er würde sie auch in Ruhe lassen.
Er hätte nicht gedacht, dass er es aus Europa raus schaffte, nachdem er Miriam an der Nordsee abgesetzt hatte. Aber es war ihm noch am gleichen Tag gelungen, einen Last-minute-Flug über Frankreich nach Thailand zu buchen. Dort war er in den Touristenhochburgen untergetaucht. Als sein Geld knapp wurde und er es mit ehrlicher Arbeit versuchte, waren sie ihm auf die Schliche gekommen. Das mit den Arbeitspapieren wurde mittlerweile sogar in Thailand genau genommen - was sollte nur aus dieser Welt werden?
Seine Auslieferung nach Deutschland war schon so gut wie unterschrieben, als etwas passierte, das Greg nicht direkt mitbekam. Aber er spürte, dass etwas passiert war. Etwas von globaler Tragweite. Die Bilder von der Blauen Königin sah er erst zwei Tage später im Fernsehen des Gemeinschaftsraums. Sie hatte jetzt knallrote Lippen und noch schönere Augen. Als Greg ihre Botschaft im englischen Original hörte, machte er einen Freudentanz im Gemeinschaftsraum des Gefängnisses und wurde dafür von den Wachen mit Stöcken verprügelt. Aber Greg lachte trotzdem - denn jetzt hatte es wenigstens einen Sinn, dass er in diesem Rattenloch saß.
Die Religionen waren sich nicht nur untereinander uneinig, wie eine fremde Spezies in ihre Mythologien passen sollte. Die Religionen waren auch intern zerstritten. Was sollten sie den ratlosen Gläubigen sagen: War Jesus auch für dieses Wesen am Kreuz gestorben? Könnte auch diese Spezies das hinduistische Nirwana erreichen? Hatten sie überhaupt eine Seele? Kurz vor Weihnachten erreichte die Zahl der Kirchenaustritte einen neuen Rekord. Das Bisschen, das Greg aus Zeitschriften und Fernsehberichten mitbekam, war köstlich, widersprüchlich und mit wilden Spekulationen überladen.
Politisch waren nur die USA düpiert. Sie holten sich den verlassenen Flugzeugträger und die Begleitschiffe ohne großes Aufsehen zurück und versuchten, die Sache kleinzureden. Die Besatzungen der Schiffe wurden offiziell als vermisst gemeldet. Nach und nach ergaben die Recherchen der Journalisten, dass die Kette der Ereignisse überhaupt erst ins Rollen kommen konnte, weil Tausende von Soldaten mit einem unzureichend getesteten Serum behandelt wurden, das Aliengene enthalten hatte.
Über die Regierung, dem Pentagon und der Navy brach ein Shitstorm herein, wie ihn die USA noch nicht erlebt hatten. Die Angehörigen der betroffenen 8000 Soldaten gingen in die Hunderttausende, und die hatten wiederum Freunde und Bekannte, die sich in den sozialen Netzwerken auskotzten, bis auch der letzte Patriot wütend auf den Tisch schlug.
Der Großteil der Bevölkerung nahm diese neue Spezies nicht als Bedrohung wahr. Immerhin hatte die Königin nicht mit einem Heiligen Krieg gedroht, den Kapitalismus infrage gestellt oder Mickey Mouse beleidigt. Sie wollte nicht einmal irgendein Land besetzen, sondern nur die Ozeane bewohnen. Und sie hatte den Menschen die Hand gereicht, indem sie ein Wiedersehen ihrer Drohnen mit ihren Familienangehörigen angeboten hatte. Das wurde von den Behörden jedoch aus Sicherheitsgründen kategorisch ausgeschlossen. Die Vorstellung, jede Drohne würde zwei oder drei enge Verwandte in den Arm nehmen und kurz darauf wären diese Menschen auch Drohnen, entsprach einem sicherheitstechnischen GAU.
Weiterhin hatte die Königin unter anderem den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit den Menschen die Zukunft dieses Planeten zu gestalten. Die Propheten der Apokalypse sahen darin natürlich eine List, um das Vertrauen der Menschen zu erringen, bis die Aliens stark genug für den finalen Overkill waren. Die Skeptiker waren sich nicht sicher, ob sie überhaupt wollten, dass jemand anderes an einer Zukunft dieses Planeten mitgestaltete. Und dann gab es einen schwer abzuschätzenden Anteil unter der Weltbevölkerung, der in der Königin und ihrer Art den einzigen Weg sah, um diesen Planeten noch zu retten.
Diese Uneinigkeit zog sich nicht nur durch die Regierungen aller Länder dieser Erde, sondern sie reichte bis in die Familien und Freundeskreise. Hätte die Königin gesagt: »Hier bin ich und ich will euch alle töten«, wäre eine Meinungsfindung eindeutiger ausgefallen. Aber bei der aktuellen Faktenlage würde es wohl nie eine einheitliche Richtung geben.
Abgesehen davon waren die Königin und ihr Volk nach der Videobotschaft quasi vom Erdboden verschwunden. Es gab keine neue Meldungen, keine Katastrophen - nur Gerüchte in einer Welt an der jeden Tag die Sonne auf neue aufging, wie vorher auch.
Greg war durch diese Lawine an Ereignissen entweder vergessen worden, oder die Behörden dachten neu über seinen Fall nach. Er feierte Weihnachten in einem Gefängnis in Thailand. Da seine buddhistischen Zellengenossen das nicht kannten, musste er ihnen die Lieder, von denen er selbst nur die Refrains kannte, mühsam beibringen. Sie wollten erst nicht singen, aber Greg hatte ihnen das Fest der Liebe auf seine Art erklärt. Nach ein paar gestauchten Fingern erklang eine recht passable Interpretation von ‚Stille Nacht, Heilige Nacht’.
*
Weihnachten war schon Monate her, als man ihm Hand- und Fußfesseln anlegte und Greg wusste, dass etwas Besonderes bevorstand. Normalerweise bekam er diesen aufwendigen Edelstahlschmuck nicht angelegt. Sein thailändischer Lieblingswachmann rammte ihm den Stock noch mal in die Niere, bevor er ihn an die Kollegen von der CIA übergab. Die Herren in den schwarzen Anzügen behandelten ihn nicht so ruppig, blieben aber stumm, als er fragte, wo er jetzt hingebracht werden würde. Er musste nach einer langen Autofahrt in ein Flugzeug einsteigen, das, abgesehen von den beiden Piloten, nur mit ihm und seinen beiden neuen Freunden abhob.
Nach dem Start verbrachten sie die nächsten Stunden schweigend. Greg döste in seinem Sitz. So bequem hatte er seit Monaten nicht mehr gesessen. Ein dumpfer Schlag riss ihn aus dem Schlummerzustand. Es folgten weitere dumpfe Schläge, als würde die Maschine von großen Felsbrocken getroffen. Dann sah Greg durch das Fenster eine geflügelte, tiefschwarze Gestalt an einer Tragfläche hängen. Diese Gestalt sah wie ein geflügelter Ritter aus. Abgesehen von den gewaltigen Schwingen, war der Körper von einer Art Bänderpanzer umgeben. Greg kannte den Prototyp dieser anatomischen Rüstung bereits von Miriam. Bei diesen Drohnen handelte es sich um eine deutlich verbesserte Version.
Da diese geflügelten Wesen unmöglich aus eigener Kraft so schnell fliegen konnten wie ein Düsenjet, hatten sie dem Flugzeug in der Luft aufgelauert und griffen die Maschine nun im Sturzflug von vorne an. Bei diesem Anflug hatte jeder Angreifer nur eine Chance. Einige schafften es nicht, sich am Rumpf oder den Flügeln festzuhalten oder trafen die Maschine so unglücklich, dass sie einfach abprallten. Greg konnte den Angriff nicht weiter beobachten, da er von den beiden CIA- Agenten mit dem Kopf nach unten gedrückt wurde, bis seine Ohren auf Kniehöhe waren. Im Flugzeug wurden hektische Befehle gerufen, die Maschine verlor an Höhe und legte sich hart in eine Kurve. Als die Einstiegsluke von außen geöffnet wurde, sank der Kabinendruck schlagartig ab und Greg verlor das Bewusstsein.
*
Als Greg die Augen wieder öffnete, wurde ihm eine Atemmaske auf das Gesicht gedrückt und er schaute benommen in das wunderschöne Gesicht einer weiblichen Drohne. Seine Arm- und Fußfesseln waren entfernt worden und er sah, dass seine beiden Freunde von der CIA auf dem Boden lagen, aber immerhin auch mit Sauerstoff versorgt wurden. Sie schienen zu schlafen, wie glückliche Babys. Neben den beiden lagen die beiden Piloten - sie schliefen auch. Im Cockpit feixten zwei männliche Drohnen und es schien so, als könnten sie die Maschine so routiniert bedienen, dass genug Zeit blieb, um Witze zu machen. Die Maschine verlor weiter an Höhe, fing sich aber ungefähr hundert Meter über dem Meer und flog dann ruhig weiter.
»Was habt ihr mit mir vor?«, fragte Greg die weibliche Drohne auf Deutsch, weil er gerade zu aufgeregt war, um sein Englisch zu bemühen.
»Wir bringen dich zur Königin«, antwortete sie auf Deutsch, allerdings klangen die Worte so, als würde sie diese Sprache gerade zum ersten Mal sprechen.
»Vielleicht will ich da gar nicht hin?«
Seine Frage blieb unbeantwortet und mit einer Drohne zu diskutieren, war sinnlos. Ihm fiel erst jetzt auf, dass die Drohnen keine Flügel mehr hatten. Er erinnerte sich, dass Miriam auch manche Extras wachsen und schrumpfen lassen konnte, wie sie es gerade brauchte.
»Geile Scheiße«, sagte Greg mit einem anerkennenden Nicken.
Nach einiger Zeit wachten die CIA-Agenten und die Piloten auf und waren ebenso schwarz, wie die Flugzeugentführer.
»Habt ihr das auch mit mir gemacht!«, fragte Greg aufgebracht und schaute seine Hände an. Bei ihm sah alles normal, also menschlich aus.
»Der Flug endet hier«, sagte eine der Drohnen aus dem Cockpit. Die neu CIA - Drohnen wurden von je einer erfahrenen Drohne umarmt, dann sprangen sie aus der offenen Tür. Greg sah, dass die erfahrenen Drohnen ihre Flügel im freien Fall ausbildeten, dann weit öffneten und den Fall mit kräftigen Flügelschlägen knapp über dem Meer stoppten, um dann aus eigener Kraft wieder Höhe zu gewinnen.
Zum Schluss blieb er mit der weiblichen Drohne zurück. Sie stellte sich hinter ihn, schloss ihre Arme um seinen Oberkörper und schob ihn zu Tür. Ihm war die Sache nicht geheuer, aber er schwieg, schloss die Augen und ließ es geschehen. Zu Beginn war es wie ein Fallschirmsprung, dann spürte er die immense Kraft, die diese Schwingen aufbringen konnten. Bei jedem Flügelschlag, der ihn und seine geflügelte Freundin höher stemmte, spürte er ein flaues Gefühl, wie wenn ein Fahrstuhl nach oben anfuhr.
Das Flugzeug schlug einige Hundert Meter vor ihnen auf der Meeresoberfläche auf, zerbrach und ging rasch unter. Jetzt lag er in den Armen einer hübschen Drohne mit gewaltigen fledermausartigen Schwingen und war wohl irgendwo zwischen Thailand und den USA auf dem Pazifik. Die Drohnen segelten mit ihrer "Beute", wenn möglich, in der Thermik, um Energie zu sparen und bilden eine V-Formation wie Zugvögel.
*
Greg sah eine schwarze Seerose im Meer schwimmen. Da er keine Bezugspunkte hatte, wusste er nicht, wie weit sie noch entfernt war. Sie wurde nur langsam größer und musste wohl riesig sein. Als sie über der Seerose kreisten, schätzte Greg, dass die Fläche ungefähr zwei Fußballfeldern entsprechen musste, wobei das bei dem sternförmigen Umriss schwer zu schätzen war. An den Blatträndern der schwimmenden Blüte wuchsen baumgroße Auswüchse mehrere Meter in den Himmel. Jeder dieser Stämme hatte zahlreiche, große ovale Blätter, die sich nach dem Sonnenstand ausrichteten. Unter diesen Blättern hingen große kugelförmige Früchte.
Als sie auf der schwarzen gummiartigen Oberfläche landeten, musste sich Greg erst an das schwammige Laufgefühl gewöhnen. Durch die hohen Bäume mit dem dichten Blattwerk war das Meer von hier nicht zu sehen. Er kam sich vor, wie in einem übergroßen Sportstadion aus schwarzem Gummi und mit roten Zierstreifen.
‚... die Blüte schließt sich in zehn Minuten’, hörte Greg in seinem Kopf, aber er kannte die Stimme nicht. Offenbar galt diese Ansage allen, die auf dieser schwimmenden Insel herumliefen - es mussten über hundert sein, die sich langsam zum Zentrum der Blüte bewegten.
Greg lief mit der weiblichen Drohne, die ihn hier hingebracht hatte.
»Du musst dich noch ausziehen«, sagte sie kurz vor dem Zentrum der Blüte. Greg zog sich die Sträflingskleidung ohne zu zögern aus, er war hier sowieso der Einzige in Kleidung, und es war nur fair, wenn alle nackt waren.
Durch einen Gang, der sich korkenzieherförmig in die Tiefe wand, kam er an mehreren Kammern vorbei, die durch Biolumineszenz in ein sanftes rotes Licht getaucht waren. Diese Kammern schienen zum Schlafen geeignet zu sein, aber teilweise sah er darin auch sehr bizarre Spielarten mit mehreren Beteiligten. Der spiralförmige Abstieg endete nach einer, für Greg nicht mehr abschätzbaren, Anzahl von Windungen in einem großen nierenförmigen Raum. Die Biolumineszenz war hier deutlich heller. Über die organisch anmutenden Wände zogen sich fein verästelte, rot leuchtende Linien.
»Hallo Greg«, sagte die Königin. Greg riss den Kopf hoch und sah Miriam am Ende des Raums. Sie war umgeben von Drohnen. Die feinen Linien auf ihrem Körper leuchteten tiefblau und hoben sie deutlich von den umgebenden Wesen ab. Greg schaute sie verlegen an.
»Jeder hier kennt dich. Du hast mir mehrfach das Leben gerettet, ohne dich wäre das alles nie passiert. Wir waren bereit, Risiken einzugehen, um dich zu befreien.«
Ihr Gesicht war direkt vor ihm. Mit den wunderschönen Lippen und den verführerischen Wimpern strahlte sie eine unanfechtbare Autorität aus. Vielleicht war er so verlegen, weil er tief in ihrem Palast war und es hier nur so von Drohnen wimmelte, die sich jederzeit für ihre Königin opfern würden. Es hatte sich verdammt viel verändert, seit sie mit einer Kiste Bier in seiner Scheune gestanden hatte.
Er hörte ein Geräusch, das ihn an einen kräftig knurrenden Magen erinnerte. Die Königin nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich.
»Ich würde lieber mit dir an der Oberfläche spazieren gehen, aber wir tauchen jetzt ab, um unsichtbar zu werden. Sicher wimmelte es hier in den nächsten Tagen von Schiffen und Flugzeugen, die das Flugzeugwrack suchen.«
»Befinden wir uns in der Blume aus meiner Scheune«, fragte Greg, während er mit seinen Armen ihren Rücken umfasste.
»Das ist T’rion der II., der größte und älteste der T’rion-Stammlinie. Du kennst ihn nicht«, sagte die Königin und löste die Umarmung.
»Um auf deine dringendste Frage zu kommen: Du kannst zwischen drei Optionen wählen. Ich kann dich erstens an einer Küste deiner Wahl absetzen lassen, dort kannst du versuchen, ein Leben als Mensch im Verborgenen zu leben. Zweitens kannst du zu einer gewöhnlichen Drohne in meinem Kollektiv werden.«
»Und drittens?“, fragte Greg, weil ihm sonst keine Optionen mehr einfielen.
»Drittens mache ich dir ein Angebot, das ich vielleicht einmal bereuen werde. Aber du bist der Einzige, dem ich dieses Angebot auf absehbare Zeit noch machen werde.«
Greg hob den Kopf neugierig und wartete auf den Vorschlag.
»Ich kann dich zu einer Drohne mit freiem Willen machen. Dir stehen alle genetischen Vorteile zur Verfügung, aber du kannst weiterhin frei über dein Leben entscheiden.«
Greg hatte Option zwei von vorneherein ausgeschlossen. Er schwankte zwischen der ersten und der dritten.
»Ich könnte also so werden wie alle hier, könnte aber trotzdem meine Sachen packen und gehen, wenn es mir zu bunt wird.«
Miriam nickte: »Ja, du könntest gehen, was auch immer das für Konsequenzen für mein Kollektiv hätte. Immerhin würdest du aus Sicht der Menschen meine Art vertreten. Und, alles was du anrichtest, würde auf mich zurückfallen.«
Greg wurde die Tragweite bewusst, und die Verantwortung, die ihm die Königin in die Hände legte.
»Kann ich darüber schlafen?«
Die Königin zeigte einladend auf eine Nische im Raum. Möchtest du Gesellschaft beim Schlafen?«
Neben Miriam erhoben sich zwei weibliche Drohnen.
»Hallo Greg«, sagte die Zierliche an seiner linken Seite.
»Hallo Greg«, sagte die mit den üppigen Kurven an seiner rechten Seite.
»Habt ihr auch Namen?«
Die Zierliche stellte sich als Tyra vor, die große Blondine als Evette. Greg war aufrichtig müde. Tyra und Evette nahmen darauf Rücksicht. Er lag in Seitenlage auf dem weichen gummiartigen Boden zwischen Tyra und Evette. Die beiden streichelten ihn liebevoll, bis er einschlief. Er hatte seinen Entschluss schon längst gefasst.
*
Als er aufwachte, war er mit der Königin alleine im Raum.
»Guten Morgen«, sagte sie und kniete sich neben ihn, »möchtest du frühstücken?«
Die Königin hielt in jeder Hand eine schwarze Frucht, von der Größe einer Orange. Greg nahm eine davon und wusste nicht genau, wie er sie essen sollte.
»Ist das echtes Essen, oder ...«
»Das ist echtes Essen, kein Sperma«, erklärte die Königin. Sie biss ein Loch in die dünne Schale und saugte den Inhalt heraus. Die pralle Hülle erschlaffte langsam. Greg machte es ihr mit der zweiten Frucht nach. Das weiche Fruchtfleisch schmeckte süßlich, hatte die Konsistenz von Honig und war ihm Abgang leicht salzig.
»Am Anfang hatten wir ein echtes Nahrungsproblem, aber langsam sind die Cerebrate der T’rion-Stammlinie so produktiv, dass wir kleine Vorräte an Früchten anlegen können«, erklärte die Königin. Greg legte die leere Hülle der Frucht zur Seite. Er fühlte sich satt.
»Ich will eine freie Drohne werden«, sagte Greg.
»Ich weiß«, antwortete die Königin und holte eine weitere schwarze Fruchtkugel. Dann erklärte sie: »Dazu musst du betrunken sein. In dieser Frucht ist der Zucker bereits vergoren. Du musst sie austrinken, bevor ich beginnen kann.«
Greg biss die Frucht auf und ihm spritzte etwas vom Inhalt ins Gesicht. Die Konsistenz war wässrig. Er presste seine Lippen auf die Öffnung und saugte den alkoholhaltigen Saft heraus. Es schmeckte wie Likör und Greg leerte die Frucht, ohne abzusetzen. Kurz darauf spürte er die ersten Anzeichen des Alkohols in seinem Kopf.
»Sind wir überhaupt noch auf der Erde«, fragte Greg nach einiger Zeit mit schwerer Zunge. Die Königin kniete seit Minuten neben ihm und schien durch ihn hindurchzuschauen. Die Frage riss sie aus ihrer Konzentration, sie war die letzten Minuten scheinbar wirklich in einer anderen Welt gewesen.
»Ich meine«, lallte Greg, »wir könnten doch genauso gut auf dem Mars oder der Venus, oder sonst wo sein.«
»Sind wir aber nicht«, sagte die Königin mit Rücksicht auf seinen alkoholisierten Zustand.
»Jaa-ha, aber es könnte doch sein«, sagte Greg beharrlich.
Die Königin streichelte ihm über die Stirn und kam mit ihren Lippen nahe an sein Ohr.
»Diese Diskussion führt zu nichts. Du bist jetzt so weit. Wir können mit der Umwandlung beginnen.«
Greg packte sie mit der ganzen Kraft einer Männerhand am Arm und fragte: »Wird es wehtun?«
»Nein«, hauchte die Königin, »mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem es nicht als wunderschön beschrieben wurde, aber du musst deine Aufgabe bewältigen.«
Greg wollte noch fragen, was das für eine Aufgabe sei, aber sie versiegelte seine Lippen mit einem Kuss, der ihm die Sinne raubte.
*
Als Greg sich seiner selbst wieder bewusst wurde, fühlte er Ranken, die sich um seine Fuß- und Handgelenke wanden. Er war mit gespreizten Beinen und nach oben abstehenden Armen zwischen zwei Baumstämmen fixierten. Die Rinde der Bäume war schwarz und glatt. Er war nackt, seine Haut war ebenso schwarz wie die beiden Baumstämme und sein Schwanz stand hart von ihm ab. Vor ihm knieten Tyra und Evette.
‚Hallo Greg’, sagte Tyra in Gedanken und leckte über seine pralle Eichel.
Evette massierte seine Hoden und schaute ihn lüstern an.
‚Wir melken dich jetzt, bis deine Eier wie kleine Rosinen zusammengeschrumpft sind’, hörte er Evettes Stimme in seinem Kopf und er glaubte ein boshaftes Kichern zu hören. Vielleicht war es auch nur ein gespielt boshaftes Kichern - er hoffte es.
Tyra sog seinen Schwanz tief in ihren Mund. Die Eichel musste ihr gegen die Mandeln drücken und Greg verdrehte die Augen unter diesem Genuss. Gleichzeitig spürte er zärtliche Hände, die seine Hoden umgriffen und langsam zupackten, bis der Druck fast unangenehm wurde. Die Gefühle in seiner Körpermitte waren wie Zuckerbrot und Peitsche: Während ihm Tyra einen Blowjob gönnte, der auf diesem Planeten seinesgleichen suchte, quälte ihn Evette mit einem latenten Druckgefühl an seinen Kronjuwelen.
Insgesamt war diese Behandlung so erregend, dass Greg froh war, mit Armen und Beinen gefesselt zu sein, denn er konnte sich einfach hängen lassen und genießen.
‚So geil könnte jeder Tag beginnen’, dachte sich Greg.
‚Deine Tage werden jetzt immer so beginnen, es wird den ganzen Tag andauern und der Tag wird so enden’, sagte Evettes Stimme in seinem Kopf. Greg riss die Augen auf. Er ahnte, dass der Bereich zwischen seinen Beinen, der Berührungspunkt zwischen Himmel und Hölle werden würde, wenn die Prophezeiung von Evette eintraf.
Tyra schwieg, genoss und saugte, bis ihm der Saft durch die Samenleiter schoss und von Tyra mit schmatzenden Schlucklauten aufgenommen wurde. Als es vorbei war, saugte Tyra einfach weiter, ohne einmal Luft zu holen oder abzusetzen. Greg zerrte an seinen Fesseln. So schön es auch war, aber er würde diesen beiden geilen Latexpuppen gerne auch mal andere Körperöffnungen versilbern.
Diese Situation war sein Leben in einem Bild. Er war immer der Depp, der es ausbaden musste. Als Soldat gaben sie ihm ein Gewehr und eine Landkarte, schubsten ihn aus einem Hubschrauber und er musste sehen, wie er die Scheiße wegräumte, die zwischen ihm und dem Zielpunkt lag. Als er darauf keine Lust mehr hatte, wurde er mit einer kleinen Rente abgespeist und musste sehen, wie er in einer Zivilgesellschaft klarkam, der er immer entkommen wollte. Dann schob ihm Miriam ihr Gemüse unter und er landete dafür in einem thailändischen Knast. Jetzt stand er hier und war zum Samenspender degradiert worden, während andere ihren Spaß mit ihm hatten.
Mit Kraft allein hätte er die Ranken an seinen Handgelenken nicht abreißen können, aber Wut potenzierte Kraft - das wusste er als Soldat. Und jetzt war er wütend genug, um seine Arme loszureißen. Er zog seinen Schwanz aus Tyras Mund. Dann packte er Evette an den Haaren und hielt ihr sein saftig glänzendes Rohr vor den Mund.
»Jetzt bist du mal dran!«, sagte er und die dralle Blondine schaute mit großen Augen von unten zu ihm hoch. Sie wirkte schlagartig zahm und gefügig. Bereitwillig saugte sie seinen Schwanz in ihren Mund und verwöhnte ihn auf ihre Art.
Tyra hatte seinen Schwanz in kleinen schnellen Intervallen gesaugt, Evettes Reize waren langsamer, aber intensiver. Greg verdrehte die Augen und überlegte, ob er einfach stehen bleiben und warten sollte, bis ihre Hingabe zum nächsten Höhepunkt führte. Greg schüttelte den Kopf, stemmte einen Arm gegen den Baum und riss seinen rechten Fuß los. Das Gleiche machte er mit dem linken. Als abzusehen war, dass Greg sich gänzlich befreien würde, hatte sich Tyra auf den Boden gekniet. Sie ließ ihren schwarz glänzenden Hintern verlockend kreisen und bot sich in dieser devoten Haltung an.
Greg schob seinen Schwanz in das nasse Loch der zierlichen Drohne. Er packte Evette an ihren langen Haaren und zog sie zu sich, damit er ihre üppigen Titten kneten konnte. Ihr lüstern geöffneter Mund war genau neben seinem Gesicht.
»Knie dich auf alle viere«, befahl er Evette. Kaum kniete sie mit großen Augen und offenem Mund vor ihm, zog er seinen Schwanz aus Tyra und spritzte Evette ins Gesicht. Tyra wirbelte herum und leckte den Saft, den Evette nicht mit dem Mund auffangen konnte, von deren Gesicht.
Dieses Spiel gefiel Greg. Als Nächstes fickte er Evette von hinten - Erholungsphasen schien sein Schwanz nicht mehr zu benötigen. Kurz bevor es ihm erneut kam, zog er seinen Schwanz raus und wichste die Prachtlatte. Die beiden verfickten Latexpuppen knieten mit offenen Mündern vor ihm und hatten nur Augen für seinen zuckenden Schwanz. Das erinnerte Greg an eine Seehundfütterung, die er in einem Zoo gesehen hatte. Die hungrigen Mäuler folgten dem Fisch, den ihr Wärter in der Hand hielt, und vergaßen dabei alles andere.
Als es ihm kam, versuchten Tyra und Evette, jeden Spritzer seines Saftes mit weit aufgerissenen Mündern zu fangen. Was danebenging, leckten sie gegenseitig von ihren Körpern, wobei sie sich bei jeder Gelegenheit intensiv küssten. Als sie alle Spuren des letzten Höhepunktes aufgeleckt hatten, knieten sie sich vor Greg und schauten ihn mit lüsternen Bettelblicken an.
»Euch macht das Spaß, hm. Egal wie, Hauptsache viel Saft für die Königin sammeln.«
‚Du bist anders als die anderen. Es ist noch viel schöner, wenn es nicht vorhersehbar ist. Können wir immer für dich da sein’, erklang es zweistimmig in Gregs Kopf.
»Jackpot!«, sagte Greg und zwinkerte den beiden zu.
»Warum seid ihr in dieser Traumwelt so geil auf meinen Saft, ihr könnt doch nichts davon in die reale Welt retten, oder?«
‚Alles, was wir gerade gemacht haben, fand auch in der realen Welt statt, nur die Umgebung um uns herum entspricht der Anderswelt’, erklärte Tyra. Evette schaute zu Tyra und sagte: ‚Wir hätten auch bei virtuellem Sex keinen Tropfen vergeudet.’
»Wer hat Lust auf einen realen Arschfick?«, fragte Greg aus einer Laune heraus. Beide Drohnen lächelten ihn an.
*
»Nach einigen Monaten Gefängnisaufenthalt hast du sicher einiges nachzuholen«, sagte die Stimme der Königin. Greg riss den Kopf herum und sah sie. Die Königin stand hinter ihm und schaute sich die Szene mit einer gewissen Genugtuung an, »du kannst das später alles nachholen, jetzt möchte ich dir die Anderswelt zeigen.«
»Das kannst du auch später machen und ich vögele noch ein bisschen«, antwortete Greg mit einem runderneuerten Selbstbewusstsein.
Die Königin schaute zu den beiden weiblichen Drohnen, die gespannt warteten, wer von den beiden Freigeistern sich durchsetzen würde.
»Du hast schon Fans«, sagte sie zu Greg.
»Die Zwei sind Spitze, ich könnte den ganzen Tag so weitermachen. Und ich kann es wirklich, weil mein Schwanz die ganze Zeit steht.«
»Wenn er sowieso die ganze Zeit steht, kannst du auch ein kleinen Spaziergang mit mir machen«, sagte die Königin, lief los und warf ihm einen Blick zu, der keinen Widerspruch zuließ.
*
Greg wurde von der Königin durch die Anderswelt geführt. Diese Welt war riesig geworden und es wimmelte darin von Drohnen, die sich miteinander vergnügten, oder die bizarren Geheimnisse der unzähligen Pflanzen erkundeten. Manche saßen auch einfach nur in kleinen Gruppen zusammen und tauschten sich telepathisch aus.
»Hier in dieser Welt spielt sich das eigentliche Leben unserer Art ab. Wenn in der Realität keine Aufgaben zu erledigen sind, kommen die Drohnen hier her. Entfernungen spielen dabei keine Rolle«, erklärte die Königin und zeigte auf zwei männliche Drohnen, die sich innig küssten, »diese beiden Drohnen sind in der Realität mehrere Tausend Kilometer voneinander getrennt. Hier können sie sich viele Stunden am Tag treffen, als würden sie im gleichen Bett schlafen.«
»Das sind zwei Männer!«, merkte Greg an.
»Ja und?«, fragte die Königin, »bei der Frauengruppe dort hinten hast du dich nicht aufgeregt.«
Mittlerweile waren sie ein ganzes Stück gelaufen und kamen zu einem Wasserfall. In einem großen See schwammen Drohnen. Geflügelte Drohnen kreisten über der Szenerie. Manche machten das sehr geschickt, andere schienen noch zu üben. Greg stieß gegen eine flauschige Barriere und zuckte zusammen, als ihn ein riesiger Tiger anfauchte. Er taumelte zurück und landete auf seinem Hintern.
»Das sind die drei Entitäten meiner Cerebrate«, sagte die Königin. Um ihn herum standen ein großer Laufvogel, ein schwarzer Panther und der Tiger mit schwarzem Fell und roten Streifen.
Die Königin half Greg beim Aufstehen und sprach weiter: »jede Stammlinie besteht mittlerweile aus mehreren Ablegern, die sich möglichst weit voneinander entfernt aufhalten, damit im Falle eines Angriffs der Menschen nicht die komplette Linie erlöscht. V’nyx, der Vogel, ist für die Kommunikation, Informationsbeschaffung und strategische Planungen verantwortlich. T’rion, der Tiger, ist für die bewohnbaren Habitate, Nahrungsversorgung und Verteidigung verantwortlich.«
Da die Königin nicht weiter sprach, zeigte Greg fragend auf den Panther.
»Die Funktion von M’ryn, dem Panther, zeige ich dir am besten vor Ort, dazu musst du aber schwimmen lernen«, erklärte die Königin.
*
Greg lernte schwimmen, nachdem er die Fähigkeit erhielt, seinen Unterleib in den eines Delfins zu verwandeln. Bei diesen Schwimmübungen traf er Sven, den zweiten, nicht adeligen Freigeist, in diesem Kollektiv. Als Greg die Grundlagen beherrschte, ließ er sich mit Sven über das Wasser des Sees treiben.
»Jetzt noch ein schönes kühles Bier und diese Welt wäre perfekt«, sagte Greg.
»Oh, wir haben Alkohol, du hast ihn doch schon getrunken«, sagte Sven, »es schmeckt nicht wie Bier, aber man kann sich die Lichter damit genau so gut ausschießen.«
»Feiert ihr hier Partys?«
»Manchmal«, antwortete Sven.
Im gleichen Moment tauchte die Königin hinter Sven aus dem Wasser auf, schlang ihre Arme um seinen Brustkorb und legte ihr Kinn auf seine Schulter.
»Wer feiert eine Party?«, frage sie.
»Greg, möchte testen wie das mit unserem Alkohol funktioniert«, erklärte Sven.
Die Königin legte ihre Hand auf Gregs Stirn und flüsterte: »Vielleicht solltest du erst mal deinen aktuellen Rausch ausschlafen.«
*
Es war bereits Abend, als Greg mit Sven und der Königin aus der Anderswelt zurückkehrte. Wie von der Königin versprochen, sollte Greg sehen, was die Aufgabe von M’ryn dem I. war. Sie waren wieder in der großen Kammer, im Inneren der großen Seerose, deren Ausmaße unter Wasser deutlich größer waren, als das was über Wasser zu sehen war. Durch eine Schleuse, deren Durchgänge Greg an Schließmuskel erinnerten, gelangten sie unterhalb der Wasserlinie aus diesem lebenden Gebilde heraus.
Von außen, unter Wasser und in einigem Abstand, sah Greg, dass diese Seerose ungefähr wie ein langstieliger Pilz mit einem großen Schirm aussah. Der Schirm war das, was über dem Wasser zu sehen war. Der lange, dicke Stiel ragte tief ins Wasser und beinhaltete die bewohnbaren Kammern. Am Ende des Stiels waren unzählige Tentakel, die sich unentwegt bewegten und für die Navigation und Fortbewegung zuständig waren.
Gemeinsam mit Sven, der Königin und einer Hundertschaft Drohnen ließ Greg dieses Wesen hinter sich und schwamm in der hereinbrechenden Nacht durch die Weiten des Pazifiks. Sie bewegten sich mit gleichmäßigen Flossenschlägen in einer Schwarmformation, die von der Königin angeführt wurde. In der Dunkelheit erkannte er die anderen nur an dem blauen Leuchten. Bei den Drohnen waren dies die blauen Linien, die sich von den Augenbauen bis zum Haaransatz zogen. Die Königin stach auch hier wieder deutlich hervor, da sich die leuchtenden Linien über ihren gesamten Körper zogen.
Im Rhythmus von ungefähr zwei Minuten durchbrachen sie die Wasseroberfläche, um frische Luft in ihre Lungen zu saugen. Dann sanken sie wieder einige Meter in die Tiefe und schwammen weiter. Es war dunkel und überall war Wasser, der Pazifik war hier mehrere Tausend Meter tief und die nächste Küste war ebenfalls mehrere Tausend Kilometer entfernt. Obwohl Greg wusste, dass der Pazifik größer war, als alle Landflächen der Erde gemeinsam, wurde ihm heute Nacht bewusst, wie gewaltig dieses Gebiet war. Und es war nicht nur die Fläche allein, denn im Gegensatz zum Land, gab es hier nicht nur Länge und Breite, sondern auch Tiefe.
Der Schwarm wurde langsamer und tauchte auf.
»Was ist los«, fragte Greg, als er den Kopf aus dem Wasser streckte und Sven sah.
»Wir tauchen auf, um durchzuatmen. Jetzt musst du tief Luft holen, wir gehen gleich sehr weit nach unten«, erklärte Sven.
Nachdem alle Drohnen mehrmals durchgeatmet hatten, tauchten sie senkrecht in die Tiefe. Das blaue Licht der Königin gab den nachfolgenden Drohnen Orientierung in der Dunkelheit. Greg versuchte, nahe bei Sven und der Königin zu bleiben, dazu musste er die Flossenschläge mit aller Kraft ausführen. Sie waren bereits so tief getaucht, dass seine Sauerstoffvorräte nicht zum Auftauchen reichen würden, aber Greg unterdrückte die aufkeimende Panik. Er war von über hundert anderen Drohnen umgeben, denen es sicher nicht viel besser ging, und die zeigten keine Anzeichen von Panik oder Schwäche.
Weit vor der Königin sah Greg ein schwaches blaues Leuchten. Dieser kleine verschwommene Punkt bekam langsam die Kontur einer Kaulquappe. Als sie noch näher kamen und jede von Gregs Bewegungen zu einem brennenden Schmerz wurde, den er bewusst erzwingen musste, war aus der Kaulquappe ein oktopusartiger Gigant geworden. Der lang gezogene kuppelförmige Kopf alleine war über 30 Meter lang. Die Oberseite dieser Kuppel, oder was Greg als die Oberseite ansah, war eine durchgängig blau leuchtende Fläche. Die Unterseite war schwarz und wirkte solide wie ein knöcherner Schiffsrumpf.
Aus dem hinteren Ende dieses Kopfes ragten mehrere Bündel aus massiven Tentakeln heraus. Diese Tentakel sorgten mit schlängelnden Bewegungen für einen konstanten Vortrieb. Dem Zentrum dieser Bündel entsprangen vier besonders dicke und lange Stränge, an denen unzählige Kugeln wie Ähren aufgereiht waren. Diese vier Stränge trieben passiv hinter dem riesigen blauen Kopf des Wesens her. Sie mussten sich weit über hundert Meter erstrecken, die Enden verloren sich in der Dunkelheit des Ozeans.
Als Greg kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren, schlang sich ein armdicker Tentakel um seinen Hals und drang mit der dünner auslaufenden Spitze in seinen Mund ein. Der Tentakel schob sich bis in seine Luftröhre, saugte die verbrauchte Luft aus seinen Lungen und drückte frischen Sauerstoff hinein.
Allen anderen Drohnen um ihn herum erging es gleich. Sie alle wurden von Tentakeln eingefangen, die sie mit Sauerstoff versorgten und langsam zum hinteren Ende der blauen Kuppel zogen. Da Greg keine Angst mehr um einen Erstickungstod haben musste, konnte er sich dieses gigantische Wesen wesentlich entspannter betrachten. Außer den Drohnen, die der Königin gefolgt waren, mussten Hunderte weitere Drohnen bereits hier gewesen sein. Denn je näher er kam, desto mehr Wesen sah er. Diese Drohnen bewegten sich zwischen den massiven Tentakeln hin und her. Sie alle waren mit einem Atemschlauch verbunden.
Unterhalb des Kopfes ragten mehrere fein verästelte Gebilde viele Meter in die Tiefe. Diese Gebilde erinnerten ihn an Kiemenbüschel. Er hatte sich das mal von einem Angler beim Ausnehmen eines Fisches zeigen lassen. Als er von dem Tentakel, der in mit Luft versorgte, fast bis zum hinteren Ende des Kopfes herangezogen worden war, kam er ganz nah an die vier passiven Tentakel heran, die unzählige Kugeln wie Ähren trugen. Durch die halbtransparente Haut dieser Kugeln erkannte er Drohnen mit der Körpergröße von Jugendlichen.
Wenn Greg nicht beatmet worden wäre, hätte er vor Schreck die Luft angehalten. Sven erschien neben ihm.
‚Sind das ... Kinder der Königin?’, fragte Greg in Gedanken und gestikulierte dabei wild mit den Händen. Sven nickte und sagte telepathisch: ‚Bis vor kurzer Zeit habe ich mir nicht vorstellen können Vater zu werden, jetzt sind es weit über tausend.’
‚Weit über tausend?’, antwortet Greg mit offenstehendem Mund, ihm entwich eine Luftblase.
‚Genau genommen sind es 1400 junge Drohnen und eine neue Königin’, sagte die Blaue Königin, als sie hinter Sven und Greg erschien und ihre Arme um die beiden Männer legte.
Bevor Greg antworten konnte, zog ihn der Tentakel, der ihn mit Luft versorgte, durch eine der schließmuskelartigen Schleusen und er fand sich in einem feuchten Hohlraum, der mit Luft gefüllt war. Der Tentakel zog sich aus seinem Hals zurück und er atmete wieder selbstständig. Sven und die Königin waren durch die benachbarten Membrane ins Innere gelangt und führten Greg in den vorderen Bereich der blau erleuchteten Kuppel.
»Sind das eure Kinder«, fragte Greg fast panikartig, so als ob man das noch verhindern könnte.
Die Königin baute sich vor ihm auf und neigte den Kopf fragend, »dachtest du ich will ewig Menschen verwandeln? Meine Art ist kein Parasit, der nur auf Kosten anderer Arten leben kann. Diese Drohnen und ihre neue Königin sind die reinsten Vertreter unserer Art auf diesem Planeten.«
Greg wurde sich bewusst, dass er jetzt auch zu dieser Art gehörte und irgendwie war es ihm peinlich, so reagiert zu haben. Natürlich musste sich eine eigenständige Art auch selbstständig fortpflanzen können. Er blickte entschuldigend zu Boden. Die Königin wandte sich von ihm ab und ging weiter nach vorne.
»Komm mit«, sagte sie zu Greg.
In der Spitze der Kuppel war eine weitere Kugel, vor der die Königin und Sven stehen blieben. Diese leuchtete smaragdgrün. Greg stellte sich dazu und sah in dem grünen Schimmer ein Wesen, mit angezogenen Beinen und über der Brust gekreuzten Armen, schweben.
»Sie ist jetzt schon wunderschön«, sagte Greg anerkennend, »wie können sie so schnell wachen?«
»Exponentielles Zellwachstum bis zur Erwachsenenreife«, erklärte Sven, »Die Körper wachsen in den Kokons, während der Verstand in der Anderswelt heranreift. Die Cerebrate, einige Drohnen, Miriam und ich kümmern uns um ihre Vorbereitung auf das wahre Leben.«
Die Königin schaute auf den Kokon, in der die neue Königin heranreifte, als würde sie die Zukunft in einer riesigen Kristallkugel sehen können und sagte: »In ein paar Wochen sind die neue Königin und ihre Drohnen ausgewachsen. Sie werden die Kokons verlassen und diese Welt, mit der für junge Erwachsenen typischen, Selbstüberschätzung betreten. Zwar kann ich über die Anderswelt mit meiner Tochter in Kontakt treten, aber wie alle Kinder, die erwachsen werden wollen, wird sie nicht immer auf mich hören.«
»Tja«, sagte Greg ratlos und wippte auf den Fußspitzen, denn er wusste noch nicht so genau, warum ihm die Königin das alles erzählte. Die Haut der neuen Königin glänzte smaragdgrün und wurde von feinen, schwarzen Linien überzogen, die dem makellosen Grundton eine optische Tiefe gaben. Je länger Greg diesen Körper betrachtete, desto tiefer versank er in dem Muster.
»Greg«, sagte die Königin fast flehend und er schreckte aus einem tranceartigen Zustand, »die junge Königin braucht jemanden, der ihr nicht willenlos gehorcht. Sie braucht jemanden, der diese Welt kennt. Jemanden, der an ihrer Seite steht und an dem sie sich reiben kann - und das meine ich nicht in sexueller Hinsicht.«
»Es schließt aber ein Reiben in sexueller Hinsicht nicht aus - also wenn sie reif genug ist, meine ich natürlich«, sagte Greg. Miriam blickte ihn wie eine Lehrerin an, die ihren Schüler eigentlich schimpfen sollte, aber dann doch lächelte.
»Würdest du unsere Tochter und ihr Volk in den Indischen Ozean begleiten und ihr diese Welt erklären, von der sie noch so wenig weiß, damit sie dort eine neue Kolonie gründen kann?«
»Wie heißt sie eigentlich?«, fragte Greg.
»Auf einen Vorschlag von V’nyx haben wir sie Amphitrite genannt, das passt zu ihrem zukünftigen Lebensraum und ihrer Schönheit«, sagte Sven.
»Sie ist so gewitzt und wissbegierig wie ihr Vater«, sagte die Königin.
»Und sie hat die Hartnäckigkeit und den Gerechtigkeitssinn ihrer Mutter«, fügte Sven hinzu. Greg rollte mit den Augen, aber welche Eltern würden nicht von ihrem Kind schwärmen? Schließlich sagte er: »Sie wird mich entweder in den Wahnsinn treiben, oder es wird eine sehr interessante Erfahrung.«
»Heißt das, ja?«, fragte Sven.
Greg nickte.
Die Königin umarmte Greg dankbar und warf Sven einen verführerischen Blick zu. Dann nahm sie Sven an der Hand und zog ihn mit aufreizendem Hüftschwung hinter sich her.
»Wo geht ihr hin?«, fragte Greg.
Sven schaute über die Schulter zurück zu Greg und sagte mit vielsagendem Lächeln: »Wir zeugen die Kolonie für den Nordatlantik - das kann ein bisschen dauern.«
*
Durch die blaue Kuppel sah Greg ein weiteres oktopusartiges Wesen heranschweben, zu dem Sven und die Königin mit einem Teil ihres Gefolges herüberschwammen. Bei diesem Wesen waren die passiven Tentakel noch nicht mit Kokons besetzt. Gerade, als sich Greg fragte, was er jetzt tun sollte, fühlte er eine zärtliche Berührung auf seiner nackten schwarzen Pobacke.
»Du musst keine Angst vor Langeweile haben«, sagte Tyra.
»Wir werden uns dir voll und ganz hingeben, solange Amphitrite noch in ihrem Kokon heranreift«, fügte Evette an und ging vor Greg auf die Knie. Er fühlte die Wärme von Evettes Mundhöhle mit seiner Schwanzspitze, während ihm Tyra einen sinnlichen Kuss gab.
***
Rick saß in einem Flur im geschlossenen Bereich einer Nervenheilanstalt.
»Bleiben sie hier sitzen, der Doktor holt sie, sobald er Zeit hat«, sagte die Pflegerin, die in hierhin gebracht hatte. Er rieb sich mit den Händen nervös über die Hosenbeine und wäre am liebsten aufgesprungen. Rick blieb sitzen, denn er konnte jetzt nicht weg. Nicht nur, weil die Tür zum Treppenhaus abgeschlossen war, sondern weil es seine verdammte Pflicht war, hier zu sitzen.
*
Eigentlich hätte es für ihn nicht besser laufen können. In der Nacht, in der er mit Ms. Keens in das Ferienhaus am See geflüchtet war, hatte er ihr das Leben gerettet. Denn obwohl Miriam die Befreiung von Seven und den Cerebraten ohne ein Todesopfer abgeschlossen hatte, war das Urteil für Ms. Keens längst gefällt. Rick hatte sie mit freundlicher Unterstützung von der schwarzen Katze in dieses Ferienhaus gebracht und eine ganz neue Seite an ihr entdeckt.
In der ersten Nacht waren es seine Pheromone, die sie zu einer Sexbesessenen gemacht hatten. Sie hatten gevögelt, bis ihnen vor Erschöpfung die Augen zugefallen waren. Am zweiten Tag ging es so weiter. Selbst während des Essens fickten sie sich auf dem Küchentisch und fütterten sich gegenseitig mit Reisbällchen. Irgendwo in der Ferienwohnung hatte Ms. Keens ein Paar halterloser Nylonstrümpfe gefunden. Rick würde den Anblick nie vergessen, wie sie nackt, nur in Nylonstrümpfen und mit weit gespreizten Beinen, auf dem Bett lag und sich ihre Muschi massierte. Der flehende Blick und das gehauchte, fast schon befehlend klingende, »fick mich!«, war so präsent, als wäre es gerade eben passiert.
Rick fickte sie, so oft sie wollte. Er war dieser rassigen Rothaarigen in dieser Zeit vielleicht mehr verfallen, als sie seinen Pheromonen. Am zweiten Tag stellte er die Pheromonabsonderung ein, weil er keinen bleibenden Schaden bei Ms. Keens anrichten wollte. Aber das machte alles noch schlimmer. Während sie unter den Pheromonen devot und willig war, wurde sie danach wild und fordernd. Am dritten Tag fragte sich Rick ernsthaft, wie er dieser Situation entkommen konnte.
Er lag auf dem Bett und Ms. Keens lutschte seinen Lümmel, als hinge ihr Leben davon ab. Da erkannte Rick, dass sie sich in diesen Wahn gestürzt hatte, um sich nicht der Realität stellen zu müssen. Ihr Lebenswerk war zerstört und sie wurde landesweit gesucht. Solange sie mit Rick vögelte, musste sie sich diesen Tatsachen nicht stellen. Als Rick diese Einsicht gewonnen hatte, ging er unter einem Vorwand nach unten und rief die Polizei an. Er hatte den Hörer gerade aufgelegt, da kam Ms. Keens auf allen vieren in den Raum und forderte seinen Schwanz.
Als das Haus vom FBI gestürmt wurde, saß Rick im Fernsehsessel und Ms. Keens kniete zwischen seinen Beinen. Rick nahm die Hände hoch und sagte: »Ich habe sie angerufen. Danke, dass sie hier sind.«
Die Festnahme von Ms. Keens glich dem Einfangen einer wilden Furie. Als sie in Handschellen und in eine Decke gehüllt ins Auto geschoben wurde, schrie sie: »Ich will doch einfach nur gefickt werden!«
Zu dieser Zeit war schon ein Kamerateam vor Ort und die Szene war tagelang in den Medien. Mit fortschreitenden Ermittlungen der Behörden und vor allem durch die Recherchen der Journalisten, wurde der Öffentlichkeit ein Bild von Ms. Keens vermittelt, das sie nicht nur als korrupt und skrupellos darstellte, sondern ihr auch noch Sexsucht unterstellte.
Rick ging davon aus, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Aber in den ersten Nachrichtenmeldungen wurde er als unschuldiger Urlauber dargestellt, der seine Ferien in der Hütte am See verbringen wollte und dann von Ms. Keens überfallen und ausgenutzt wurde. Abgesehen davon wurden ihm keine Straftaten angelastet. Das einzig Illegale, das man Rick hätte zur Last legen können, war der Bau und die Anwendung einer EMP-Waffe. Aber der Truck war in dem Inferno auf dem Kraftwerksgelände bis zu Unkenntlichkeit zerstört worden. Ansonsten war Ricks Version sauber: Er hatte seine Bar für einige Tage geschlossen und war ein bisschen in Kalifornien herumgefahren, um den Urlaub dann in der Hütte am See ausklingen zu lassen.
Einzig eine ehrgeizige CIA-Agentin war misstrauisch und stellte Rick immer wieder Fragen zu offensichtlichen oder angeblichen Ungereimtheiten. Dabei ging es ihr nicht einmal um seine Person. Sie ahnte aber, dass er mehr über das Große und Ganze wusste, als er zugab. Rick lud sie schließlich in ein Restaurant in San Francisco ein, um ihr die ganze Wahrheit zu erzählen.
Sie hatte kastanienbraune Locken, die im Licht einen rötlichen Schimmer bekamen, und sie trug hohe Schuhe beim Dinner. Der Abend verlief sehr romantisch und nach dem dritten Glas Rotwein hatte sie ein verlegenes Lächeln auf den Lippen. Trotz ihres perfekten Make-ups war die leichte Röte ihrer Wangen zu erkennen. Sie bedankte sich für den Abend in diesem wunderschönen Lokal, hinterließ ihre Privatnummer und ging, obwohl Rick ihr keine einzige brauchbare Information geliefert hatte.
Beim zweiten Dinner machte ihr Rick nach dem zweiten Glas Rotwein ein Geständnis: »Ich bin in Wirklichkeit ein Alien-Mensch-Hybrid.«
Cassandra lachte laut und nahm die Hand vor den Mund, weil die anderen Gäste schon böse schauten. Eine knappe Stunde später machte sie den Mund auch weit auf, ließ die Hände aber hinter dem Rücken und nässte sich komplett ein, als der heiße Saft auf ihr Make-up spritzte. Danach schlief sie mit Rick und blieb sogar zum Frühstück. Im gleichen Maß, wie sie mit Rick privat Zeit verbrachte, reduzierten sich ihre beruflichen Bemühungen in dem Fall. Schließlich wurden die Ermittlungen ohne negatives Ergebnis für Rick abgeschlossen.
Rick und Cassandra hatten den Valentinstag in einem romantischen Traumhotel verbracht. Nach einem ganztägigen Wohlfühlprogramm, mit Massage, Dampfbad und meditativer Entspannung hatten sie ausgiebigen und leidenschaftlichen Sex auf ihrem Zimmer. Als sie erschöpft, aber glücklich nebeneinanderlagen, beschlossen sie in dieser Nacht, dass sie in eine gemeinsame Wohnung ziehen würden.
Rick wurde auf seine alten Tage zu einem richtigen Romantiker, der sich sehr liebevoll um seine Cassy kümmerte. Nachdem er seine Bar verkauft hatte, blieb ihm auch genug Zeit, für seine berufstätige Partnerin da zu sein. Zumal sie eigentlich auch nicht mehr arbeiten gehen müsste, wenn Ricks Glückssträhne an der Börse so weiterlief. Den Erlös der Bar hatte er gemäß den Tipps von V’nyx dem IV. in Aktien angelegt. Und so war es ihm mitten in einer Finanzkrise gelungen, stattliche Gewinne zu machen.
*
Aber heute, an diesem Frühsommertag, saß er mit einem Strauß Blumen in der geschlossenen Nervenheilanstalt und wartete, bis der Doktor für ihn Zeit hatte. Der Blumenstrauß war nichts Besonderes, nicht so besonders, wie die Blumensträuße, die er Cassandra schenkte, aber es war eine Geste, um nicht mit leeren Händen zu kommen.
»Ah, da sind sie«, sagte der Arzt mit geschäftiger Hektik. Sie gingen gemeinsam den Flur entlang.
»Wie geht es ihr?«, fragte Rick.
»Na ja, sie pendelt sich auf einem niedrigen Niveau ein. Seit ein paar Wochen macht sie mit Begeisterung bei der Töpfergruppe mit. Wir erhoffen uns, dass sie mit dem Modellieren von Ton, ihre Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Mittelfristig wollen wir natürlich erreichen, dass sie wieder spricht, erst dann ist eine effektive Aufarbeitung des Traumas möglich«, erklärte der Arzt, als ginge es um die Renovierung eines Hauses. Der Arzt schloss eine Tür auf. Auf dem Schild stand ELLEN KEENS.
Ellen Keens musste gehört haben, dass sie Besuch bekam, blieb aber auf dem Stuhl sitzen und schaute weiterhin aus dem Fenster. Rick trat unsicher in den Raum und grüßte mit einem tonlosen »Hallo.«
Als Ms. Keens seine Stimme hörte, blickte sie auf und schaute ihn mit einem abwesenden Lächeln an. Rick zwang sich auch zu einem Lächeln, dann schaute er sich um. Ihr Zimmer stand voll mit fingergroßen Figuren aus Ton. Der Nachttisch, die Ablage über dem Bett, der Großteil des Bodens, der kleine Tisch und selbst das Fensterbrett, standen voll davon. Die kleinen Figuren hatten allesamt Gesichter, die mit einem Holzstöckchen eingeritzt worden waren. Ein kleiner Kreisbogen stellte einen lachenden Mund dar und für Nase und Augen hatte sie je einen Punkt in den Ton gedrückt.
Nach einer bedrückend langen Zeit des Schweigens sprang Ms. Keens auf und begann, die Tonfiguren hektisch zu durchsuchen. Obwohl sie alle irgendwie gleich aussahen, schien sie eine bestimmte Figur zu suchen. Zweimal griff sie eine Figur und stellte sie wieder zurück. Beim dritten Mal war sie sicher und ging zu Rick, um ihm die Figur zu geben. Den Blumenstrauß ignorierte sie. Rick schaute sich die Figur an und so verrückt es klingen mag, er sah in den primitiv eingeritzten Gesichtszügen dieser Figur seinem Sohn Buck.
»Darf Rick diese Figur behalten?«, fragte der Arzt mit einer Tonlage, in der man normalerweise mit Kleinkindern spricht. Ms. Keens nickte eifrig mit dem Kopf, wie es Kleinkinder manchmal tun.
Der Arzt schaute zu Rick und erklärte: »Sie können sich glücklich schätzen, diese Figuren verteidigt Ms. Keens wie einen Schatz, nicht einmal die Putzfrauen dürfen die Figuren berühren.«
Dem Arzt war die kleine Träne in Ricks Augenwinkel nicht aufgefallen und er sprach ein paar Sätze zu Ms. Keens, die Rick nicht wahrnahm, weil er die kleine Figur in seiner Hand anschaute. Dann blickte der Arzt wieder zu Rick und erklärte: »Sie lebt in ihrer ganz eigenen Welt.«
Rick lächelte verständig: »Das tun wir doch alle irgendwie.«
ENDE
Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 102
Ich bedanke mich bei Franziskus. Er hat jeden Teil dieser sonderbaren Geschichte mit dem richtigen Fingerspitzengefühl vorgestellt.
Natürlich bedanke ich mich auch bei den treuen Lesern, die bis hier her durchgehalten haben.
Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die wenigen aber dafür umso fleißigeren Kommentatoren.
Alle die bisher stumme Konsumenten waren, haben jetzt die letze Gelegenheit mir ihre Eindrücke zu vermitteln - es ist mein einziger Lohn für die Arbeit.
liebe Grüße
Faith«
Kommentare: 76
ein schönes happy end .
und doch schade , dass es nun zu ende ist mit der geschichte .
danke«
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Kommentare: 26
Ich schließe mich meinen beiden Vorrednern an und möchte noch hinzufügen, dass mit dieser Geschichte die beste Serie hier auf sevac zuende geht. Du hast diese Geschichte einwandfrei entwickelt und ich hab mich jedes mal gefreut, wenn ein neuer Teil online kam.
Das "Danke" aus deiner Nachricht oben kann ich nur zurückgeben.
Hoffentlich hören wir bald wieder von dir;)«
Kommentare: 4
Ich verfolge diese Geschichten seit der allerersten Folge von "Mutation" und habe diese Seite sicherlich allein schon während der Miriam-Serie dutzende male geöffnet, nur um zu schauen ob eine neue Folge da ist. Es ist toll mitzuerleben, wie sich Dein Schreibstil weiterentwickelt, die Geschichte immer komplexer wird und Du trotzdem den Grundideen, der Erotik und der sonderbaren Faszination treu bleibst.
Auch Deine anderen Geschichten habe ich immer gerne gelesen, aber diese Welt ist und bleibt mein Favorit. In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön mit der kleinen Hoffnung darauf, dass es irgendwann doch nochmal eine Fortsetzung in Miriams Universum geben wird.«
Kommentare: 34
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Einfach nur WOW!
Super Story. Einfach ganz große Klasse. Schönes happy End!
Aber auch schade das es jetzt zu Ende ist.«
Kommentare: 9
Diese Reihe hat mich gefesselt. Ich habe fast jeden Tag nachgeschaut ob es schon einen neuen Teil gibt. Auch wenn (oder gerade weil?) sie teilweise relativ wenig Sex-lastig war, fand ich sie unheimlich gut. Danke dafür. Und sollte dir irgendwann eine neue Idee für eine Geschichte (vielleicht mit Amphitrite?) in diesem "Universum" einfallen, wäre ich sehr begeistert.«
Kommentare: 51
Ich hoffe sehr, dass Du neue Ideen für eine neue Geschichte hast.
Ich hatte sehr bedauert, daß zwischendurch wenig von Dir zu lesen war.
Schön, daß Du uns in Deine (Fantasie-)Welt mit nimmst.
Liebe Grüße
Martin«
Kommentare: 10
Eine Fortsetzungsserie bei der es von Folge zu Folge spannender wird. Schlüssige Handlung und toller Schluß.
Mach weiter so.«
Kommentare: 7
Die Übergänge zwischen den einzelnen Episoden (nicht die der Kapitel/Teile) empfand ich als stimmig. Lediglich der Wechsel der Hauptakteure von Roter Königin zu Blauer Königin störte ein wenig.
Das Einbinden der Cerebrate in der letzten Episode gab der Geschichte ein stabiles Gerüst und Handlungsstrang.
Die Schilderung des Auslebens der Sexualpraktiken zeugen von einer Phantasie, wie sie kaum noch vorhanden ist.
Schade das die Geschichte beendet wurde.«
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Kommentare: 15
Am 1. Teil dieses Romans habe ich Dir ja schon einen Kommentar hinterlassen. Ich hatte auf einen weiteren schön geschriebenen mehr Teiler gehoffet, wie bei den vorhegehenden Geschichten zu Miriam.
Meine Erwartungen wurden um ein vielfaches übertroffen. Dieses Buch(!!) hat mir viele nette abende bereitet.
Von mir also dafür 19x 10 Punkte mit Sternchen !
Weiterhin Daumen hoch und un Erwartung auf weitere tolle Geschichten !
Viele Liebe Grüße«
Kommentare: 4
die Geschichte ist sehr gut und es hat mir gefallen diese zu lesen. herzlichen dank bitte mehr davon«
Kommentare: 3
Hat mich von Anfang an gefesselt und hat sehr viel Spaß gemacht beim lesen obwohl ich eigentlich mit Latex nichts anfangen kann. Großartige Leistung und ich hoffe es werden noch weitere Abenteuer folgen.
Mfg Nico«
Kommentare: 2
eine tolle Idee mit der richtigen Mischung aus Fantasy, Science Fiction und Sex.
Vielen Dank«
Kommentare: 441
Lediglich die Klicks und das Feedback lassen doch sehr zu wünschen übrig. Ich empfehle, unbedingt ein eBook rausbringen. Da gibt es bestimmt noch einige Leser.
LG Mondstern«
Kommentare: 258
schwer beeindruckt kann ich zunächst nur meinen tiefen dank neben meiner höchsten anerkennung zum ausdruck bringen!
neben so vielem, was andere und auch ich an andrer stelle lobend bemerkt habe(n): es ist auch dein menschenbild, das von dir umfassend und gekonnt beschrieben wird - und schlicht ungemein sympathisch daherkommt.
freilich höchst ironisch, dass die menschlichsten wesen hier nun einer anderen, eben auch idealen spezies angehören - die, das wird immerhin deutlich, moralisch aber auch nicht a priori "besser" ist.
es kommt also doch immer noch auf jeden einzelnen an. wie beruhigend - wie ernüchternd...
aber neben einem kleinen moralischen kompass hast du eben auch für viele stunden ein amüsantes, spannendes, tiefes, prickelndes mächtiges lesevergnügen geschaffen. und dafür abermals hochachtung und herzlichen dank sagt
magic«
Kommentare: 11
Vielen Dank für diese Aussergewöhnliche Geschichte.«
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Kommentare: 6
Vielen Dank!«
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